Es ist wieder Glaskugel-Zeit

Der zweite Advent steht vor der Tür; das Jahr neigt sich dem Ende. Wer einen Trend für 2023 auszurufen hat, sollte es genau jetzt tun. Oder besser nicht? In der Vergangenheit entpuppte sich so mancher vermeintliche Trend eher als Schlaftablette.
Glaskugel
Wer beim Blick in die Glaskugel einen künftigen Trend erkennen kann, behält mit seiner Einschätzung nicht immer Recht. (© Unsplash)

„Die E-Mail ist tot.“ Diese Schlagzeile sorgte in den Nullerjahren für Furore. Abgelöst sollte sie vom RSS-Feed werden – und die Spam-Problematik bei dieser Gelegenheit ein für alle Mal ins Jenseits befördern. Doch es ist nichts daraus geworden. RSS gibt es zwar immer noch, aber die E-Mail ebenso. Und Letztere ist beliebter denn je, während RSS ein nerdiges Schattendasein fristet – und sich für das Marketing als untauglich erwiesen hat.

Auch in jüngster Zeit gab es Trends, um die es ruhig geworden ist, beispielsweise die sogenannten Web-Push-Nachrichten: Die im Internetbrowser aufpoppenden Kurzmitteilungen sollen eigentlich Nutzer informieren und an Websites binden. Der Nerv-Faktor solcher Pop-ups hält deren Beliebtheit jedoch in Grenzen. Und was ist eigentlich mit der Blockchain los? Ursprünglich sollte sie das gesamte Marketing auf den Kopf stellen. Doch der Wind hat sich gedreht. Lediglich für die Fraud-Bekämpfung und transparente Media-Lieferketten räumt man ihr noch (theoretische) Einsatzmöglichkeiten ein. Außerdem tragen der Crash der Kryptobörse FTX und ein Bitcoin auf nahezu Jahrestief nicht unbedingt zur Popularität von Blockchain-Themen bei.

CTV – der neue Stern?

Andere Technologien scheinen für das Marketing hingegen vielversprechender: Zum Beispiel Connected TV (CTV). War das Thema bisher eher abstrakt, nischig und theoretisch, regnet es mittlerweile Kampagnenbeispiele. Der jüngste Case stammt von Lidl. Der Discounter hat in Großbritannien im CTV geworben. Seine Mediaagentur Omnicom Media Group (U.K.) verwendete kontextbezogenes Targeting sowie eine automatische Inhaltserkennung, um die Kampagnen optimal auszusteuern. Insgesamt wurden in UK 2,6 Millionen Impressionen ausgeliefert; 95 Prozent der Zuschauer wurden ausschließlich über CTV erreicht; die Video Completion Rate (VCR) betrug starke 93 Prozent und Marketing Tech von The Trade Desk half dabei, das CTV-Budget zu optimieren. So wie Lidl loten momentan viele Anbieter den neuen Werbekanal aus.

Wohin die CTV-Reise noch geht, bleibt abzuwarten. Aber der Eintritt von Netflix in das werbebasierte Streaming dürfte die Fantasie vieler Marketer zusätzlich anregen. Ein tiefer Blick in die Glaskugel zeigt mir, dass 2023 wohl viele weitere Kampagnen-Cases folgen werden und CTV seinen Platz im Marketing-Mix findet.

Schon gehört?

In den USA sollen 2023 die digitalen Werbeausgaben voraussichtlich um 5,9 Prozent im Jahresvergleich steigen, prognostiziert das Interactive Advertising Bureau (IAB), eine amerikanische Organisation für die Online-Werbebranche. Angeführt von CTV (+14,4 Prozent) wird für alle digitalen Kanäle 2023 ein Wachstum der Werbeausgaben prognostiziert, während die traditionellen Kanäle im Vergleich zum Vorjahr voraussichtlich schrumpfen werden.

In der Schweiz gibt es ein neues Kompetenzzentrum für Marketing und Technologie (Martech). Das Marketing Technology Laboratory, kurz MarTech Lab, wurde am Institut für Marketing der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) eröffnet und soll helfen, technologische Herausforderungen im Marketing zu bewältigen. Es versteht sich als Kompetenzzentrum an der Schnittstelle von Marketing und Technologie.

In UK sind die durch Werbung verursachten Emissionen zwischen 2019 und 2022 um elf Prozent gestiegen, schreibt „The Drum“. Wie das Magazin berichtet, lag man bei der Senkung der CO2-Emissionen lediglich im Jahr 2020 auf Kurs, doch nach der Rückkehr aus dem Lockdown stiegen 2021 die Emissionen wieder auf das 2019er Niveau an.

Übrigens: Digitale Werbung spielt in Wahlkämpfen zunehmend eine wichtige Rolle, wie die Midterms in den USA gezeigt haben. The Current hat dazu ein paar interessante Fakten zusammengetragen.

In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert!

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.