Früher gab es in Modeläden zweimal im Jahr anlässlich der neuen Kollektion Schnittchen und Sekt für gute Kunden, in gehobenen Läden Champagner und Canapés. Möbelhäuser luden zu Schnitzel für eine Mark und Karussellfahren für die Kinder, Autohändler trumpften mitunter mit singenden C-Promis auf. Sie ist vorbei, die Zeit, in denen Händler mit derlei Events noch jemanden hinter dem Rechner hervorlocken konnten. Heute müssen sie ganz andere Veranstaltungsformate auffahren.
Fest steht: Events sind im stationären Handel wichtiger denn je, denn sie machen den Unterschied zum kühlen Online-Kauf aus. Sie emotionalisieren, binden und begeistern, stellen Nähe her, bringen Menschen aus Fleisch und Blut zusammen, schaffen Erlebnisse, setzen Kaufimpulse und sind somit ein unschlagbarer Vorteil gegenüber dem E-Commerce. Kehrseite der Medaille: Die Kunden sind ziemlich verwöhnt, haben schon viel erlebt und erwarten Besonderes. Entweder Klotzen statt Kleckern oder besonders kreativ sein, das sind die Optionen für Events im Handel.
„Momentan hält der Trend zum Online-Einkauf an. Von daher sind Instore Events ein Bestandteil der Omnichannel-Strategie“, ist Dr. Sören Bär, Professor für Marketing an der International School of Management (ISM) in Hamburg, überzeugt. „Der Store als Meeting Place ist dabei ein wichtiger Aspekt.“
Kreativ und persönlich
„Events müssen immer ausgefallener sein, das ist teuer, aber wir sind auf Events angewiesen“, bilanziert Cornelia Horn. Die Modedesignerin betreibt einen kleinen, feinen Laden im Hamburger Portugiesenviertel, das sich durch individuelle Geschäfte, viele Kneipen und Restaurants auszeichnet, allerdings von einer 1 A-Shopping-Lage ziemlich weit entfernt ist. Horn hat früher auch Schnittchen-und-Sekt-Einladungen ausgesprochen. Danach setzte sie auf Events mit jungen Musikern und schrägen Bands. Das funktionierte eine Zeit lang gut, wobei interessanterweise umso mehr gekauft wurde, je schräger die Musik war.
Inzwischen kreiert die Designerin individuelle Shopping-Erlebnisse, für die sie eigens eine Stilberaterin aus München holt, die jede Kundin persönlich und kostenlos berät. Das kommt gut an. Am besten laufen allerdings Events, bei denen die Kunden selbst die Akteure sind. Eine Kundin spielt Querflöte, ihr Freund ist Bassist. Das Duo hat im Laden Musik gemacht, es war ein voller Erfolg.
„Events funktionieren richtig gut, wenn die Kunden einbezogen werden und mitgestalten“, sagt Horn. Auch beim Community Building im kleinsten Kreis machen Kunden gern mit. Voraussetzung dafür ist allerdings eine Kundenkenntnis, die über Konfektionsgrößen und Lieblingsfarben weit hinausgeht. Die Designerin lädt Kundinnen zum Austausch bei einem Kaffee in ihren Laden ein, von denen sie weiß, dass die ähnliche Interessen haben, etwa alle Französisch sprechen.
Glitzer und Glamour
Beim Edelwarenhaus Breuninger setzen die Event-Verantwortlichen auf Glamour: „Dank unserer starken Partnerschaften nicht nur in der Mode, sondern auch in Kultur und Sport können wir exklusive Aktionen umsetzen“, erklärt Christian Witt, Director Corporate Communications, Cooperations & Sponsoring. So veranstaltete Breuninger im Jahr 2016 in Stuttgart den Shopping-Samstag „Vogue loves Breuninger“. Gut 50 000 Besucher fanden das hoch attraktiv. Zudem zeigte der Händler eigene Fashion Shows im Rahmen der Düsseldorfer Modenschau „Platform Fashion“ oder lud gemeinsam mit Mercedes-Benz zu einem Einkaufsabend, der ganz im Zeichen der Formel 1 stand.
