Von Gastautor Jochen Bernhard, Rechtsanwalt und Co-Leiter der Praxisgruppe Compliance der Kanzlei Menold Bezler
Hersteller von Luxuswaren mögen es nicht, wenn ihre hochpreisigen Produkte im Netz neben billiger Ramschware angeboten werden. Deshalb verpflichten sie ihre autorisierten Händlern vertraglich oft zur Einhaltung strenger Vorgaben für den Vertrieb, wofür ihnen die Luxemburger Richter nun Rückendeckung geben. Der EuGH stellt klar, dass es der Hersteller selbst in der Hand haben muss, die Art und Weise seiner Markendarstellung im Internet zu kontrollieren.
Luxusimage rechtfertigt strenge Auswahl der Vertriebspartner
Das Markenimage seiner Waren kann ein Hersteller nur schützen, wenn er selbst darauf einwirken kann, dass die Plattform Luxusimage und Prestige wahrt. Beim Vertrieb durch autorisierte Händler über Plattformen wie Amazon oder Ebay fehlt es jedoch an dieser Einflussmöglichkeit, weil keine Vertragsbeziehung zwischen dem Hersteller und der Drittplattform besteht. Deshalb dürfen Hersteller die Nutzung von Amazon oder Ebay generell ausschließen. Sie müssen auch dann keine Ausnahme machen, wenn die Plattform von sich aus oder auf Veranlassung des Händlers durch eine entsprechende werbliche Gestaltung das Luxusimage wahrt.
Kein Freibrief
Jedoch knüpft der EuGH die Vertriebsverbote auf Drittplattformen an bestimmte Voraussetzungen: Beispielsweise hat sich die Auswahl der Händler an objektiven Gesichtspunkten qualitativer Art zu orientieren, die einheitlich für alle stationären und Online-Wiederverkäufer gelten und ohne Diskriminierung anzuwenden sind. Vorrangiges Ziel muss sein, das Luxusimage der Waren zu schützen. Die Entscheidung ist kein Freibrief: Die Auswahlkriterien eines selektiven Vertriebssystems dürfen nicht über das Maß hinausgehen, welches das Prestige sicherstellt. Im Übrigen gilt weiterhin der Grundsatz der Pierre-Fabre-Rechtsprechung aus dem Jahr 2011, wonach der Internetvertrieb nicht vollständig untersagt werden darf, um die Aura des Prestiges eines Produkts zu wahren.
Luxus oder nur hochwertiges Markenprodukt?
Das Urteil verschafft Herstellern von Luxusartikeln mehr Rechtssicherheit, aber es bleiben wichtige Fragen offen: Unter welchen Voraussetzungen gilt ein Hersteller als Anbieter von Waren mit Luxusimage? Wo verläuft die Grenze zum hochwertigen Markenprodukt? Nicht selten unterscheidet sich das Image eines Produkts EU-weit und international von Land zu Land. Unklar bleibt zudem, ob das Urteil auch für Hersteller gilt, die ihre Waren selbst über Amazon vertreiben und aufgrund dieser Vertragsbeziehung der Plattform auch die werbliche Darstellung des Vertriebs von Marketplace-Anbietern vorschreiben könnten.
Der Begriff Luxus erscheint weit dehnbar
Immerhin ergibt sich in Bezug auf den Luxusbegriff eine erste Konkretisierung aus dem Urteil: Der EuGH spricht von „Prestigecharakter und luxuriöser Ausstrahlung“, die für den Verbraucher ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Waren bilden. Berücksichtigt man, dass der Kläger Coty eine weite Bandbreite an Parfüms herstellt, die sich nicht immer im oberen Preissegment bewegen, erscheint der Begriff „Luxus“ als sehr dehnbar. Denkbar ist eine Bandbreite von Uhren über Küchengeräte bis hin zu Möbeln oder Kleidung.
Künftig dürften sich Hersteller hochwertiger Produkte aus allen Branchen auf die neue Rechtsprechung des EuGH berufen, wenn sie den Verkauf über Drittplattformen im Internet beschränken wollen. Sie haben gegenüber den Kartellbehörden immer dann gute Argumente, sofern die Kunden ihre Ware nicht nur wegen der materiellen Eigenschaften kaufen, sondern vor allem wegen des Prestiges.
Über den Autor: Dr. Jochen Bernhard ist Rechtsanwalt und Co-Leiter der Praxisgruppe Compliance der Kanzlei Menold Bezler in Stuttgart. Zu seinen Schwerpunkten zählt die kartellrechtskonforme Gestaltung von Vertriebssystemen und Unternehmenskooperationen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Gestaltung von Compliance-Systemen sowie Schulungen von Mitarbeitern zur Kartell- und Korruptionsprävention.