Sie klären junge Menschen mit FAQ YOU über Themen wie Geschlechtskrankheiten oder Sex auf. Wie haben Sie den richtigen Zugang gefunden, dass es nicht zu peinlich wirkt?
Daniel Nagel: Alles beginnt mit der richtigen Sprache. Das Team ist sehr talentiert darin, die richtigen Worte zu finden und unsere Inhalte dadurch zugänglich zu machen. Gepaart mit der notwendigen Offenheit, Ehrlichkeit und einem Augenzwinkern schaffen wir es, eine relevante Quelle für junge Menschen zu sein. Darauf sind wir sehr stolz.
Woher nehmen Sie die Fragen und Themen – werden Ihnen auch viele geschickt?
Wir arbeiten mittlerweile über zehn Jahre in diesem Bereich, ich selbst habe lange Zeit Aufklärungsworkshops in Schulen gegeben. Aus jeder dieser Sessions haben wir unzählige Fragen gesammelt, die wir für unsere Kanäle aufbereiten und nutzen. Zusätzlich engagiert sich unsere Community natürlich selbst und fragt uns via Social Media nach Antworten auf ihre wichtigsten Fragen im Bereich von Sex und Liebe.
Wie ist das Feedback der Community und wie eng Sind Sie im Austausch mit der Zielgruppe?
Wir freuen uns über viel Interaktion mit unserer Community bei Social Media, aber das halte ich für sehr wichtig – auch offline. Sei es während unserer Aufklärungsworkshops oder auf Festivals. Junge Menschen kennen FAQ YOU und tauschen sich gerne mit uns aus. Das Feedback, das wir dabei erhalten ist oft sehr positiv und wertschätzend. Vielmals können wir selbst durch unsere Community lernen und nutzen Anregungen für die Fortentwicklung unserer Angebote.
Gehen wir nochmal einen Schritt zurück. Wann kam die Idee?
Die Idee zu FAQ YOU war eine Entwicklung. Zunächst wollte ich ein Aufklärungsbuch machen, um das zehnjährige Bestehen unserer Organisation zu feiern. Das Buch FAQ YOU ist Ende 2019 erschienen und kam sehr gut an. Die Pandemie hat unsere Arbeit komplett auf den Kopf gestellt, aber im Endeffekt auch dafür gesorgt, dass wir uns mehr mit digitaler Aufklärung beschäftigen mussten. Unsere Strategie war zunächst, den großartigen Buch-Content online zur Verfügung zu stellen. Von diesem Ansatz haben wir uns aber schnell verabschiedet und die Idee weiterentwickelt.
Wie haben Sie es geschafft, beispielsweise mehrere Millionen Views auf TikTok zu generieren?
Trial & Error. Wir haben sehr viel probiert und versucht, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Wir wollten und mussten uns ständig verbessern. Das dauerte einige Zeit, weil das Medium für uns natürlich auch neu war. Heute sind wir sehr stolz auf unseren TikTok-Kanal und seinen Erfolg.
War es einfach, Unterstützung in Form von Beiratsmitgliedern oder Partner*innen zu finden?
Es ist nie besonders einfach, den Fuß in die Tür zu bekommen. Das geht natürlich mit der Zeit und dem Erfolg leichter, aber es war sicherlich nicht immer so. Früher habe ich auf 100 Mails bestimmt 94 Mal keine Antwort erhalten.
Wie hat es letztendlich trotzdem geklappt?
Ich bin überzeugt, man muss absolut hinter seiner Arbeit stehen, beständig bleiben und darf sich nicht entmutigen lassen. Wenn anfangs nicht das Thema selbst überzeugt hat, dann habe ich es schon oft erlebt, dass unser Durchhaltevermögen und die Beständigkeit dafür gesorgt haben, dass Menschen uns eine Chance gegeben haben. Eine gute Idee, Vertrauen und Offenheit des Gegenübers sind dann wichtige Zutaten, um die Kooperationen auch Wirklichkeit werden zu lassen.
Welchen vermeintlichen Tabuthemen wollen Sie sich noch annehmen und darüber aufklären?
Also Tabuthemen finden wir noch heute überall. Wir werden also noch lange Zeit beschäftigt sein. Gerade im Gesundheitsbereich finden wir sie an jeder Ecke. Vor kurzem habe ich mich zum Beispiel über Demenz ausgetauscht und mitbekommen, welche großen Vorurteile und Ängste es bei diesem Thema gibt. Trotzdem liegt unser Fokus vor allem im Bereich der Prävention junger Menschen und hier sind unsere Themen rund um eine gesunde Sexualität noch lange nicht gelöst.
Wie wichtig ist das Branding eurer Organisation selbst? Wie viel Fokus liegt darauf und wie viel auf den einzelnen Kanälen und Projekten?
Unser Branding ist uns sehr wichtig. Wir haben schon immer einen großen Wert auf gute Gestaltung gelegt und uns schon über viele Auszeichnungen in diesem Bereich gefreut. Wir werden hier in diesem Jahr noch ein paar wichtige Akzente setzen und dafür sorgen, dass wir unsere Markenführung noch konsequenter gestalten. Grundsätzlich gilt, dass uns der Erfolg der einzelnen Projekte natürlich besonders wichtig ist, deshalb gehen unsere Ressourcen auch vor allem in diese Bereiche. In der Zukunft wünsche ich mir jedoch, dass wir nicht so oft zwischen Organisation und Projekten priorisieren müssen, sondern mehr Synergien nutzen können.
(Zur Info: Das Interview wurde schriftlich geführt)
Daniel Nagel ist Gründer und CEO der ohhh! foundation. Er engagiert sich seit mehr als zehn Jahren im Bereich der Sexualaufklärung und Gesundheitsprävention für junge Menschen. Mit Initiativen wie “Jugend gegen AIDS” oder “FAQ YOU” setzt sich das Team rund um Nagel dafür ein, Themen rund um eine gesunde Sexualität mittels kurzer Erklärungen zugänglich zu machen.