„An solchen Konzepten wollen wir weiterhin festhalten und Erlebnismomente schaffen, die unsere Kunden nachhaltig begeistern“, erklärt Witt.
Geht es um Events rund um Fashion und Lifestyle, sind Promis in der Regel ein unverzichtbarer Bestandteil des Konzepts. So feierten das Berliner KaDeWe und auch das Hamburger Alsterhaus, die beide zur KaDeWe Group gehören, im November jeweils die erste Etappe des langjährigen Umbaus. Unter den geladenen Gästen waren jede Menge Promis, was naturgemäß die einschlägigen Medienberichte nach sich zieht.
Der Einkauf als Event
Neben bekannten Gesichtern sind Essen und Trinken ein bewährter Kundenlockstoff. Mittlerweile laden viele Supermärkte zu abendlichen Degustationen, Küchenhersteller offerieren Gourmetabende und Grillproduzenten bieten Kochkurse.
Das italienische hochwertige Konsumgüterunternehmen Eataly treibt diese fruchtbare Verbindung von Handel, Gastronomie und Event erfolgreich auf die Spitze. In der vor gut einem Jahr eröffneten Filiale in der Münchner Schrannenhalle können Kunden einkaufen, in einem der fünf Restaurants Essen gehen, sich live die Herstellung von Lebensmitteln anschauen, überall probieren und zig Events buchen.
Die Palette reicht vom Kindergeburtstag (währenddessen gern auch die dazugehörigen Eltern verköstigt werden) über Kurse in der hauseigenen Kochschule bis hin zum Junior-Barista-Kurs oder dem Tasting von italienischem und deutschem Bier, Stichwort: Bier vs. Birra. Eataly sei das „Disneyland der italienischen Esskultur“, heißt es in einem Fernsehbeitrag. Mit dem gehetzten Abhaken von Einkaufslisten hat das Shoppen bei Eataly in der Tat rein gar nichts mehr zu tun, hier wird der schon der Einkauf zum Event.
Bloß nicht verkaufen
Erfolgreiche Events bieten Kunden einen Zusatznutzen, ist Dr. Bär überzeugt. Das kann einerseits emotionaler Nutzen sein, etwa wenn Kunden Prominente oder Testimonials live erleben können. Oder auch handfester rationaler Nutzen, wie ihn etwa Apple mit seinen Kursen bietet, die den Usern zum Beispiel erklären, wie sie die Software Garage Band richtig anwenden oder Filme bearbeiten. Die Kunden lernen etwas und erleben dabei das Produkt.
„Das geht oft auch über das Sortiment hinaus“, erklärt Bär und verweist als Beispiel auf Laufläden, die Reisen zu internationalen Marathons anbieten. Das zeigt zugleich eine interessante Variante im Eventmarketing, nämlich Events für Gruppen. Laut Bär gehen beispielsweise Frauen gern in Gemeinschaft shoppen. Es funktioniert aber eben auch bei Menschen mit gleichen Interessen. So unterstützt Puma verstärkt Trainingsevents. „Erlebnisse zu schaffen, ist ein Megatrend. Es kommt auf Interaktivität an“, glaubt Bär. Egal ob Gruppen- oder herkömmliches Event: Händler sollten vermeiden, die Kunden auch nur ansatzweise spüren zu lassen, dass es ums Verkaufen geht.
Vom Basteln bis zum Zelttest
Genau diesem Prinzip folgt offenbar auch Globetrotter. Der Outdoor-Ausrüster publiziert mittlerweile für jede Filiale komplette Broschüren, die sämtliche Vorträge und Events auflisten. Die Palette reicht von Reiseberichten bis zum Schnupper-Höhentraining, von der Schlafsack-Spendenaktion, dem Basteln für Kinder bis zur Großveranstaltung „Globeboot“, auf der Kunden Boote und Zelte testen können.
