Facebook-Werbeboykott: So handeln die deutschen Marken

Rund 250 Unternehmen haben sich bereits der Initiative #StopHateForProfit angeschlossen und schalten folglich keine Werbung mehr auf Facebook. Grund dafür ist der Umgang des Netzwerks mit Hasskommentaren und "Fake News". Nun folgte auch eine Reihe deutscher Unternehmen dem Facebook-Boykott, andere wiederum werben weiter. Ein Überblick von Adidas bis Siemens.
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Facebook in der Kritik: Marken beteiligen sich an der Boykott-Initiative #StopHateForProfit und wollen damit erreichen, dass Facebook entschlossener gegen Hasskommentare, Propaganda und "Fake News" vorgeht. (© Imago)

Coca-Cola macht mit. Unilever, The North Face und Starbucks auch. Und die Liste der namhaften internationalen Unternehmen, die sich aktuell öffentlich gegen Werbung auf Facebook aussprechen, wird täglich, ja fast schon stündlich länger. Die Unternehmen, die sich an der Initiative #StopHateForProfit beteiligen, wollen vor allem eins: Sie wollen Druck ausüben, damit Facebook entschlossener gegen Hasskommentare, Propaganda und „Fake News“ vorgeht.

Facebook-Boykott: Vaude und Fritz Kola beziehen klare Stellung

Auch die Anzahl deutscher Marken, die sich an dem Facebook-Boykott beteiligen, wird immer größer. So hat beispielsweise der Outdoor-Ausrüster Vaude seit dem 1. Juli nach eigenen Angaben „bis auf Weiteres sämtliche bezahlten Werbemaßnahmen auf Facebook und Instagram gestoppt“. Und das, obwohl bei Vaude rund 25 Prozent des Media-Budgets auf Facebook und Instagram entfallen.

„Wir unterstützen die Kampagne aus voller Überzeugung und bekräftigen die Forderung an Facebook, Hass, Spaltung und Manipulation nicht weiter zu fördern. Facebook gibt sehr strenge Nutzungsbedingungen vor, aber leider nur auf dem Papier“, sagt Manfred Meindl, Leiter Internationales Marketing bei Vaude. Die Marke hofft laut Meindl sehr, „dass Facebook sich mit den Forderungen auseinandersetzt und diese Chance nutzt, um eine Plattform für eine menschlichere Gesellschaft und eine bessere Welt zu sein“.

Fritz Kola schrieb derweil auf Instagram unter anderem: „Meldet man Hasspostings bei Facebook, passiert meistens: nichts. Facebook macht nur genau so viel, wie es machen muss. Sie könnten, wollen aber nicht aktiv dagegen vorgehen.“

Adidas, Bayer, SAP: Dax-Konzerne setzen Werbung bei Facebook aus

Auch einige deutsche Dax-Konzerne beteiligen sich mittlerweile am Facebook-Boykott. Eine von „ZDF Heute“ durchgeführte Umfrage, bei der bis Dienstagabend noch nicht alle Dax-Konzerne geantwortet haben, ergibt folgendes Bild:

  • Adidas: Der Sportartikelhersteller setzt seine Werbeaktivitäten auf Facebook und Instagram im Juli weltweit aus. In einer Erklärung dazu heißt es: „Rassismus, Diskriminierung und Hasskommentare dürfen keinen Platz haben, weder in unserem Unternehmen noch in unserer Gesellschaft.“ In den nächsten 30 Tagen will Adidas „Kriterien für die Schaffung und den Erhalt eines weltoffenen und sicheren Umfelds“ entwickeln, „die sowohl für uns selbst als auch für unsere Partner gelten sollen“.
  • Bayer: Der Chemie- und Pharmakonzern meldete am Dienstagabend: „Wir haben uns in den letzten Tagen dieser Initiative angeschlossen und werden Bayer-weit, sprich global und cross-divisional, im Juli keine Facebook-Anzeigen schalten.“
  • Beiersdorf: Der Konsumgüterkonzern setzt seine Werbung bei Facebook und Instagram im Juli weltweit aus. Beiersdorf engagiere sich für ein vertrauenswürdiges, sicheres digitales Umfeld und erwarte von seinen Werbepartnern, dass auch diese sich für Respekt, Vertrauen sowie Zusammenhalt einsetzten. Weiter heißt es: „Wir glauben, dass trotz bereits erreichter Fortschritte noch mehr gegen Hasskommentare, Rassismus und Fake News in sozialen Netzwerken getan werden muss. Entsprechend pausieren wir vorerst unsere Werbung auf diesen Plattformen.“
  • Fresenius: Nach Angaben eines Unternehmenssprechers hat das Medizintechnikunternehmen seine Werbung auf Facebook und Instagram gestoppt. „Im Licht der aktuellen Diskussion haben wir entschieden, unsere dortigen Werbeaktivitäten auszusetzen. Wir unterstützen die Chancengleichheit aller Menschen und stellen uns gegen Diskriminierung jeder Art. Dies erwarten wir auch von unseren Werbepartnern.“
  • Henkel: Der Konsumgüterproduzent stoppt im Juli seine Facebook-Werbung. In einer Erklärung dazu heißt es: „Als weltweit tätiges Unternehmen steht Henkel für Toleranz, Vielfalt, Respekt und gegen jegliche Form von Rassismus, Diskriminierung, Hassrede und Gewalt. Diese Haltung erwarten wir auch von allen unseren Geschäftspartnern auf der ganzen Welt, einschließlich unserer Werbepartner. Daher hat Henkel sich entschieden, dem US-Aufruf zu folgen und im Juli mit unseren Marken auf Anzeigen bei Facebook oder anderen zu dem Konzern gehörenden Plattformen zu verzichten.“
  • SAP: Auch der Softwarekonzern SAP tritt #StopHateForProfit bei. In einem Statement heißt es: „Dies ist ein wichtiger Bestandteil unseres Einsatzes für soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung. Wir setzen daher alle Werbeanzeigen auf Facebook und Instagram aus, bis das Unternehmen ein deutliches Signal gegen die Verbreitung von Hasskommentaren und Rassismus auf seinen Plattformen sendet. Für einen nachhaltigen Wandel müssen auch wir unsere Rolle auf Plattformen hinterfragen, die systematisch die Verbreitung von Hass und Rassismus fördern.“
  • Volkswagen: Auch der Autobauer Volkswagen setzt seine Werbung bei Facebook aus, wie VW am Dienstag in Wolfsburg erklärte. Der Konzern stehe „für ein offenes und gleichberechtigtes Miteinander. Ein Umfeld von Falschmeldungen oder Hassbotschaften ist für uns nicht akzeptabel“, teilten die Wolfsburger mit.

