Feedback war gestern

Warum Rückmeldungen nicht nach vorne blicken, Mitarbeitende von Rossmann weinen müssen – und die der Schwäbischen Zeitung auch.
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Laut aktueller Xing Diversity-Studie will mehr als die Hälfte der Generationen 50+ auch nach Eintritt ins Rentenalter noch arbeiten. (© Unsplash)

Es ist Sommerloch! Oder besser: Früher war Mitte August immer Sommerloch, also diese mediale Einöde, weil irgendwie nichts richtig Neues passiert. Davon kann in Zeiten wie diesen keine Rede sein. In Politik, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft tut sich gerade ziemlich viel (allerdings leider nicht nur Gutes). Selbst in unserer Branche und damit auch in Sachen Work & Culture steht das Nachrichten- und Meinungskarussell im Hochsommer nicht mehr still. Kennen Sie beispielsweise die neue Wortschöpfung Feedforward? Nein? Schön. Denn dann darf ich Ihnen diese gleich kurz erklären – und noch ein paar andere Dinge mehr. 

Starten wir aber mit Feedforward. Sie glauben, das hat vielleicht irgendwas mit dem Füttern von Stürmern oder so zu tun? Weit gefehlt. Richtig ist: Das forward feeden soll das back feeden, Ihnen eventuell besser bekannt als Feedback geben, ersetzen. Zumindest wenn es nach Menschen wie Susann Remke geht. Sie hat ebendies vergangene Woche in einem LinkedIn-Post angeregt und sich dabei auf einen Beitrag des Wall Street Journal bezogen, der im September 2023 erschienen ist. Der Gedanke hinter Feedforward lautet salopp zusammengefasst: Feedback wird von zu vielen Mitarbeitenden negativ assoziiert und ist, weil das Rückwärtsgewandte ja schon im Wort steckt, irgendwie voll old school. Feedforward hingegen, soll Mitarbeitende positiv stimulieren und motivieren. Man soll als also Führungskraft nicht mehr über das Gestern meckern, sondern sich gemeinsam mit dem Team auf das Morgen freuen. 

Als einen Grund, warum Feedforward so klasse sei, nennt Remke: Die Vergangenheit lässt sich nicht mehr ändern, die Zukunft schon. Wer hätte das gedacht? 

Aus Fehlern lernen

Aber im Ernst: Das Ziel, das hinter Feedforward steckt, ist ganz und gar richtig. Nämlich die Mitarbeitenden positiv anzusprechen und für künftige Heldinnen- und Heldentaten zu motivieren. Warum es dafür allerdings einen neuen Begriff brauchen sollte, ist mir schleierhaft. Denn erstens muss und sollte Feedback keineswegs zwangsläufig negativ sein. Im Gegenteil: Das Wissen um den Segen positiven Feedbacks ist fast so alt wie die Menschheit. Zweitens: Besser werden kann bekanntlich nur, wer aus Fehlern lernt – und die liegen leider naturgemäß in der Vergangenheit. Und Drittens: Übersetzt heißt Feedback schlicht Rückmeldung. Und eine Rückmeldung meint ja nicht unbedingt einen Blick zurück, sondern eher die Spiegelung eines Verhaltens – ob im Hier und Jetzt, im Gestern oder in ferner Zukunft. 

Doch bevor ich mich allzu sehr in semantische Haarspaltereien versteige, wechsle ich lieber das Thema. 

Rossmann rührt zu Tränen

Obwohl. Genau genommen geht auch die nächste Story um exakt das gleiche Thema. Der Drogeriemarkt Rossmann hat gerade zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte eine Employer Branding-Kampagne gestartet – und rührt damit die eigenen Mitarbeitenden zu Tränen. Vor laufender Kamera erhalten sie jeweils einen Brief, in dem ihnen ein Kollege oder eine Kollegin – zunächst anonymer – ein persönliches Kompliment macht. Die Reaktionen, die der Kampagnenfilm zeigt, sind absolut sehenswert. Und irgendwie habe ich den Verdacht, dass den so positiv überraschten Protagonisten dabei vollkommen schnuppe ist, ob die netten Worte nun Feedback oder Feedforward sind. 

Dazu passend habe ich auf LinkedIn vergangene Woche noch ein schönes Fundstück für Sie herausgefischt. Sarah Wieser, Personalmanagerin bei der Commerzbank, fasst dort in zehn klaren Punkten zusammen, was gutes Employer Branding auszeichnet. Etwa, dass es an jedem Berührungspunkt halten muss, was es verspricht. 

