von Nina Oswald
Verschiedene Vorzüge machen die Region Osteuropa für globale Marken sehr attraktiv: Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind gut und verbessern sich stetig. Demokratische Veränderungen werden gefördert und Arbeitsmärkte dereguliert. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit nimmt zu und wird durch das Schengener Abkommen gefördert. Weiterhin zeichnet sich Osteuropa durch niedrige Lohnkosten verbunden mit einer guten Infrastruktur aus.
Der Tourismus in Osteuropa und Reisen dorthin werden in den nächsten Jahren weiterhin zunehmen. Kroatien, Ungarn und Tschechien zählen für Reisende aus aller Welt bereits zu den Ländern, die man unbedingt besuchen sollte. Dank niedrigerer Preise, geschichtsträchtiger Kultur und kurzer Reisezeiten weisen die osteuropäischen Länder eine Vielfalt auf, die sie zu einem interessanten Reiseziel machen. Die osteuropäische Zielgruppe ist aufgrund der Annäherung an den Westen aufgeschlossen und empfänglich für westeuropäische und internationale Marken. Unternehmen wie Hugo Boss, Zara, McDonald’s oder Starbucks haben ihre Marken bereits erfolgreich in dieser Region eingeführt.
Die Expansion in osteuropäische Märkte, ob nun durch organisches Wachstum oder durch die Übernahme eines ortsansässigen Unternehmens, macht es notwendig, zu prüfen, was die Marke leistet und wie sie im Markt agiert. Dabei werden beispielsweise Fragen aufgeworfen wie: „Ist es möglich und profitabel, eine Marke ohne Anpassungen auf dem osteuropäischen Markt einzuführen?“, „Was muss berücksichtigt werden, um ein erfolgreiches Rebranding einer übernommenen lokalen Marke zu gewährleisten?“, „Welche Risiken gibt es und wie können sie minimiert werden?“ und „Wie kann man den Markenwert maximieren?“ Rebranding ist keine einmalige Übung, sondern ein konstanter Prozess, der geplant und sorgfältig durchgeführt werden muss. Zur Sicherstellung des langfristigen Erfolgs eines Rebrandings sollten im Wesentlichen vier erfolgskritische Faktoren beachtet werden. Diese sind der Garant für nachhaltiges Wachstum und eine dauerhafte Markenwerterhöhung.
1. Nutzen der Marken-DNA
Bedürfnisse und Anforderungen unterscheiden sich von Markt zu Markt. Die Prinzipien einer starken Marke sollten jedoch durchgängig aufrechterhalten werden. Die DNA einer Marke bietet eine konstante Referenz und sollte daher nicht eingeschränkt, sondern genutzt werden, um den Markenerfolg zu stützen. Die Markenidee, die grundlegende Persönlichkeit der Marke und das Markenversprechen müssen an allen Kontaktpunkten erkennbar sein und in einer Weise präsentiert werden, sodass sich die lokale Zielgruppe angesprochen fühlt und ihre Erwartungen erfüllt sieht. Genau das macht die großen globalen Marken so stark. Ihre Marken-DNA ist weltweit an jedem Kontaktpunkt identifizierbar. Ob man nun bei McDonald’s isst, eine Coca-Cola trinkt, in einem Apple-Store stöbert oder einen BMW fährt – das Erlebnis muss authentisch, differenziert, gleich bleibend und einprägsam sein. Tipp: Startpunkt für ein erfolgreiches Vorgehen sollte sein, dass hinsichtlich der Marken-DNA sowohl Klarheit und Akzeptanz als auch eine breit angelegte organisatorische Ausrichtung bestehen.
2. Erzählen einer relevanten Geschichte
Die erfolgreichsten globalen Marken sind diejenigen, die ihre DNA in einer Weise ausrichten, mit der sie die lokalen Zielgruppen ansprechen. Eine starke, für die lokale Zielgruppe relevante Geschichte ist von entscheidender Bedeutung für den Aufbau einer engeren Kundenbeziehung. Eine Geschichte, die zu weit entfernt von der Zielgruppe ist, wird nie über die Glaubwürdigkeit und Vitalität verfügen, die aus dem vollständigen Eintauchen in den lokalen Markt resultiert. Außerdem beschleunigt eine auf die lokalen Marktbedürfnisse abgestimmte Geschichte den Veränderungsprozess. Sie macht es leichter, die Marken-DNA zu verstehen und als Treiber für den Wandel anzunehmen. Es zeigt, dass eine Marke Teil eines globalen Markensystems ist und sich gleichzeitig den lokalen Zielgruppen und Bedürfnissen anpassen kann. Tipp: Vollständiges Eintauchen in einen lokalen Markt ist das Beste, um sicherzugehen, dass die Markenstory relevant ist. Seien Sie vor Ort, lokale Expertise bewährt sich eher, als aus weiter Ferne den Veränderungsprozess steuern zu wollen.
