Kakao, Kaffee, Bananen – Supermarktkunden finden auf immer mehr Produkten Siegel für den fairen Handel. Etwas mehr ausgeben, damit etwa Kleinbauern auf der Südhalbkugel bessere Einkommen haben – diese Idee überzeugt einen kleinen, aber wachsenden Teil der Käuferinnen und Käufer. Corona konnte den Boom nur kurz bremsen – 2021 kehrte das Wachstum zurück. Doch nun würgt die hohe Inflation den Trend möglicherweise wieder ab. Der Blick in den Geldbeutel könnte der internationalen Solidarität am Supermarktregal Grenzen setzen.
Was bedeutet fairer Handel?
Der Handel gewährt langfristig Preise, zu den Produzenten ihre Kosten decken und investieren können. Häufig schließen sich Kleinbauern zu Genossenschaften zusammen und verkaufen ihre Erzeugnisse zu garantierten Preisen. Fair gehandelte Ware ist deshalb häufig teurer als das übrige Angebot im Supermarkt. Oft enthält der Preis auch einen Sozialbonus, mit dem etwa Schulen gebaut werden.
Warum gibt es das Angebot?
„Existenzsichernde Einkommen sind ein Menschenrecht“, betont das Forum Fairer Handel. Dass mit dem Kauf eines Pfunds Kaffee alle Probleme von Kleinbauern gelöst werden, behauptet in der Branche indes niemand. Sie setzt sich unter anderem auch für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ein.
Wie verbreitet sind fair gehandelte Waren?
Anfangs gab es faire Ware nur in Weltläden oder bei Aktionsgruppen. Seit einigen Jahren treiben Supermärkte und Discounter das Wachstum. Es gibt mehrere Siegel. Faire Ware bleibt aber ein Nischenprodukt mit rund zwei Milliarden Euro Handelsumsatz. Rechnerisch gab 2021 jeder Bundesbürger 23,50 Euro dafür aus. So weit war das Bio-Segment im Jahr 2000, heute sind die Umsätze dort acht mal so hoch.
Was wird gekauft?
Vor allem Kaffee und Südfrüchte werden oft mit Siegeln des fairen Handels verkauft. Von 100 Tassen Kaffee, die in Deutschland getrunken werden, sind gut sechs aus fairem Handel, wie das Forum Fairer Handel vorrechnet. Auch Textilien und Blumen zählen zu den größeren Umsatzbringern, Schokolade hat stark zugelegt. Dass fair immer teurer sei als konventionell, ist für den Siegelanbieter Fairtrade ein Mythos. Im Supermarktregal gebe es oft kaum einen Unterschied zu anderen Markenartikeln.
Wie stabil ist der Trend?
Jahrelang ging es nur aufwärts, bis in der Corona-Krise Cafés, Kantinen und Weltläden zeitweise schlossen. Nach einem Minus 2020 stieg der Umsatz im vergangenen Jahr wieder um rund sieben Prozent auf etwa 1,95 Milliarden Euro, wie das Forum am Mittwoch in Berlin mitteilte. „Die pandemiebedingte Talfahrt ist gestoppt“, sagte Geschäftsführer Matthias Fiedler. Auch der mit Abstand größte Siegelanbieter Fairtrade hatte ein starkes Plus verbucht, um neun Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Dabei sind auch Artikel eingerechnet, bei denen einzelne Rohstoffe aus fairem Handel kommen.
Beendet die Inflation den Boom?
Ein Dämpfer scheint wahrscheinlich. Nachhaltigkeit und Mehrwertprodukte geraten unter Druck, wie der Handelsverband Deutschland beobachtet hat. Davon seien vor allem Bio-Produkte betroffen, aber auch regionale und Fair-Trade-Sortimente. Viele Verbraucher seien nicht mehr bereit, höhere Preise für solche Waren zu zahlen. In einer Umfrage der Preisvergleichsplattform Idelao gaben 83 Prozent der Befragten an, jetzt lieber günstigere Produkte zu kaufen.
Der faire Sektor setzt darauf, dass es in seiner Stammkundschaft viele recht wohlhabende „Überzeugungskonsumenten“ gibt. Dennoch wird ein schwieriges Jahr erwartet. Fiedler meint: „Wenn man auf einer Null rauskommt, dann ist das schon ein gutes Ergebnis.“
Von Burkhard Fraune, dpa