Wie bewerten Sie das Urteil gegen Aleksander Ruzicka?
JOACHIM SCHÜTZ: Ein Fall von Wirtschaftskriminalität, in dem das Gericht zu einem deutlichen Urteil gelangt ist.
Welche Konsequenzen empfehlen Sie Ihren Mitgliedern um solche Vorfälle und “viele kleine Ruzickas” zu verhindern?
SCHÜTZ: Die Empfehlungen der OWM haben sich mit dem Urteil nicht geändert. Es bleibt einfach wichtig, klare vertragliche Regelungen zu vereinbaren, einschließlich einer umfassenden und weitreichenden Transparenzverpflichtung der Mediaagentur gegenüber dem Werbungtreibenden. Der Mustervertrag der OWM gibt den Werbungtreibenden hierzu Anregungen und Formulierungsvorschläge an die Hand. Jeder Werbekunde muss vertraglich und auch im eigenen Verhalten sicherstellen, dass er nicht in eine Grauzone hineingezogen wird und schlussendlich selbst dafür zur Verantwortung gezogen wird. Die Compliance Regeln vieler Unternehmen sind hier in aller Regel sehr deutlich.
Weiterhin bleibt es wichtig, in den Unternehmen internes Media-Know-how aufzubauen. Die Entscheidung und Kontrolle über den Einsatz und die Verteilung von Mediainvestitionen in Millionenhöhe gehört in das Unternehmen und darf nicht alleine Dritten überlassen werden. Kein System und kein Vertrag vermögen aber kriminelle Machenschaften einzelner Personen zu verhindern, die mit hoher krimineller Energie vorangetrieben werden. Die Hürden für einen Missbrauch müssen allerdings so hoch wie möglich sein.
Haben Werbekunden Intransparenz billigend in Kauf genommen solange sie wenig bis kein Honorar zahlen müssen?
SCHÜTZ: Das kann pauschal nicht so gesagt werden. Im Einzelfall mag es aber vorkommen, dass Werbungtreibende auf Transparenz verzichten, um ein vermeintliches „Honorar- oder Rabatt-Schnäppchen“ zu machen. Hiervor kann allerdings nur gewarnt werden. Am Ende zahlen die Unternehmen dann doch die Zeche. Die OWM fordert daher eine vollständige Transparenz in der bilateralen Geschäftsbeziehung zwischen Werbung treibendem Unternehmen und Mediaagentur. Weiterhin muss der Werbungtreibende seine Agentur natürlich auch angemessen und leistungsgerecht vergüten.
Richter Jürgen Bonk sagte, dass es bereits die fehlende agenturinterne Transparenz war, die es Herrn Ruzicka leicht gemacht hat. Davon haben auch OWM Mitglieder profitiert. Was empfiehlt die OWM, um das künftig zu verhindern?
SCHÜTZ: Die fehlende interne Transparenz können wir nicht beurteilen, da wir die internen Kontrollinstrumente dieser Mediaagentur nicht kennen. Grundsätzlich gilt auch hier, die internen Hürden für den Missbrauch so hoch wie möglich zu legen.
Was sagen Sie zur Kritik des Richters, dass die Erlöse aus Naturalrabatten für die Kunden auch extern völlig intransparent gehandhabt wurden, weshalb auch das den Fall Ruzicka erst möglich gemacht hat?
SCHÜTZ: Fehlende Transparenz bemängelt die OWM seit Jahren. Hierzu gehört sicherlich auch die Kapitalisierung von Naturalrabatten, wenn der Werbungtreibende von der Mediaagentur hierüber nicht detailliert informiert wurde und der Vorgehensweise zugestimmt hat. Insofern ist die Kritik des Richters nachvollziehbar.
Müssen Abläufe, wie die Buchung von Kundengeldern in EKV-Konten und deren Verwendung zwischen Vorauszahlung und Endabrechnung, überdacht werden – wenn die darin stehenden Gelder keine Kundengelder sind, sondern zum Vermögen der Mediaagentur gezählt werden?
SCHÜTZ: Aus Sicht der Werbungtreibenden gehören Mediagelder den werbenden Unternehmen, bis die Gelder als Bezahlung für Werbezeiten und -flächen bei den Medien angekommen sind. Es ist das Geld der Kunden, mit dem die Medialeistung bezahlt wird. Wenn eine Mediaagentur dieses anders sieht, sollte sie es ihren jeweiligen Kunden mitteilen. Jeder Kunde entscheidet dann, wie er mit dieser Sichtweise umgeht.
Es gibt aber auch Werbekunden mit großen Etats, die die Naturalrabatte der Werbekunden mit kleinen Etats für sich beanspruchen. Halten Sie das für legitim?
