Zugleich gab nur eine Minderheit von 38 Prozent zu Protokoll, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ihrem Unternehmen eine Selbstverständlichkeit ist. Dabei lassen nach wie vor viele Firmen außer Acht, dass sie es selbst sind, die von einem familienfreundlichen Umfeld profitieren. „Das Ergebnis von Familienfreundlichkeit sind motivierte, loyale Mitarbeiter, die das Unternehmen weiterempfehlen. Das ist in Zeiten von Fachkräftemangel und demografischen Wandel ein wesentlicher Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg“, sagt Martin Sonnenschein, Partner bei A.T. Kearney.
Wunsch nach Notfallbetreuung für Kinder
Wie die Studie weiter zeigt, bemängeln die meisten Befragten das fehlende Angebot familienfreundlicher Maßnahmen: Nur zwölf Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern oder Kinderwunsch sagen, dass ihr Arbeitgeber alle für sie wesentlichen Leistungen anbietet. Von den übrigen 88 Prozent wünschen sich Frauen insbesondere Notfallbetreuungen für ihre Kinder (51 Prozent), eine Kinderferienbetreuung (45 Prozent) sowie Auszeit- und Sonderurlaubsregelungen (33 Prozent). Männern fehlen Spezialangebote für Väter (43 Prozent) sowie ebenfalls Notfallbetreuungsmöglichkeiten (41 Prozent).
Heimarbeit hat Seltenheitswert
Viele Angebot werden, so vorhanden, tatsächlich nachgefragt: 75 Prozent der Mütter, aber nur knapp die Hälfte der Väter haben bereits familienfreundliche Angebote wahrgenommen. Dabei haben die befragten Mütter am häufigsten Erfahrung mit Teilzeit gemacht (62 Prozent), von den Vätern sind dies nur sieben Prozent. Bemerkenswert auch: Möglichkeiten, Tages- und Wochenarbeitszeiten nach individuellen Bedürfnissen zu gestalten, nutzen beide Gruppen bereits in ähnlichem Umfang: ein Drittel der Mütter und 26 Prozent der Väter. Von zu Hause zu arbeiten gelingt bislang nur einem kleinen Teil: 16 Prozent der Mütter und 14 Prozent der Väter. Dies ist die Folge der häufig vorherrschenden Präsenzkultur: Mehr als sieben von zehn Befragten geben an, dass ihr Arbeitgeber sehr hohen Wert auf die persönliche Anwesenheit der Mitarbeiter lege.
Kaum Vorbilder unter Führungskräften
Großen Nachholbedarf gibt es auch beim Thema Vorbilder: Nur 26 Prozent der Befragten haben nach eigenem Bekunden Führungskräfte, die im Punkto Vereinbarkeit mit gutem Beispiel vorangehen. Drei von zehn Befragten meinen, dass ihr direkter Vorgesetzter oder ihre direkte Vorgesetzte sich glaubhaft und nachhaltig engagiert. Ohne familienfreundliche Führungskräfte scheint keine familienfreundliche Kultur möglich. Nur acht Prozent derjenigen Arbeitnehmer, die in ihren Führungskräften beim Thema Vereinbarkeit keine Vorbilder sehen, empfinden die Kultur als familienfreundlich. Agieren Führungskräfte hingegen wahrnehmbar als Vorbilder, empfinden 61 Prozent der Arbeitnehmer auch die generelle Kultur als familienfreundlich.
„Es muss für Mütter und Väter möglich sein, familienbedingte Auszeiten zu nehmen oder auch eine Zeit lang die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne dass sie dadurch berufliche Nachteile befürchten müssen“, sagt Sonnenschein. Führungskräfte seien der Schlüssel zu einer familienfreundlichen Kultur. Führungskräfte müssten viel stärker als bisher für die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter sensibilisiert werden und selbst als Vorbilder handeln.
Bessere Verzahnung von Politik und Wirtschaft nötig
Auch die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden empfiehlt Prof. Dr. Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB): „Familienpolitik und Unternehmen müssen viel stärker verzahnt werden. Beide haben ja das gemeinsame Ziel, eine familienfreundliche Beschäftigung zu erreichen. Wenn die Politik beispielsweise mit den Vätermonaten beim Elterngeld die Männer ermutigt, ihren Job zu unterbrechen und ihr Kind zu betreuen, muss die Wirtschaft nachziehen. Auch in den Unternehmen braucht es Instrumente und Strukturen, die dies ermöglichen und unterstützen: offene Gespräche bei der Karriereplanung, Führung in Teilzeit oder Führung in Teams.“
A.T. Kearney führte die Studie zum zweiten Mal durch, gemeinsam mit dem WZB und dem Institut für angewandte Sozialwissenschaft (infas). In der Umfrage im Herbst 2013 haben 1.771 Beschäftigte im Alter zwischen 25 und 55 Jahren ausführlich Stellung genommen. (A.T. Kearney/asc)