YouGov selbst hat am Freitag in einer Mitteilung Stellung zu seiner Umfrage genommen und sich verteidigt. Man bedauere, dass man vier Punkte neben dem eigentlichen Ergebnis gelegen hat, verweist allerdings auf das ohnehin knappe Ergebnis und weitere Umfragen aus dem vergangenen halben Jahr, die eine Mehrheit für den Brexit ergeben haben. Insgesamt habe YouGov den Brexit öfter vorausgesagt als Konkurrenten und man habe gezeigt, dass es ein knappes Rennen war. Alles richtig, aber alles auch Gründe, weswegen gerade YouGov mit seiner finalen Prognose hätte vorsichtiger umgehen müssen.
Nichtsdestotrotz lagen die Meinungsforscher bei der finalen Umfrage, die aufgrund der Ankündigung international von Medien erwartet worden war, ordentlich daneben. „Es sieht so aus, als wenn wir die Resultate für Großbritannien schlecht vorhergesagt haben“, gestand der Ex-YouGov-President Peter Kellner via Twitter ein. „Schlecht für uns Meinungsforscher und (weniger bedeutend) peinlich für mich.“ Man wolle sich nicht davor verstecken, dass man am Ende eine vier prozentige Abweichung vorgelegt hatte, heißt es auch im offiziellen Statement von YouGov.
Das kann das Unternehmen auch nicht. YouGov hat sich auch in der Vergangenheit immer wieder mal Fehlprognosen geleistet. So erinnert das Handelsblatt an das Schottland-Votum 2014, bei dem es um die Unabhängigkeit von Großbritannien ging. YouGov meldete zunächst, dass es eine zweiprozentige Mehrheit für die Abspaltung des Vereinigten Königreiches geben werde. Die Schotten entschieden bekanntlich anders, mit 55 Prozent für den Verbleib im Königreich. Ebenfalls grandios daneben lag YouGov bei den Parlamentswahlen 2015, als David Cameron die absolute Mehrheit holte. Laut YouGov sollte der am Freitag zurückgetretene Premierminister gnadenlos scheitern. „Wir haben aus unseren Fehlern gelernt“, sagte Stephen Shakespeare, amtierender YouGov-Chef, kurz vor der Brexit-Abstimmung beim Handelsblatt-Podiumgespräch in London. Nun hat sein Institut einen weiteren begangen und muss nun ergründen, wie es dazu kommen konnte.
Doch wie konnte es zum Prognose-Versagen kommen? Die genauen Gründe wird das Unternehmen, das sein Verhalten in erster Linie seinen Mandanten erklären muss, sicherlich tiefgehend analysieren. Auf den Prüfstand stellen dürfte man sicherlich die Methodik. Die Meinungsforscher von YouGov führten ihre Befragung online durch. Im Falle eines so komplexen Votums ist dies ein sehr einfaches, möglicherweise aber auch fehleranfälliges Vorgehen.
Für zuverlässige Prognosen arbeiten Wahlforscher wie hierzulande forsa, infratest dimap oder die Forschungsgruppe Wahlen mit Telefoninterviews oder sogar mit Mitarbeitern vor Ort, die Wähler direkt nach dem Gang zur Urne befragen. Somit stellen sie auch sicher, dass die Teilnehmer wirklich gewählt haben. Dabei achte man zusätzlich auf die regionale Verteilung der Interviews, da Abstimmungsverhalten oftmals regional schwanken, erklärt Michael Kunert, Geschäftsführer von infratest dimap gegenüber MEEDIA. Darüber hinaus setzen Kunerts Meinungsforscher auf zahlreiche Interviews (bei den jüngsten Landtagswahlen auf 20.000 Stück), um Zufallsfehler zu minimieren. Im Falle der YouGov-Exit-Poll waren es weitaus weniger Befragte.
Ein weiterer Nachteil der Online-Befragung, wie auch YouGov bereits erkannt hat, ist das Alter der Teilnehmer. Weitere Ergebnisse machen deutlich, dass vor allem junge Leute für den Verbleib in der EU gestimmt haben. Erfahrungen zeigen, dass sich im Netz überwiegend junge Menschen erreichen lassen, älteres Publikum erreicht man eher über Telefon-Interviews. Mit einem Mix hätte das Institut ein genaueres Ergebnis erzielen können.
We do not hide from the fact that YouGov’s final poll miscalculated the result by four points. This seems in a large part due to turnout – something that we have said all along would be crucial to the outcome of such a finely balanced race. Our turnout model was based, in part, on whether respondents had voted at the last general election and a turnout level above that of general elections upset the model, particularly in the North.
Will YouGov in der politischen Meinungsforschung weiter in der Liga der Top-Institue mitspielen, muss das Unternehmen an seinen Messinstrumenten arbeiten. Nun ist es tatsächlich schwierig, bei einem so komplexen Referendum zielgenaue Aussagen treffen zu können. Allerdings hätte das Unternehmen die Ergebnisse nicht veröffentlichen müssen. Dadurch, dass es am Markt mit seiner Prognose ziemlich alleine dastand, ist das Umfragedebakel umso unangenehmer und auffälliger. Immerhin, so die YouGov-Meinungsforscher, habe man mit der Prognose nicht allein falsch gelegen: Auch Wettbüros, Finanzmärkte und die meisten Medien hätten auf eine Bremain-Mehrheit gesetzt.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf meedia.de.