Was erhofft sich die Bundesregierung vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz?
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ermögliche ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden. Die Betreiber sozialer Netzwerke müssten die Beschwerden unmittelbar aufnehmen und den Prozess für die Nutzer leicht erkennbar und ständig verfügbar gestalten. Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen innerhalb von 24 Stunden nach Beschwerde entfernt werden, für komplexere Fälle gilt eine Sieben-Tages-Frist. Das Bundestamt für Justiz kann selbst zwar keine Inhalte löschen oder sperren, doch laut Bundesjustizminister Heiko Maas sei das Gesetz notwendig, um deutsches Recht bei Facebook & Co. umzusetzen und Hass und Hetze im Internet konsequenter als bislang zu bekämpfen. Der SPD-Politiker sieht die Regelung sogar als entscheidenden Beitrag zum Schutz der Meinungsfreiheit und -vielfalt im Netz.
Was beinhaltet das Gesetz?
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz kommt unter anderem bei Bedrohungen, Verleumdungen, Gewaltdarstellungen, Androhungen von Straftaten oder volksverhetzenden Beiträgen zum Tragen. Insgesamt gelten 20 Strafrechtsparagrafen für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Auch „Fake News“ können unter das Gesetz fallen, wenn diese mindestens eins der Kriterien erfüllen.
Für die Betreiber eines sozialen Netzwerkes gilt bei mindestens 100 Beschwerden im Kalenderjahr eine halbjährliche Berichtspflicht über den Umgang mit Beschwerden und rechtswidrigen Inhalten. Der Bericht muss unter anderem offenlegen, was das Netzwerk unternimmt, um rechtswidrige Handlungen zu unterbinden, welche Entscheidungskriterien angewandt werden und wie viele Beschwerden zur Löschung oder Sperrung eines beanstandeten Inhalts führten. Veröffentlicht werden die Berichte zeitnah im Bundesanzeiger sowie auf der Netzwerk-eigenen Homepage.
Zudem gilt für die Plattformbetreiber die Pflicht, im Inland sogenannte „zustellungsbevollmächtigte“ Personen zu benennen. Diese müssen etwa den Strafverfolgungsbehörden binnen 48 Stunden Auskunft erteilen. Dies wird vor allem von Juristen als sinnvolle Maßnahme erachtet, da bislang eine straf- oder zivilrechtliche Verfolgung aufgrund von ausländischen Firmensitzen vielfach enorm erschwert wird. Dorthin versandte Mahnschreiben oder Unterlassungsbegehren wurden Insidern zufolge häufig seitens der Plattformbetreiber einfach ignoriert.
Wer ist vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz betroffen?
Welche Plattformen genau vom Gesetz betroffen sind, ist unklar. Das Gesetz gelte „für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben“ und mehr als zwei Millionen registrierte Nutzer haben. Ein Geschäftssitz im Inland sei nicht erforderlich. Nicht betroffen sind dagegen etwa E-Mail-Anbieter, journalistische Portale oder Messenger-Dienste wie WhatsApp.
Wie können Beiträge gemeldet werden?
Facebook, Twitter oder Google müssen nicht selbst nach rechtswidrigen Inhalten suchen. Erst dann, wenn eine Beschwerde über einen kritischen Beitrag eingereicht wurde, muss dieser überprüft werden. Google und Facebook stellen eigene Formulare bereit, über die Inhalte gemeldet werden können. Facebook betreibt zudem zwei Löschzentren in Berlin und Essen, die mit insgesamt 1200 Mitarbeitern illegale Inhalte entdecken und entfernen sollen. Der Kurznachrichtendienst Twitter hat sein Meldesystem für Beiträge um die Strafrechtsparagrafen erweitert, die unter das Netzwerkdurchsuchungsgesetz fallen. Hier muss der Nutzer selbst eine Auswahl treffen, ehe diese von Twitter überprüft wird. Eine Beschwerde kann zudem über das Online-Meldeformular des Bundesjustizministeriums eingereicht werden – hier gilt die Klage jedoch nur einer etwaigen Fristversäumnis durch die Portalbetreiber. Wer sich an das Ministerium wendet, muss bei der jeweiligen Social Media-Plattform also zwingend zuvor auf den Missstand hingewiesen haben.
Weshalb wird das Netzwerkdurchsetzungsgesetz kritisiert?
Der größte Vorwurf an das Netzwerkdurchsuchungsgesetz lautet, dass es die Meinungsfreiheit einschränke. Facebook, Twitter und Co. könnten kritische Beiträge vorsorglich sperren oder löschen, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Auch könnten Nutzer beispielsweise aus politischen Gründen viele nicht-rechtswidrige Beiträge melden und die Arbeit der Beschwerdestellen somit erschweren. Zudem sieht das Gesetz keine verschärfte Verfolgung der Täter vor, dafür bleibt eine vom Gesetz unabhängige Strafanzeige notwendig.
Facebook selbst ließ in einer Stellungnahme verlauten, dass es das Gesetz für rechtswidrig und nicht vereinbar mit dem Grundgesetz halte. Der Bekämpfung von Hassrede im Internet dürfe sich der Staat nicht entziehen, in dem er die Verantwortung in die Hände der Netzwerke lege. Ähnlich argumentiert der netzpolitische Aktivist Markus Beckedahl: Das Gesetz propagiere „eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung“ und motiviere durch hohe Bußgelder, „im Zweifelsfall mehr zu löschen als von der Meinungsfreiheit gedeckt.“ Zuletzt brachten FDP, Die Linke und AfD Änderungs- und Aufhebungsentwürfe im Bundestag ein, erreichten jedoch jeweils keine Mehrheit.