Nichts von dem, was Wieser schreibt, ist wirklich neu. Doch in seiner unaufgeregten Bullshit-Bingo freien Komprimiertheit ist es zur Lektüre zu empfehlen – und für manche Employer Brander vielleicht auch als Kopfkissenunterlage gut geeignet. 

Schwäbische Zeitung bietet Abfindungen an – und zwar für alle

Lutz Schumacher, Geschäftsführer der Schwäbischen Zeitung, dürfte eine andere Nachtlektüre haben. Anders lässt sich nicht erklären, wie es der Mann schaffte, binnen kürzester Zeit, seine komplette Belegschaft gegen sich aufzubringen. Um den dringend erforderlichen Stellenabbau zu forcieren, hat die wirtschaftlich unter Druck stehende Zeitung jüngst Abfindungsangebote verschickt – und zwar an die gesamte, komplette, vollständige Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterschar. Es staunt der Laie und der Fachmann oder die Fachfrau wundert sich. Der SWR schreibt dazu ziemlich nett: „Bei der „Schwäbischen Zeitung“ hat ein Kündigungsangebot an die Belegschaft für Verunsicherung und schlechte Stimmung gesorgt“. Ich würde sagen: Weder mit Feedforward noch mit Feedback braucht Schumacher künftig irgendwem in der Belegschaft noch zu kommen. Er selbst sagt dazu mittlerweile übrigens, die Art der Kommunikation sei „unzureichend“ gewesen. „Man hätte begleitend mehr zu dem Austrittsangebot sagen müssen“, zitiert ihn der SWR. 

Knappe Mehrheit will länger arbeiten

Man kann die Abfindungsstrategie der Schwäbischen Zeitung aber natürlich auch ganz anders lesen. Denn immerhin schafft es Schumacher so, nicht nur die vermeintlichen Low Performer und die Alten zu düpieren – wie sonst bei Abfindungsrunden ja gerne üblich. 

Womit wir bei meiner letzten News für heute sind. Und auch die hat es meiner Meinung nach in sich. 

Laut aktueller Xing Diversity-Studie will mehr als die Hälfte der Generationen 50+, genau genommen sind es 53 Prozent, dem Arbeitsmarkt auch nach dem offiziellen Renteneintrittsalter noch zur Verfügung stehen. Nur nochmal zum Mitschreiben: Über die Hälfte der heute mindestens 50 Jahre alten Menschen hierzulande denkt gar nicht daran, schon (!) mit 67 Jahren in Rente zu gehen. Die Frage, ob sie theoretisch in der Lage wären, in diesem Alter noch zu arbeiten, beantworten sogar 62 Prozent der Befragten mit einem klaren „Ja“. 

„In Zeiten von Fachkräftemangel können wir es uns nicht leisten, dieses Potenzial nicht zu nutzen“, sagt Xing Arbeitsmarktexperte Julian Stahl. „Gerade in Engpassbranchen ist die Erfahrung, die ältere Beschäftigte mitbringen, unverzichtbar.“ Mit attraktiven Angeboten, wie etwa flexiblen Arbeitszeitmodellen insbesondere für Ältere, könnten Unternehmen Engpässe abfedern und dadurch langfristig wettbewerbsfähig bleiben. 

Interessant auch: Als Grund, um länger weiterzuarbeiten, nannten 63 Prozent finanzielle Überlegungen, 56 Prozent wollen im Kontakt mit Menschen bleiben, 42 Prozent können sich nicht vorstellen, die Hände in den Schoß zu legen, und 33 Prozent sehen Arbeit auch nach der Rente als ein Mittel zur Selbsterfüllung. Sie haben sicher mitgezählt: Mehrfachnennungen waren bei der Umfrage möglich. 

Nicht abgefragt wurde jedoch, ob eine hübsche Abfindung den einen oder die andere vielleicht doch früher in Rente gehen lassen würde – oder ob das richtige Feedforward ein weiterer Verweilgrund sein könnte. 

In diesem Sinne: Eine Rückmeldungsintensive Woche und bleiben Sie gut drauf. 

ist seit mehr als 20 Jahren Journalistin, spezialisiert auf Marketing, Medien, New Work und Diversity. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei “Horizont”, schreibt seit 2014 als freie Autorin für diverse Wirtschafts- und Fachmedien und liebt es, als Dozentin für Fachjournalismus und Kommunikation junge Menschen für die Branche zu begeistern. Privat muss es bei ihr sportlich zugehen – am besten beim Windsurfen oder Snowboarden.