Nachhaltigkeitsberichte waren noch vor gut zehn Jahren eine Sache von Dax-Konzernen und Großunternehmen. Im Jahr 2017 schärfte der Gesetzgeber zum ersten Mal nach, mit dem „Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten“, kurz: dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz. Seitdem sind in Deutschland börsennotierte Unternehmen mit über 500 Mitarbeitenden verpflichtet, auch über nichtfinanzielle Aspekte zu berichten. So richtig froh war mit diesem Zustand aber kaum jemand – die Berichterstattung sei wenig relevant, schlecht zu vergleichen und schwer überprüfbar, so die Kritik.
Transparente KPIs
Vor gut einem Jahr, am 21. April 2021, legte die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf vor, um die geltende Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) umzubauen. Ihr Ziel: die Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich auszudehnen, sie vergleichbar und auch relevanter zu machen. Künftig sollen alle Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten, einer Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Euro oder einem Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro Auskunft darüber geben, wie nachhaltig sie wirtschaften; ab Januar 2026 sollen auch kapitalmarktorientierte KMU hinzukommen. Die Unternehmensberatung PwC titelte prompt: „Heute beginnt eine neue Ära in der Nachhaltigkeitsberichterstattung“.
Tritt die neue Richtlinie wie geplant in Kraft – und daran besteht wenig Zweifel –, steigt einer Studie des Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) zufolge die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen in Deutschland um mehr als das 30-Fache. Statt wie bislang rund 500 werden allein in Deutschland 15.000 Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten in ihren Lageberichten akribisch dokumentieren müssen. Mit transparenten KPIs – bislang eher eine Domäne der Finanzberichterstattung – wird offenliegen, wie es die Firmen mit ihrem Umwelt-, Sozial- und Governance-Engagement tatsächlich halten.
Die Zeit rennt
Unternehmen haben nicht viel Zeit, sich auf die neuen gesetzlichen Regularien einzustellen, denn die EU hat den Turbo angeworfen: Bis Juni 2022 wird verhandelt, bis zum 1. Dezember 2022 soll die neue Richtlinie von der nationalen Gesetzgebung in nationales Recht umgesetzt sein; greifen soll sie erstmals für die Berichtsperiode 2023. Ebenfalls neu: Vorstand und Aufsichtsrat werden für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verantwortlich sein, eine externe Prüfung soll die Richtigkeit der Angaben unter die Lupe nehmen.
„Hohes Ambitionsniveau“
Der DRSC-Präsident Georg Lanfermann spricht angesichts der Neuerungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von „einem hohen Ambitionsniveau der Europäischen Kommission“. PwC kommentiert: „Im Ergebnis wird die Zweiklassengesellschaft zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Informationen beendet.“ Die endgültige Fassung wird, läuft alles nach Plan, zwar erst im Juni dieses Jahres verabschiedet, dennoch sollten Unternehmen schon jetzt prüfen, ob sie berichtspflichtig sein werden, und sich im Falle des Falles gut vorbereiten.