Am Sonntag wurden in Bayern und Hessen neue Landtage gewählt, und warum genau die hessische SPD-Spitzenkandidatin und noch amtierende Bundesinnenministerin Nancy Faeser dort laut vorläufigem Endergebnis (Stand 9.10., 3 Uhr) nur 15,1 Prozent (minus 4,7 Prozent) holte, soll an dieser Stelle nicht genauer analysiert werden. An einer obskuren Einladung zu einer Pressekonferenz im Wahlkampf dürfte es so oder so eher nicht gelegen haben. Dennoch.
Die Pressekonferenz sollte – Obacht – eine möglichst weibliche Pressekonferenz werden. Passend zu den weiblichen Speakerinnen (Malu Dreyer, Anke Rehlinger und Manuela Schwesig, allesamt SPD-Ministerpräsidentinnen) wünschte sich Faeser im Einladungsschreiben, dass die Redaktionen bitte schön weibliche Journalistinnen schicken mögen. Das Medienecho reichte von “lachhaft” bis “empörend”. Da kann ich nur sagen: Was für ein Bärinnendienst!
„Ernsthafte Konzepte statt Tokenismus“
Nun könnte man über Faesers fisseliges Feingefühl schmunzeln, wäre die Sache nicht so ernst. Denn leider macht sich in Deutschland gerade vielerorts eine gewisse „Diversity Fatigue“ breit. Ein hübsches neues Buzzword, das aber nichts anderes meint als: So manchem hängt das Thema Diversity schlicht zum Hals raus. Und das ist nicht schade, sondern richtig richtig schlecht.
Janina Kugel, Multiaufsichtsrätin, Senior Advisor und ehemalige Siemens-Vorständin, hat darüber im “Manager Magazin” jüngst einen starken Text geschrieben. Ihre Beobachtung: „Diversity verkommt zur Show. Es gibt Marketingkampagnen mit tollen Fotos, aber wenig Inhalt.“ Gegen die Fatigue könne nur helfen, „weniger Zeit in inhaltsleere und sich nach Alibi anfühlende Kampagnen zu investieren und stattdessen lieber ernsthaft an Konzepten zu arbeiten, wie man ‚andere‘ Arbeitnehmer*innen für das eigene Unternehmen gewinnen“ kann. „Eine Frau in den Vorstand zu berufen, damit die Außenwelt einen endlich in Ruhe lässt, ein paar nicht weiße Menschen und den ‚Vorzeigeschwulen‘ im Unternehmen sichtbar zu machen – das ist Tokenismus“, so Kugel, die damit allen Rainbowwasherinnen und Rainbowwashern ordentlich den Kopf wäscht.
Gen X: Arbeiten, um zu leben
Passend dazu macht sich das Unternehmen New Work gerade explizit für mittelalte Menschen stark. Nach einer Onlineumfrage fand New Work jetzt heraus: Die zwischen 1965 und 1980 geborenen, vulgo Generation X oder kurz Gen X, sind die loyalsten und motiviertesten Arbeitnehmer überhaupt.
Das finde ich schon deshalb toll (und natürlich vollkommen richtig), weil ich selbst zur Gen X zähle. Das ist aber auch für Arbeitgebende interessant, weil die Gen X mit rund 16,5 Millionen Beschäftigten die größte Gruppe am Arbeitsmarkt stellt. Deshalb hier nochmal die wichtigsten Zahlen: Fast 70 Prozent der Beschäftigten der Generation X bezeichnen sich bei der Arbeit als motiviert, und rund jeder zweite Erwerbstätige dieser Generation (55 Prozent) kann sich vorstellen, bis zur Rente beim derzeitigen Arbeitgeber zu bleiben.
Einen klitzekleinen Haken hat die Sache allerdings: Im Generationen-Vergleich fällt die Zustimmung der Gen X zu der Aussage, dass der Beruf eine Bereicherung für das eigene Leben darstelle, mit 61 Prozent am geringsten aus (Generation Z: 72 Prozent, Generation Y: 63 Prozent, Babyboomer: 69 Prozent). Julian Stahl, Arbeitsmarktexperte bei New Work, kommentiert das so: „Die Generation X setzt ihre Prioritäten klar, zwar sind sie leistungsfähig und wollen finanziell abgesichert sein, aber nicht um jeden Preis. Stattdessen folgen sie dem Credo ‚Wir leben nicht, um zu arbeiten; wir arbeiten, um zu leben’.“ Ich persönlich würde als Freiberuflerin an dieser Stelle ehrlicherweise sagen: „Mal so, mal so.“
In Reverse Mentoring ist Musik drin
Aber um mich geht es hier ja nicht. Eher schon um Michael Trautmann und seine Erfahrungen mit Reverse Mentoring. Die wachsende Zahl der Reverse Mentoring-Programme in deutschen Unternehmen zeigt: da ist Musik drin. Meine Kollegen Andreas Marx und Henning Eberhardt haben dazu gerade einen sehr lesenswerten Artikel auf absatzwirtschaft.de veröffentlicht. Sie schreiben darin: Reverse Mentoring, also das Lernen der Älteren von den Jüngeren, biete „die Chance, generationsübergreifend voneinander zu lernen und die jeweilige Realität des Gegenübers besser zu verstehen. Unternehmen können davon profitieren. Sie müssen es sogar, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen“.
Gesprochen haben Marx und Eberhardt für ihren Beitrag auch mit Michael Trautmann, früher Geschäftsführer der Agentur Thjnk und heute als Co-Founder von New Work Masterskills und Co-Host des Podcast „On the way to New Work“ so etwas wie die graue Eminenz der New Work-Bewegung. Im Gespräch erinnert sich Trautmann an seine erste Reverse-Mentoring-Erfahrung, als ihm in einem Personalgespräch zum Ende der Probezeit sein Mitarbeiter Moritz Fürste gegenübersitzt: „Moritz hat auf einmal das Wort ergriffen, sich für meine Komplimente bedankt und mich gefragt, ob er mir auch noch ein paar Dinge sagen dürfe.“ Es folgte ein 50-minütiges Feedback von jung zu alt, über das Trautmann acht Jahre später noch sagt, dass er hinterher nicht wusste, ob er lachen oder weinen sollte, so ertappt hätte er sich gefühlt.
In diesem Sinne: Eine lehrreiche Woche, lassen Sie sich nicht ertappen und bleiben Sie gut drauf!