Mit Google und BBDO hatten sich bereits Anfang dieses Jahres zwei Riesen zusammengeschlossen. Jetzt folgt mit Facebook und Mediacom ein neues Bündnis der Giganten, das „Køre“ heißen und als Initiative für Mobile Video dienen soll.
Genauer geht es darum, dass werbungtreibenden Unternehmen ihre Video-Spots vor der Veröffentlichung an die Social-Media-Plattform Facebook anpassen, damit sie nicht unbearbeitet in den Newsfeeds der Nutzer erscheinen. Die Zusammenarbeit erfolgt laut Horizont in zwei Stufen: In der ersten Stufe bündeln Mediacom und Facebook ihre Insights über Nutzerverhalten und Werbewirkung mit Blick auf die jeweiligen Anforderungen der Werbungtreibenden. In der zweiten Phase produziert die Unit Mediacom Beyond Advertising auf Basis der gemeinsam gewonnenen Erkenntnisse Video-Content oder optimiert bereits bestehende Werbespots. Dieser Entwicklungsprozess werde zudem durch den Facebook Creative Shop beratend unterstützt.
Was steckt nun eigentlich hinter der Partnerschaft?
In den Augen von Carsten Ovens, Social Media Forscher an der Uni Hamburg, ist die Partnerschaft eine logische Konsequenz auf die aktuelle Entwicklung der Werbeindustrie: „Marketing wird immer digitaler und gleichzeitig mobiler. Wenn heute mehr als 70 Prozent der deutschen Internetnutzer einen Facebook-Account haben und hauptsächlich mobil auf die Plattform zugreifen, dann müssen Werbetreibende darauf reagieren.“ Dabei seien für die mobile Nutzung optimierte Inhalte erfolgreicher. Obwohl dies bekannt ist, sei ein Großteil des Contents in den digitalen sozialen Medien bisher jedoch nicht optimiert. „Die Schaffung eines entsprechenden Dienstleistungsangebots von Facebook und Mediacom ist daher nur konsequent. Werbeindustrie und Konsumenten können gleichermaßen profitieren“, so Ovens.
Ähnlich sieht es Medienexperte Karsten Kilian: „Facebook ähnelt immer mehr einem Fernsehkanal mit MTV-artigen-Clips der Nutzer und Werbung dazwischen. Die Kooperation mit Mediacom eröffnet Facebook einen besseren Zugang zu den Werbekunden.“ Mediacom könne seinen Kunden wiederum ein breiteres Medienspektrum und neue Beratungsdienstleistungen anbieten. Der Kunde bekomme schließlich medial – fast – alles aus einer Hand.
Konflikte vorporgrammiert
Allerdings verschwimmen laut Ovens die Grenzen zwischen Plattformbetreiber und Content-Produzent:„Es entsteht ein neuer Akteur mit umfassendem Zugriff auf Nutzerdaten. Ein schwieriger Balanceakt zwischen verständlichen Optimierungsbemühungen der Industrie und berechtigten Privatsphärepräferenzen der Konsumenten kann die Folge sein.“ Zudem könnte mit Mediacom ein neuer Gatekeeper in Sachen effektiver Bewegbildwerbung entstehen. Facebook entwickele sich währenddessen immer mehr zum Medienunternehmen. „Die Diskussion darüber ist nicht neu, gewinnt allerdings vor dem Hintergrund der neuen Kooperation an Relevanz“, so Ovens.
Abhängigkeit von Facebook steigt
Und wie sieht es mit der Werbeindustrie aus, was bedeutet Køre für sie? „Für die Werbeindustrie bedeutet der Deal erst einmal mehr Umsatz“, meint Kilian. Zugleich nehme aber auch die Abhängigkeit vom Quasi-Duopolisten Facebook zu. „Während Werbekunden im TV-Geschäft zwischen einem Dutzend Programmanbietern – mit meist mehreren Fernsehkanälen – wählen können, stehen ihnen in den sozialen Medien – die gar nicht so sozial sind, wie der Name vermuten lässt – nur zwei ernst zu nehmende ‚Programmanbieter‘ gegenüber: Facebook und Google„, sagt Kilian. Während Google Quasi-Monopolist bei Suchmaschinen ist und über den mit Abstand größten Videokanal YouTube verfügt, hat Facebook aktuell drei Übertragungskanäle im Angebot: Facebook, Instagram und WhatsApp. Weiterhin stelle die Kooperation zunächst einmal Wettbewerber Google unter Druck, mittelfristig aber würden vor allem die Werbekunden unter Druck geraten, da sie nur zwischen Google und Facebook wählen können, was Werbung im Netz betreffe. „Zugleich aber leben Totgesagte länger. Genauer gesagt die klassischen TV-Sender, die nach wie vor die Bewegtbildwerbung dominieren, aber bis auf weiteres weiter Marktanteile an die neuen Internet-Sender verlieren werden“, sagt Kilian.
Rückkehr zum TV
Auch verdeutliche die Kooperation zwischen Facebook und Mediacom, dass die einstmals gehypten Social-Media-Anbieter immer mehr zu „normalen“ Sendern werden. Das werbliche Angebot sei zudem nicht mehr so günstig, wie in den Anfangstagen, sodass viele Werbungtreibende zu TV-Werbung zurückkehren beziehungsweise erst gar nicht in größerem Umfang bei Google oder Facebook werben. Vielmehr konzentrieren sie sich auf organische Reichweiten, inklusive Suchmaschinenoptimierung und Web-PR sowie Web-Product-Placement, zum Beispiel bei Influencern, die wiederum wichtige Partner für Google und Facebook sind.