Andere Dax-Unternehmen sind laut „ZDF Heute“-Umfrage entweder noch unschlüssig oder werben weiter auf Facebook-Plattformen. Dazu zählen:

  • Allianz: Der Versicherungskonzern hat nach eigenen Angaben „ein vergleichsweise kleines Budget für Werbung auf Facebook/Instagram“. Mit Blick auf die Themen Rassismus und Diskriminierung verfolge man die Entwicklung bei Facebook aufmerksam. Über einen möglichen Werbestopp sei noch nicht entschieden worden.
  • Covestro: Der Werkstoffproduzent will seine Werbung auf Facebook derzeit nicht einstellen. In einem Statement heißt es aber auch: „Wir beobachten die Entwicklung und bewerten unsere Entscheidung regelmäßig neu. Statt die Werbung pauschal einzustellen, gehen wir gezielt gegen einzelne Beiträge vor, die Kommentare mit Hass oder falschen Informationen erzeugen.“
  • Deutsche Bank: Das Finanzinstitut begrüßt nach eigenen Angaben die Diskussion über diskriminierende und rassistische Äußerungen in sozialen Netzwerken, wird seine Werbung auf den Social-Media-Plattformen aber nicht stoppen. Der Grund: „Ein Boykott wäre ein sehr weitgehender Schritt, zumal einige der kritisierten Plattformen bereits Veränderungen angekündigt haben und weitere Schritte hoffentlich folgen werden.“
  • Eon: Der Energiekonzern will zunächst weiter auf die Kundenkontaktmöglichkeiten via Facebook und Instagram setzen. „Dabei steht für uns jederzeit ein respektvoller Umgang miteinander im Vordergrund. Die aktuelle Entwicklung verfolgen wir daher intensiv“, wird ein Sprecher von „ZDF Heute“ zitiert.
  • Fresenius Medical Care: Der Anbieter von Dialyseprodukten und Dialysedienstleistungen prüft derzeit, seine Werbung auf Facebook und Instagram auszusetzen. Sehr wahrscheinlich wird Fresenius Medical Care in Kürze dem Fresenius-Beispiel folgen und seine Werbeaktivitäten bei den Online-Plattformen einstellen, so ein Sprecher.
  • Infineon: Der Halbleiterhersteller ist auf Facebook und Instagram nach eigenen Angaben „in sehr geringen Umfang werblich aktiv“. Daran soll sich zunächst nichts ändern.
  • Merck: Der Darmstädter Pharmakonzern nutzt nach eigenen Angaben „in kleinerem Umfang Werbeformate auf Facebook und Instagram“. Das Unternehmen überprüfe derzeit dieses Engagement. Denn: „Jede Form von Diskriminierung widerspricht fundamental unseren Unternehmenswerten“, so ein Sprecher gegenüber „ZDF Heute“.
  • Siemens: Für den Juli hat Siemens seine Werbeaktivitäten auf den Facebook- und Instagram-Seiten in den USA unterbrochen, jedoch nicht weltweit eingestellt. „Wir unterstützen nachdrücklich die #StopHateforProfit-Initiative“, sagt ein Siemens-Sprecher. „Wir moderieren unsere Facebook-Seite unter strenger Beachtung unserer Community-Richtlinien.“ Weiter heißt es: „Wir akzeptieren rund um unsere Inhalte und Diskussionen darüber keine unbegründeten, irreführenden oder falschen Informationen und wir tolerieren auch keine Hassreden.“

Die nachfolgenden Dax-Unternehmen werben nach Angaben gegenüber „ZDF Heute“ generell nicht auf Facebook:

  • Deutsche Börse
  • Heidelberg Cement
  • Munich Re
  • Deutsche Wohnen
  • BASF
  • MTU Aero Engines

Vodafone-CMO Gründgens: Das ist gemeingefährlich!

