Ein Gastbeitrag von Thomas Schauf, Senior Experte Public and Regulatory Affairs, Deutsche Telekom AG
Bei den Datenschutzdebatten geht oft der Blick für die soziale Realität verloren. Aber genau sie ist ein Korrektiv für den digitalpolitischen Paternalismus. Der gesellschaftlich gewollte Umgang mit Daten ist Ausdruck eben jener sozialen Realität: Menschen sind soziale Wesen und interagieren miteinander – auch im Digitalzeitalter.
Die soziale Realität 2018 zeigt, dass alleine die informierte Einwilligung als Instrument der informationellen Selbstbestimmung und Datenschutzleitprinzip nicht die gewünschte Wirkkraft entfalten kann. Sie wird von Lock-In-Effekten dominiert. Sinnvoller sowie datenschutz- und nutzerfreundlicher wäre daher die Etablierung weiterer Möglichkeiten für einen technischen Datenschutz im Zusammenspiel mit Transparenz gegenüber den Nutzern. So sind bei der Umsetzung der DSGVO Interpretationen und Lösungen erforderlich, die der sozialen Realität im Hier und Jetzt Rechnung tragen und den Interessenausgleich gewährleisten. Beispiel ist hier die Pseudonymisierung, die zu einem faktisch höheren Schutz führen kann.
Harmonisierung bewahren
Der von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf der ePrivacy-Verordnung würde in seiner jetzigen Ausgestaltung die in der DSGVO ausgewogene Balance zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und der Ermöglichung innovativer Geschäftsmodelle auf Datenbasis stark gefährden, indem unter der DSGVO zulässige Verarbeitungsmodelle entweder unter strengere Auflagen gestellt oder gänzlich verboten werden. Zusätzliche sektorspezifische Datenschutzregeln helfen zudem nicht, die digitale Souveränität des Einzelnen zu erhöhen. Wer durch sie die erzielte Harmonisierung und das so wichtige „Level Playing Field“ faktisch in Frage stellt, erweist der Entwicklung des gesamten datengetriebenen digitalen Binnenmarkts einen Bärendienst.
Stärkung des Binnenmarktes – Daten als Standortfaktor
Vielmehr muss der Blick immer wieder auf die globale Dynamik der digitalen Transformation gelenkt werden. So besteht mit der DSGVO die Chance, Wettbewerbsumfelder zu schaffen, die sich zumindest bezogen auf die Skalierbarkeit von digitalen Geschäftsmodellen positiv auswirken. Aber das Datenschutzrecht selbst trifft keine Vorentscheidung hinsichtlich der Entwicklung und Etablierung innovativer Geschäftsmodelle.
Mit Blick auf Dateninnovationen wird entscheidend sein, dass die Aufsichtsbehörden eine einheitliche, im Sinne der Standortentwicklung innovationsdynamisierende Perspektive einnehmen, die Geschäftsmodelle ermöglicht, die Daten unterschiedlicher Quellen neu verknüpfen und erkenntnisgewinnend einsetzen können. Die DSGVO hat die Grundlage für innovative Geschäftsmodell unter gleichzeitiger Wahrung des Datenschutzes geschaffen. Es steht aber zu befürchten, dass eine einseitige Auslegung der europäischen Aufsichtsbehörden den in der DSGVO angelegten Interessenausgleich und damit die erstrebte Stärkung des Binnenmarktes wieder zunichtemacht. Digitale Eliten verfügen über eine hohe Mobilität und siedeln sich vor allem dort an wo günstige Marktrahmenbedingungen (Regulierung, Kapital, Kultur) vorherrschen. Daher ist eine Interessenabwägung mit Augenmaß erforderlich, die auch stärker technische Schutzmaßnahmen berücksichtig und digitale Innovationen „made in Europe“ fördert.
Hoffnung am Horizont
An der Stelle macht der Koalitionsvertrag der noch zu bestätigenden neuen Bundesregierung durchaus Hoffnung. Die Koalitionäre betonen die Notwendigkeit, auch unternehmerische Interessen bei der Ausgestaltung des Datenschutzes stärker zu berücksichtigen. Daher kann man die neue Bundesregierung nur ermutigen, bei den Abstimmungen im Ministerrat und den anschließenden Trilog-Verhandlungen zur ePrivacy-Verordnung in Brüssel auf deren Konsistenz zur DSGVO hinzuwirken.
Thomas Schauf wird bei der d3con am 11. April um 11.45 Uhr im „Panel DSGVO & Eprivacy – wie die neuen Datenschutzregeln die Branche verändern“ diskutieren.
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