SCHÜTZ: Das kann ich so nicht nachvollziehen. Ich denke, jeder Kunde hat die Zielsetzung überproportional zu partizipieren. Das ist keine Frage der Budgetgröße. Es ist eher eine Frage der Ziele der einzelnen Kunden. Die Vorgehensweise muss jeder Werbungtreibende mit seiner Mediaagentur als Partner auf einer transparenten Basis in einem bilateralen Vertrag regeln. Dafür gibt es keine pauschale Lösung. Die OWM kann dabei nur sensibilisieren.
Was meint die OWM dazu, dass das Wiesbadener Landgericht die Ansprüche der Kunden hintenan gestellt hat?
SCHÜTZ: Die OWM bleibt dabei, dass aus ihrer Sicht nicht nur die Agentur, sondern in erster Linie die Kunden geschädigt worden sind. Die OWM ist der Auffassung, dass alle mit dem Geld des Werbungtreibenden erzielten Rabatte, einschließlich der sogenannten Agenturrabatte, dem jeweiligen Werbungtreibenden zustehen. Dieser entscheidet dann, was mit diesen Rabatten geschieht.
Was meint die OWM dazu, dass Mediaagenturen von diesem Gericht als Vermarkter von Werbezeiten eingestuft wurden, die eigene Werbeflächen verkaufen?
SCHÜTZ: Aus Sicht der OWM gehört die Mediaagentur an die Seite des Werbungtreibenden. Die Beratung der Mediaagentur muss einzig dem Interesse des Werbungtreibenden dienen. Hierfür wird sie vom Werbungtreibenden bezahlt. Und zwar ausschließlich, denn Mediaagenturen sollten nicht von Medien vergütet werden. Dieses ist die Position der Werbungtreibenden weltweit und auch so in der Media Charter der World Federation of Advertisers (WFA) festgelegt. Die Agentur kann nicht Diener zweier Herren sein, also sowohl den Werbungtreibenden beraten wie auch die wirtschaftlichen Interessen der Medien vertreten. Wenn eine Agentur sowohl Berater wie auch Vermarkter ist, entsteht möglicherweise ein Interessenskonflikt.
Einige große Werbekunden setzen jüngst verstärkt auf das Cost-Plus-System. Kunden- und agenturbezogen verhandelte Rabatte gehen vollständig an den Kunden. Der Kunde zahlt jedoch keine Dumping-Honorare auf das sich durch Rabatte reduzierende Nettoschaltvolumen, sondern die Höhe, die in Summe eine qualitativ hochwertige Arbeit der Mediaagentur ermöglicht. So dass gute Verhandlungen mit den Medien nicht mehr das Income der Mediaagentur mindern oder zu Freispotdeals in der Grauzone verleiten. Wäre das ein Ausweg aus der jetzigen Situation?
SCHÜTZ: Es gibt ja eine Vielzahl möglicher Vergütungssysteme. Entscheidend ist, dass die Mediaagentur im Ergebnis angemessen und leistungsgerecht vom Werbungtreibenden vergütet wird. Eine Agentur muss das Ziel haben, auf dem jeweiligen Kundenetat angemessen profitabel zu arbeiten. Nur so kann eine langfristige und partnerschaftliche Geschäftsbeziehung etabliert werden. Dieses ist auch im Interesse der Unternehmen und daher eine klare Position der OWM. Wichtig bleibt, dass die Mediaagenturen einzig von den werbenden Unternehmen vergütet werden, die sie ja beraten sollen. Die Beratung muss sich hierbei ausschließlich an den Interessen des einzelnen Werbungtreibenden orientieren und nicht an zum Beispiel wirtschaftlichen Interessen der Agentur oder gar der Medien. Eine Vergütung der Mediaagentur durch die Medien muss ausgeschlossen sein, oder wie würden sie ihren Steuerberater beurteilen, wenn dieser auch vom Finanzamt bezahlt würde? Dieses gilt auch für die sogenannten Agenturrabatte, ob in Cash oder Freispots. Alle Rabatte einschließlich der sogenannten Agenturrabatte müssen an den Werbungtreibenden, mit dessen Geld sie erwirtschaftet wurden, weitergeleitet werden. Transparenz muss hierbei ein Grundprinzip in der bilateralen Geschäftsbeziehung zwischen Mediaagentur und werbendem Unternehmen sein. Der Werbungtreibende hat einen Anspruch darauf zu erfahren, was mit seinem Geld erwirtschaftet wurde. Auch wenn in erster Linie die Leistung der Agentur bei der Vergabe des Mediaetats entscheidend ist – einen Einfluss der Vergütung und sonstiger vertraglicher Parameter wird man aus meiner Sicht bei der Entscheidungsfindung nie ausschließen können. Das ist in anderen Wirtschaftszweigen nicht anders.
Die Fragen stellte Michael Ziesmann.