Von Nils Jacobsen
Wer kennt das Problem nicht: Es ist irgendwie alles gesagt auf Facebook. Wer postet heute, nach vielen Jahren auf dem Social Network, noch so euphorisch wie zur Anfangszeit? Alle paar Tage ein neues Status Update, nach jedem Urlaub ein dreistelliges Foto-Album? Fühlt sich stark nach Nullerjahren an.
Solange Facebook sich auf dem Rest der Welt rasant verbreitet, war das erlahmende Interesse von Nutzern der ersten Jahre kein Problem. Auch dassTeenager vermeintlich zu cooleren Angeboten wie Snapchat & Coweiterzogen – eine Lappalie. Mark Zuckerberg hatte das Wachstum auf seiner Seite: Im jüngsten Quartal konnte Facebook immerhin noch 14 Prozent Zuwachs beim Mitgliederzuwachs verkünden.
The Information: Facebook-Nutzer haben 2015 15 Prozent weniger Fotos, Status Updates und Notizen geteilt
Doch das Mitgliederwachstum reicht offenkundig trotzdem nicht, um den Rückgang der originär geteilten Inhalte wie Fotos, Status Updates oder Notizen länger aufzuhalten. Wie das von der früheren Wall Street Journal-Techreporterin Jessica Lessin geführte Premium-Portal The Information berichtet, hätten originäre Nutzerinhalte (in Facebook-Sprech: Original Broadcast Sharing) im vergangenen Jahr um 15 Prozent nachgelassen.
Den Berichten von The Information zufolge, hätten nur 39 Prozent der wöchentlich aktiven Nutzer in der vergangenen Woche des Erhebungszeitraums auch selbst originäre Inhalte geteilt. Nach Angaben von Bloomberg nennt Facebook den Inhalte-Einbruch intern bereits „Context Collapse„.
Nutzer-Interesse verlagert sich zu Videos
Facebook hatte nicht zuletzt wegen der Posting-Müdigkeit vor rund einem Jahr das Feature „An diesem Tag“ eingeführt, das mit seiner nostalgischen Erinnerung an frühere Inhalte zum erneuten Posten einladen sollte.
Trotzdem teilen Nutzer offenkundig eigene Inhalte zunehmend in anderen sozialen Netzwerken wie der zum Facebook-Imperium zählenden Foto-Community Instagram oder im Messenger WhatsApp, aber auch in der Schnipsel-Video-App Snapchat.
Gleichzeitig scheint sich das Nutzerinteresse zunehmend in den Videobereich zu verschieben, der deutlich steigende Abrufe verzeichnet. Entsprechend hat Facebook sein Live-Streaming-Angebot gerade auch erst deutlich ausgeweitet.
Deutsche Bank warnt vor enttäuschendem Quartal
Damit nicht genug: Die Analysten der Deutschen Bank warnen unterdessen vor überzogenen Erwartungen vor den nächsten Geschäftszahlen für das abgelaufene März-Quartal, die in zweieinhalb Wochen nach Handelsschluss verkündet werden.
„Wir glauben, dass Anleger die Stärke des Weihnachtsquartals fortschreiben und daher enttäuscht werden könnten“, schrieb Analyst Ross Sandlervergangene Woche an Kunden. So rechnet Sandler zwischen Januar und März mit einem Umsatz von „nur“ 5,06 Milliarden Dollar nach 5,83 Milliarden Dollar im saisonal stärkeren Weihnachtsquartal.
Langfristig ist der Deutsche Bank-Analyst mit einem Kursziel von 145 Dollar (aktuell: 111 Dollar) aber optimistisch für Facebook – nicht zuletzt wegen des Monetarisierungspotenzials via Instagram und WhatsApp, die zusammengenommen im Jahr 2020 Umsätze von bereits über 10 Milliarden Dollar in die Kassen spülen sollen.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf meedia.de