Saftflaschen sind von der Pfandpflicht freigestellt. Innocent will das ändern. Warum?
MAX ROGY: Weil das besser ist für unseren kleinen Planeten. Wir setzen wegen des geringeren CO2-Fußabdrucks bewusst auf Einweg und nicht auf Mehrweg – Mehrwegflaschen machen vor allem für regionale Anbieter Sinn. Aber wir wollen nicht, dass unsere Flaschen im Meer landen. Wir haben in Deutschland ein sehr gutes, bewährtes Einweg-Pfandsystem. Die Rückgabequote liegt bei 96 Prozent.
Im Oktober hat Ihr Unternehmen die Petition „Pfand für alle“ initiiert, die bislang fast 80.000 Menschen unterschrieben haben. Dient die Kampagne nicht vor allem Innocents Positionierung als nachhaltige Marke?
Natürlich sollen die Menschen verstehen, dass wir uns Gedanken um unseren Planeten machen. Aber ich lege Wert darauf, dass wir es nicht nur aus Kommunikationsgründen tun, sondern weil wir etwas bewirken wollen.
Die Forderung ist doch wohlfeil, weil Sie wissen, dass sie sowieso nicht umgesetzt werden wird.
Das Gegenteil ist der Fall: Wir sind sicher, dass sie umgesetzt wird. Es gibt eine Bundesratsinitiative von Hessen und Baden-Württemberg zur Ausweitung der Pfandpflicht. Außerdem muss durch eine EU-Verordnung das Verpackungsgesetz ohnehin angepasst werden. Wir unterstützen mit unserer Kampagne, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht.
Innocent wurde 1998 in Großbritannien gegründet und ist 2007 in den deutschen Markt eingetreten. Was haben Sie erreicht?
Damals war der Markt für gekühlte Saft- und Smoothie-Getränke in Deutschland eine Nische. Inzwischen ist er laut Nielsen auf 450 Millionen Euro angestiegen und hat damit seit 2015 um 50 Prozent zugelegt, während die Kategorie ungekühlte Getränke eher rückläufig ist. Wenn wir uns den Markt inklusive Handelsmarken angucken, liegt unser Anteil heute bei knapp 30 Prozent.
Damit ist Innocent in dem Segment Marktführer. Können Sie sich zurücklehnen?
Es geht immer noch besser. Unser Ziel ist es, den Anteil über 30 Prozent hinaus zu steigern.
Wie wirkt sich die Corona-Krise aus?
Im Lockdown sind die Umsätze im Unterwegs-Konsum logischerweise stark zurückgegangen, vor allem die Smoothies haben sehr gelitten. Da hat sich ausgezahlt, dass unsere Säfte inzwischen ein starkes zweites Standbein sind, denn die werden eher zuhause konsumiert und sind in dieser Zeit überdurchschnittlich gewachsen. Im Moment sind unsere Wachstumsraten leicht über Vor-Corona-Niveau.
Wie sehen Sie die Perspektiven?
Ich bin realistisch. Wir werden über die Runden kommen, aber unsere besten Jahre werden 2020 und 2021 nicht.
Was macht die Marke Innocent aus?
Schmeckt gut, tut gut, das ist unser Claim. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass alle Menschen gesund und alt sterben. Seit unserer Gründung spenden wir zehn Prozent unseres Gewinns, um den Hunger in der Welt zu bekämpfen, und haben zu dem Zweck die Innocent Foundation ins Leben gerufen. Wir waren auch unter den ersten Unternehmen, die recyceltes PET verwendet haben.
Damit sind Sie allerdings nicht sehr weit gekommen.
Unsere Flasche besteht zu 50 Prozent aus recyceltem und zu 15 Prozent aus pflanzenbasiertem Kunststoff. An den letzten 35 Prozent arbeiten wir noch. Künftig soll unsere Flasche zur Hälfte aus R-PET und zur anderen Hälfte aus pflanzenbasiertem Material bestehen. Damit bleibt der Recyclingprozess am Laufen und die Qualität des Rezyklats hochwertig.
Wie passt zum Image, dass die Produkte nicht Bio sind?
Wir setzen auf einen ganzheitlicheren Standard, die Zertifizierung nach FSA (Farm Sustainability Assessment). Das kann man sich vorstellen wie eine Kombination aus Fairtrade- und Bio-Logo. Damit stellen wir sicher, dass unsere Zutaten bezüglich Nachhaltigkeit und Fairness auf höchstem Niveau sind. Bereits heute sind drei Viertel unserer Zutaten FSA-zertifiziert, bis 2023 sollen es 100 Prozent sein.
Der Standard ist deutschen Verbrauchern wenig geläufig.
FSA ist in Großbritannien deutlich bekannter, vor allem aber funktioniert er global. Das ist entscheidend für ein Unternehmen, das multinational agiert.
Stichwort multinational: Über 90 Prozent von Innocent gehören Coca-Cola. Ist das bei der Positionierung der Marke kein Störfaktor?
Coca-Cola ist bei uns Investor, die Marke ist nicht in den Konzern integriert. Das entstand in der Wirtschaftskrise von 2008. Da gab es für Innocent zwei Optionen: entweder einen Investor finden, der uns langfristig begleitet, oder zusperren. Aber wir dürfen unser eigenes Ding machen. Wir haben unsere eigenen Werte, unseren eigenen Vertrieb, und wir haben unsere eigene Art und Weise, Geld auszugeben, um Gutes zu tun.
Innocent rühmt sich, 2022 in Rotterdam die „nachhaltigste Abfüllanlage der Welt“ in Betrieb zu nehmen. Was wollen Sie besser machen als andere?
Der wichtigste Schritt ist, dass die Anlage CO2-neutral ist, die gesamte Energie kommt aus erneuerbaren Energien. Überdies wollen wir diese Energie vor Ort gewinnen, unter anderem mit zwei Windrädern, Solaranlagen und Wärmepumpen. Wir bauen also ein komplett autarkes Abfüllwerk. Und weil wir die Welt nicht allein retten können, teilen wir unser Wissen. Copycats welcome!