Die Diskussion um Werbung bei Facebook ist nicht neu. Erst Anfang des Jahres hatte Vodafone-Marketingchef Gregor Gründgens im Interview mit absatzwirtschaft Kritik an der Plattform geäußert. Er sagte: „Unser Ziel ist es, nicht mehr so viel Geld in die sogenannten Walled Gardens zu pumpen. Wir beobachten sehr kritisch, wie sich die entsprechenden Plattformen in der Gesellschaft aufstellen – und dieses Thema sollte im Jahr 2020 auch jeder andere Marketingverantwortliche auf seinem Schreibtisch haben. Im Zweifel müssen wir Werbetreibende noch mehr Druck aufbauen.“

Gründgens erneuerte dabei seine eigene Kritik an Facebook, die er bereits beim Marken-Award 2019 mit Sätzen wie „Wir gehen zu blauäugig damit um“ oder „Wir füttern die mit Werbegeldern und betreiben ein Stück weit unsere eigene Abschaffung“ geäußert hatte.

Dazu sagte Gründgens im Nachhinein im absatzwirtschaft-Interview: „Das Schlimmste daran war, dass ich damals das Gefühl hatte, dass ich der Einzige unter all den CMOs vor Ort war, der total betroffen ist. Die anderen haben mich angeguckt, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Das fand ich offen gesprochen auch ein bisschen seltsam. Und ich schäme mich fast dafür, dass wir bei Facebook so übersteuert haben und so unkritisch mit dieser Plattform umgegangen sind. Wir hätten schon früher sehen können, dass Facebook einen Weg geht, der nicht in Ordnung ist. Das fing an mit den Veränderungen am Algorithmus, der organischen Traffic kaum noch möglich machte, und ging weiter mit Cambridge Analytica und den ganzen unsäglichen Diskussionen zum Thema Hate-Speech und politische Werbung. Das ist gemeingefährlich!“

Trotz Gründgens‘ klaren Aussagen beteiligt sich Vodafone Deutschland aktuell allerdings nicht an dem Facebook-Werbeboykott. Um das Thema „Brand Safety“ bei Facebook langfristig sicherzustellen, setzt die Marke stattdessen auf einen Dialog mit den Entscheidern der Plattform. Dafür muss man jedoch auch wissen, dass Vodafone nicht erst seit dem nun von vielen Marken vollzogenen – und entsprechend medial verbreiteten – Werbeboykott seine Budgets bei Facebook in den vergangenen Jahren sukzessive zurückgefahren hat und hier entsprechend schon früher als andere Marken gehandelt hat.

Facebook-Reaktion auf #StopHateForProfit

Die Kampagne #StopHateForProfit wurde von mehreren amerikanischen Non-Profit-Organisationen wie der „Anti Defamation League“ ins Leben gerufen.

Facebook hat als Reaktion darauf zunächst in einem umfangreichen Blogpost dargelegt, die Plattform künftig mit Veränderungen transparenter zu gestalten und Richtlinien sowie Sicherheitskontrollen für Marken einzuführen, die schließlich den Werbetreibenden zur Verfügung gestellt werden.

Tino Krause, Country Director DACH bei Facebook, teilte darüber hinaus in einem Statement mit: „Wir stehen mit Werbetreibenden weltweit in kontinuierlichem Austausch und verstehen, dass sie ihre Botschaften und Inhalte in einem sicheren Umfeld sehen möchten – das wollen wir auch. Wir akzeptieren keine Hassrede auf unseren Plattformen und entfernen diese, sobald wir darauf aufmerksam werden. Unser Ansatz gegen Hassrede und andere unerwünschte Inhalte entwickelt sich stetig weiter und wir investieren jährlich mehrere Milliarden US-Dollar in die Sicherheit unserer Plattformen.“

Am Mittwoch bezog zudem Facebooks Politikchef Nick Clegg Stellung zu der aktuellen Kritik. „Wenn wir Hassrede auf Facebook und Instagram finden, verfolgen wir einen Null-Toleranz-Ansatz und entfernen sie“, schreibt der Politikchef der Plattform in einem längeren Gastbeitrag in der „FAZ“. Cleggs komplette Erwiderung der nun aufgekommenen Kritik an Facebook lesen Sie hier.

Kolumne zum Facebook-Werbeboykott mancher Marken: Haltung oder Sparmaßnahme?

Sicher meinen es einige Werbetreibende ernst mit ihrem Boykott. Doch manche sind nur auf den Zug aufgesprungen, um relevanten Content für PR zu generieren – und nebenbei Marketinggelder in Post-Corona-Zeiten einzusparen, findet unser Kolumnist Jürgen Gietl. Hier lesen Sie die komplette Kolumne.

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.