Wie sich Kommerz und Kunst aufs feinste vermischen, zeigt die Rindermarkthalle auf St. Pauli. Jahrelang logierte hier der „Supermarkt des Grauens“, wie ihn die Anwohner gern nannten. Gemeint war ein sehr hässlicher Walmart. Heute beherbergt der 1951 erbaute Backsteinbau im Erdgeschoss neben Edeka, Aldi und Budnikowsky eine rund 4.000 Quadratmeter große Markthalle mit 20 festen Ständen sowie vier festen Läden. Es soll, so die Eigenwerbung, „ein Ort zum Riechen, Schmecken und Entdecken sein, wie auf dem Markt, nur wetterfest und samstags bis sonntags geöffnet“. In den Obergeschossen haben Existenzgründer, soziale Unternehmen, Ärzte, Stadtteilinitiativen, Vereine und Künstler ihre Räume.
Bindung der Menschen ans Objekt
Auch das Konzept der Rindermarkthalle verfolgt die Idee, dass die Menschen nicht nur kommen sollen, um schnell ihre Einkäufe zu erledigen, sondern um zu verweilen. Auch hier soll schon der Einkauf zum Event werden, es geht nicht um funktionales Einkaufen, sondern um emotionales Erleben. Und so zielen die Macher bei ihren Aktionen in der Rindermarkthalle ausdrücklich nicht auf den schnöden Abverkauf, sondern auf die Bindung der Menschen ans Objekt. Natürlich will der hoch moderne Edeka – schon mit digitaler Preisauszeichnung ausgestattet – die Nahversorgung sicherstellen, aber darüber hinaus auch durch regelmäßige Produktneueinführungen und internationale Produkte inspirieren.
„Geschmack entdecken“, lautet ein Motto der Halle. Dem folgen auch viele der Events: Im Sommer findet auf dem Außengelände jeden Samstag die Marktzeit statt: mit lokalen Anbietern, Foodtrucks, Bands, DJs und Angeboten für Kinder. Die Besucher kommen schon längst nicht mehr nur aus St. Pauli. Die Rindermarkthalle demonstriert sehr gut, wie sich der Einzelhandel seinem Umfeld anpasst. Zum Beispiel mit Aktionen zur Unterstützung der Obdachlosenzeitung „Hinz & Kunzt“ oder von Flüchtlingsprojekten. Das wirkt identitätsstiftend und macht den Ort zum Anziehungspunkt im Stadtteil. Die im September 2014 eröffnete Rindermarkthalle zählt heute 60 000 Besucher pro Woche.
Der vom Siegeszug des E-Commerce erzeugte Druck auf die stationären Händler führt dazu, dass sich viele wieder auf ihre ureigenen Kompetenzen besinnen, darunter die begehrte Kundennähe. Mit viel Fantasie und Engagement bemühen sie sich, die Menschen neben dem bloßen Produktverkauf zu unterhalten, sie zusammenzubringen. Und weil das alles im echten Leben stattfindet, sind sie damit den Internet-Pure-Playern um Längen voraus.
Impulse für das Handelsmarketing gibt die EuroShop 2017 in Düsseldorf. Die Messe ist für Fachbesucher von Sonntag, 5. März, bis Donnerstag, 9. März, täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Tageskarte kostet 70 Euro (50 Euro im Online-Vorverkauf), die 2-Tageskarte 90 Euro (70 Euro im OVV) und die Dauerkarte 150 Euro (130 Euro im OVV). Die Eintrittskarten beinhalten die kostenlose Hin- und Rückfahrt zur EuroShop mit Verkehrsmitteln des Verkehrsverbund-Rhein-Ruhr (VRR). Erstmals veranstaltet wurde die EuroShop im Jahr 1966 von der Messe Düsseldorf, sie findet im Drei-Jahres-Turnus statt. Ideeller Träger ist das EHI Retail Institute.