Zur EM 2016 wurden wieder zahlreiche Deals mit Spitzensportlern geschlossen. Schließlich ist die Fußball-EM nach den Olympischen Spielen und der WM das drittgrößte Sportereignis der Welt. Die Unternehmen stehen in den Startlöchern,viele Kampagnen, wie die von Nike und Adidas, laufen schon seit Wochen im TV. Die größte Werbeveranstaltung spült alle vier Jahre die Kassen der Unternehmen voll. Allein im Jahr 2014 machte die deutsche Sport-Sponsoring-Industrie einen Umsatz von 40 Milliarden Euro. Die Digitalisierung macht dabei innovative Konzepte möglich. Vier Beispiele, wie „Fan“-Ansprache und Werbung in Zukunft aussehen werden:
1. Technologie: Die aufgemotzten Stadien
Borussia Dortmund ist auf diesem Gebiet ein Vorreiter: Der Verein hat 2015 das „BVB“-WLAN im Signal Iduna Park gestartet. Seit April 2015 ist es allen Stadionbesuchern möglich, sich kostenfrei ins Internet einzuloggen und auf nahezu alle Datendienste zuzugreifen. So kann man während des Spiels ausführliche Statistiken abrufen oder an Tippspielen, Votings und interaktiven Umfragen zum Spielgeschehen teilnehmen.
In den USA ist man einen Schritt weiter: Dort sind seit der vergangenen Saison alle Baseballstadien mit WLAN ausgestattet. Das Konzept umfasst Features, exklusive Kameraeinstellungen und Wiederholungen von Szenen sowie eine 360-Grad-Mediavernetzung. Für Werbetreibende öffnen sich so ganz neue Chancen: Fans können zielgerichtete und individuell zugeschnittene Angebote erhalten, bekommen ein Upgrade auf die VIP-Lounge oder einen Getränkerabatt angeboten. Damit wird das Stadion-Netzwerk zu einem neuen strategischen Geschäftsfeld. Konzerne wie Cisco und Siemens tüfteln mit Hochdruck an neuen Konzepten für vernetzte Stadien. „Die Teams können HD-Video, Wifi, Beacons und vieles mehr nutzen, um mit ihren Fans zu interagieren und ein einzigartiges dynamisches Stadionerlebnis zu kreieren“, sagt Matthew von Tuinen von der Cisco Sports & Entertainment Group. Es gibt aber Kritik: Die drei großen Mobilfunk-Carrier Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland (O2 und E-Plus) meinen derzeit noch, dass sich der Ausbau der Netze kaum rentiert, da Hotspots wie Stadien nur an Event-Tagen hoch frequentiert sind.
Damit aber Fans weiterhin für die „Ich war im Stadion dabei“-Erfahrung bezahlen, müssen Arenen technisch weiter aufgerüstet werden. Zum Beispiel mit Mobile Ticketing, das es bei der Bahn schon seit Jahren gibt. Doch das digitale Ticket kann für viele Anwendungen bisher nur als additive Möglichkeit realisiert werden. Denn ein großer Teil der Bevölkerung ist mit neuen Technologien noch nicht vertraut oder verfügt nicht über die nötige technische Ausstattung.
2. Virtuelle Werbung: Bandenwerbung, mal anders
Haben Sie schon einmal einen riesigen Nassrasierer virtuell über das Spielfeld fliegen sehen? In Südamerika kann genau das passieren. Denn dort wird virtuelle Werbung schon seit fünf Jahren eingesetzt. Hierzulande diskutiert man noch über diese Methode. Hierbei könnten verschiedene Länder dasselbe Spiel, aber unterschiedliche, ganz auf sie zugeschnittene Werbung sehen. Virtuelle Bandenwerbung, die im Stadion selbst nicht zu sehen ist, bietet den Vorteil, dass mit ihrer Hilfe zusätzliche Werbezielgruppen angesprochen werden können und mehr Sponsoren mehr Anzeigen durch virtuelle Werbung platzieren. Ein großes Vermarktungspotenzial, welches in der Serie A in Italien oder in der Primera División in Spanien seit Langem eingesetzt wird. ARD, ZDF und RTL halten sich zu diesem Thema bislang bedeckt, wie der Tagesspiegel berichtet.
