Von Nils Jacobsen
Nutzer hätten gewarnt sein müssen. Bereits vor acht Jahren erklärte Mark Zuckerberg im Gespräch mit dem damaligen TechCrunch-Chef Michael Arrington: „Das Zeitalter der Privatsphäre ist vorbei.“
Damals ging es um veränderte Privatsphäre-Einstellungen bei Facebook, acht Jahre später im Zuge des Cambridge Analytica-Skandals ums große Ganze: nämlich die Frage, wie sicher unsere Daten auf Facebook aufgehoben sind.
Immer neue Enthüllungen über Datenmissbrauch durch Drittanbieter
Die Zweifel daran wachsen praktisch täglich. In der klassischen Salamitaktik, die in Fällen von Krisenkommunikation so gerne angewendet wird, gibt die erste Führungsebene des Social Networks immer wieder beiläufig zu, was nicht länger zu verleugnen ist – nur, dass die Eingeständnisse Tag für Tag massiver werden.
Nicht nur, dass die Anzahl der durch den Datenskandal um Cambridge Analytica betroffenen Nutzerprofile inzwischen auf 87 Millionen angestiegen ist, Technik-Chef Mike Schroepfer musste gestern in einem Blogpost ebenfalls eingestehen, dass öffentliche Profil-Informationen von praktisch jedem Nutzer durch „bösartige Drittanbieter“ ausgelesen worden konnten.
Facebook scannt im Messenger Mails auf Links und Fotos ab
Und damit nicht genug: Der inzwischen nur noch achtwertvollste Konzern der Welt gestand gestern auf Nachfrage von Bloomberg ein, dass Facebook Nachrichten im Messenger mitverfolgt.
Und zwar auf zwei Arten: Einerseits werden über den Messenger versendete Links und Fotos automatisch abgescannt. Andererseits können Moderatoren sogar aktiv Chatprotokolle einsehen, wenn sie von einem Nutzer gemeldet worden sind. Und mehr noch: Konzernchef Mark Zuckerberg gab gestern gegenüber Journalisten sogar zu, dass bestimmte Nachrichten, sollten sie beanstandet worden sein, gar nicht erst weitergeleitet werden.
Eingriff in den Messenger wegen Nutzungsbedingungen
Hintergrund der Maßnahme: Facebook wendet mögliche Verstöße gegen seine Nutzungsbedingungen nicht nur für öffentlich gepostete Beiträge, sondern auch für Privatnachrichten im Messenger an. Auf diese Weise soll Missbrauch vermieden werden.
Zuckerberg führte für den Einsatz in der Praxis etwa den jüngsten Konflikt in Myanmar an, bei dem die muslimischen Minderheiten durch Facebook-Nachrichten an bestimmte Orte gelockt werden sollten, an denen Gewalt drohe. Bürgerrechtsgruppen aus Myanmar erklärten allerdings postwendend, Zuckerberg habe den Sachverhalt falsch dargestellt.
So sinnvoll eine Intervention im Messenger im Einzelfall sein mag, so dürfte die bekannt gewordene Geschäftspraxis doch das Unbehagen gegenüber Facebook als „Big Brother-Konzern“ verstärken, bei dem Nutzer nicht mehr wissen, wo die Privatsphäre beginnt und wo sie endet.