Esports-Sponsoring: „Der Zeitpunkt ist immer noch gut!“

Für den vierten Teil unserer aktuellen Esports-Serie haben wir mit Michael Heina gesprochen, Head of Esports Europe, MENAP, APAC beim Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Nielsen Sports. Im Interview erklärt er, was den traditionellen Sport von Esports in der Vermarktung unterscheidet und warum der Zeitpunkt für einen Einstieg als Sponsor immer noch gut ist, obwohl große Marken bereits umfangreich werben.
Esports
Esports als attraktives Werbeumfeld: "Mittlerweile sind eine Reihe global agierender Marken mit sehr großen Budgets in Esports eingestiegen. Und sie wissen genau, wie Sponsoring geht." (© ESL)

Herr Heina, ist die Sponsoring-Inszenierung in einer Esports-Arena besser als die im Fußballstadion?

MICHAEL HEINA: Beides findet auf sehr hohem Niveau statt. Sponsoren in Esports-Umfeldern haben aber gegenüber Partnern im traditionellen Sport den Vorteil, dass sie in der Regel eine höhere Exklusivität aufgrund einer geringeren Anzahl von Partnerschaften insgesamt genießen. Das liegt aber nicht an einem mangelnden Interesse aus der Industrie, sondern vielmehr daran, dass Partner-Flächen im Esports bis dato noch vergleichsweise exklusiv vermarktet werden.

Was zeichnet Esports in der Vermarktung aus?

Vor allem eine starke Individualisierung der Sponsoringpakete und eine einfallsreiche Partner-Integration in den Broadcast oder auch vor Ort. In vielen Pitch-Situationen wird detailliert überlegt, welche Leistungen eine Marke beim jeweiligen Rechtehalter erreichen kann und welche Möglichkeiten der Umsetzung es gibt. Die individualisierten Lösungen gehen hin bis zur Schaffung eigener Turnierserien oder der Anpassung von Regeln und Abläufen. Das ist im traditionellen Sport eher schwierig bis unmöglich.

Viele Marken nutzen kürzer angelegte Esports-Kampagnen zu Testzwecken. Können diese ersten Gehversuche auf lange Sicht auch zu Verwässerungseffekten führen?

Zunächst ist der Test-Ansatz nachvollziehbar: Marken probieren sich auf für sie eher unbekanntem Terrain aus, ohne sich direkt auf ein langfristiges Commitment einlassen zu müssen. Andererseits leben Partnerschaften sowohl in Esports als auch im klassischen Sport von der Langfristigkeit.

Könnte die Offenheit der Esports-Rechtehalter für individuelle und kürzer angelegte Kampagnen andererseits nicht langfristig sogar auch ein Vermarktungs-USP sein?

Die Flexibilität für große Marken, punktuell beispielsweise ein neues Produkt in die jungen Zielgruppen tragen zu können, ist in der Sportwelt tatsächlich fast schon ein Alleinstellungsmerkmal. Diese Flexibilität bedeutet für die Esports-Rechtehalter aber auch sehr viel Aufwand. Schließlich müssen sie regelmäßig neue Rechtepakete kreieren, verkaufen, umsetzen und auswerten. Ich gehe davon aus, dass perspektivisch auch in der Esports-Branche der Anteil langfristiger Partnerschaften steigen wird.

Esports-Experte Michael Heina:
„Die individualisierten Lösungen gehen hin bis zur Anpassung von Regeln und Abläufen. Das ist im traditionellen Sport eher schwierig bis unmöglich.“

In der Vermarktungsbranche fällt der folgende Satz ziemlich häufig: „Investieren Sie als Sponsor jetzt in Esports, denn bald schließt sich das Zeitfenster der günstigen Abschlüsse und die Preise für die Partnerpakete steigen.“ Ist das so?

Diesen Satz hört man ja schon seit zwei, drei Jahren. Ich würde das als ganz normales Säbelrasseln und die Verknappung eines nicht knappen Guts bewerten. Mittlerweile sind eine Reihe global agierender Marken mit sehr großen Budgets in Esports eingestiegen. Und sie wissen genau, wie Sponsoring geht, was ihre KPIs sind und wie viel Geld sie für die Rechtepakete bezahlen wollen. Für alle anderen Brands sehe ich es als relevanter an, sich ernsthaft Gedanken um ein Esports-Engagement zu machen, damit sie nicht auf der Überholspur von ihren stärksten Wettbewerbern überholt werden und sich hinterher fragen, weshalb diese Wettbewerber bei der jungen Zielgruppe erfolgreicher sind.

Sollten sich alle Unternehmen mit der Esports-Welt beschäftigen?

Wenn ich weiß, dass ich eine Zielgruppe 50+ ansprechen möchte, dann brauche ich mich als Marketing-Verantwortlicher eher nicht mit einem Esports-Engagement zu beschäftigen. Dann ist die Entscheidung dagegen aber wenigstens bewusst gefallen. Für alle anderen Marken gilt: Wer sich als sponsoringtreibendes Unternehmen, aus welchem Grund auch immer, Esports bis dato noch gar nicht angesehen hat, der verpasst eventuell eine große Chance! Der Zeitpunkt für einen Einstieg ins Esports-Sponsoring ist immer noch gut!

Serie zum Thema Esports

Dieser Artikel ist Teil einer aktuellen Serie auf absatzwirtschaft.de zum Thema Esports. Bisher sind zudem folgende Beiträge erschienen:

Einen ausführlichen Artikel über die Folgen der Coronavirus-Pandemie auf die Esports-Vermarktung lesen Sie in der kommenden Print-Ausgabe der absatzwirtschaft, die Sie hier bestellen können: https://www.fachmedien.de/absatzwirtschaft

Cases aus dem Esports-Sponsoring

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(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.