Sponsoren drängen heute schon gegenüber Rechteinhabern auf eine digitale Verwertung von Live-Events: Konzerte via Onlinestreaming liegen im Trend, wie es die Telekom mit ihren „Street Gigs“ immer wieder beweist. Live-Events sind somit anschlussfähig in puncto Interaktion – sie lassen ganz neue kreative Ideen mit dem User zu. Rechteinhaber, Broadcaster und Sponsoren werden sich in den kommenden Jahren neue Verwertungsmöglichkeiten ausdenken müssen, weil man den Fan nicht mehr nur vor dem Fernseher abholen kann, sondern ihn meist auch mobil erreicht. Auch wenn ARD und ZDF insgesamt 45 der 51 Spiele live in ihren Hauptprogrammen übertragen: Junge Menschen wollen Inhalte nicht mehr nur über den Flimmerkasten sehen.
Das Angebot im Bereich Video-Streaming wird erweitert und verbessert – gerade zu Großveranstaltungen wie einer EM kann Video-Content die Reichweite steigern und neue Zielgruppen erschließen. Der Audi-Konzern macht es da direkt ganz anders und organisiert selbst einen Fußballevent. Der Münchner Audi Cup wird über das soziale Netzwerk live übertragen – unter anderem auch auf den Kanälen von Audi Football, Football on Facebook und den offiziellen Präsenzen der teilnehmenden Vereine. Einziges Problem: Aufgrund der Rechtesituation wurde er nicht in Deutschland übertragen. Genauso wie auch eine EM nur von Lizenzinhabern wie ARD und ZDF gezeigt werden darf. Schließlich legten ARD und ZDF nach Informationen des Magazins „Sponsors“ rund 160 Millionen Euro für die Lizenzen hin. Die Reichweite von Messenger- und Sharing-Apps sowie Mikro-Video-Plattformen sollte nicht unterschätzt werden. Sie schließen mittlerweile die Lücke zwischen physischer und virtueller Beteiligung an Events und bieten auch Newstickern neue Möglichkeiten, mit den Lesern zu interagieren.
4. Beacons: Der letzte Schrei
Das American-Football-Team San Francisco 49ers hat in seinem neuen Levi’s Stadium mehr als 1 000 Beacons, kleine Minisender, installiert. Die kommunizieren via Bluetooth mit den Smartphones der Zuschauer. Laut einer Umfrage von Statista gaben 16 Millionen Smartphone-User in Deutschland an, häufig Bluetooth aktiviert zu haben. Ein Markt, der also Potenzial besitzt. Wenn die Fans des Footballteams sich einer Beacon-Zone nähern, erhalten sie Push-Nachrichten auf ihr Handy. Mit einer App können sie Bier bestellen oder sich die Wiederholung von Spielszenen auf dem Handy anschauen. Noch sind die Beacons bei vielen Marketingexperten umstritten, weil Kritiker Probleme im Zusammenhang mit Datenschutzbestimmungen sehen und eine Überflutung mit Werbe- und Kommunikationsmitteln vermuten. Fakt ist aber: In 20 von 30 Baseballstadien der Profiliga MLB werden den Fans bessere freie Plätze angeboten – alles vollautomatisch über das Smartphone. Dazu gibt es die Technologie bereits in zahlreichen Kaufhäusern in den USA und auch hierzulande. Die Bereitschaft, Beacons einzusetzen, ist aufseiten der deutschen Unternehmen derzeit hoch. Ströer stattete schon Ende letzten Jahres Werbeträger mit rund 20 000 Sensoren aus, um die Offline- mit der Onlinewelt zu verbinden. „Die Verbindung von digitalen Out-of-Home-Werbeträgern mit neuen Technologien wie Beacons oder Gesichtserkennung schafft neue Möglichkeiten der Markeninszenierung. Werbungtreibende profitieren von diesen technologischen Entwicklungen und können, auf der Basis von Daten, personalisierte Konsumentenerlebnisse schaffen“, sagt Mathias Glatter, COO bei der Mediaagentur Initiative Media.
Dieser Beitrag erschien im Rahmen einer größeren Geschichte zum Thema Sportmarketing zuerst in der Print-Ausgabe der absatzwirtschaft 05/2016.