3. Aufbau persönlicher Beziehungen
Markenaufbau heißt, sowohl das Herz als auch den Verstand von Menschen zu gewinnen. Bei einem Rebranding muss die Überlegung im Mittelpunkt stehen, wie auf all diejenigen, die mit der Marke in Berührung kommen, eine positive Wirkung ausgeübt werden kann. Denn so werden aus Skeptikern Markenbefürworter und langfristig Markenbotschafter der eigenen Marke. Es ist also von größter Bedeutung, dass sowohl interne als auch externe Beziehungen aufgebaut werden, um den Wandel voranzutreiben. Um dies zu erreichen, muss das richtige Team ausgewählt und wichtige Interessenvertreter, die vor Ort regelmäßig präsent sind, mit einbezogen werden. Zudem ist wichtig, sich das Einverständnis und das Engagement des Managements für die neue Marke zu sichern. Das Führungsteam muss diesen Wandel vorleben und ermutigen. Vom Vorstandsvorsitzenden zum Geschäftsführer und vom Marketingleiter zum Teamleiter – alle müssen sich mit der Geschichte identifizieren und sich daran beteiligen, den Weg zu bereiten. Tipp: Organisieren Sie operative Teams, die die lokalen mit den international agierenden Teams vernetzen. Das stellt sicher, dass sich die lokalen Teams vor Ort schnell mit dem Rebranding und der Marke identifizieren.
4. Entwickeln relevanter Angebote
Kunden begeistern sich nicht allein für eine neue Marke, nur weil sie neu ist. Neuheiten führen nicht zu langfristigem und nachhaltigem Unternehmenserfolg. Möglicherweise kommt es zu kritischen Aussagen und Verdächtigungen, vor allem dann, wenn der Verlust einer lokalen Marke als die Aufgabe eines Stückes lokaler Identität wahrgenommen wird. Eine neue Marke muss dem Konsumenten deshalb relevante Angebote und klare Vorteile bieten. Marken brauchen Dinge, die Menschen wollen. Ein Produkt, das zur Erfüllung lokaler Bedürfnisse entwickelt wurde, wird Begeisterung hervorrufen. Es generiert Akzeptanz und vergrößert die Bindung an die neue Marke. Dies alles erreicht man nicht mit Sonderangeboten. Es ist notwendig, die Bedürfnisse der Kunden vor Ort zu erkennen und darauf einzugehen, mit passenden Angeboten und den richtigen Marketingaktivitäten. Tipp: Vorteile lassen sich erzielen, indem das Markenversprechen effektiv genutzt wird, um die Bedürfnisse und Erwartungen der lokalen Kunden zu erfüllen.
Gratulation an die Deutsche Telekom
Eines der weltweit führenden internationalen Telekommunikationsunternehmen expandierte sehr erfolgreich in Osteuropa. Anfang des Jahres 2000 begann die Deutsche Telekom, ausgewählte Telekommunikationsunternehmen im Mobil- und Festnetzsektor in Mittel- und Osteuropa zu akquirieren, und erhöhte in den folgenden Jahren sukzessive ihre Anteile. So wurden zuletzt im Jahr 2008 vom griechischen Anbieter OTE Anteile der Tochterfirmen in Rumänien, Bulgarien, Serbien, Albanien und Armenien erworben. Zwischen 2004 und 2011nahm die Deutsche Telekom erfolgreich das Rebranding von zehn Unternehmen vor und transformierte lokale Helden zu internationalen starken Marken. Mit mehr als 2 000 Shops in elf Ländern gehört die Deutsche Telekom inzwischen zu den größten Telekommunikationsanbietern in Europa.
Anfang Juni wurde der Erfolgsgeschichte der Deutschen Telekom ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Das Magenta T wird in Polen durch das Rebranding von PTC/ERA vergrößert. Mit etwa 38 Millionen Einwohnern ist Polen der größte Markt in Osteuropa. PTC/ERA hat etwa 13 Millionen Kunden und ist damit ein wahrer Marktführer im Bereich Telekommunikation. Die neue Marke wird mit einer groß angelegten Kampagne eingeführt. Auf Produktverpackungen, Flyern, Direct Mailings wie auch Gebäude- und Fahrzeugbeschilderung und allen Verkaufsstellen im Land. Interbrand hat die Deutsche Telekom bei ihren Rebranding-Projekten im Laufe der Jahre begleitet. Eine umfassende Expertise und umfangreiche Kenntnisse über Osteuropa sind das Ergebnis: ob von der Slowakei bis Mazedonien, von Kroatien nach Montenegro oder von Ungarn nach Polen. Die Deutsche Telekom hat die sich bietenden Möglichkeiten dieser Märkte erfolgreich genutzt. Andere Marken, die nach einer Möglichkeit zur Expansion Ausschau halten, sollten ihren Blick nach Osteuropa richten, um Erfolgschancen zu finden. Die Fragen, die eine Antwort verdienen, lauten: „Wie groß ist das Potenzial für Marken in diesen Märkten und wie kann man sie zu einem erfolgreichen Wachstumsmotor für das Unternehmen in diesen Märkten machen?“ Gut geführte Marken haben Chancen, besonders wenn sie gut angelegte Strategien verfolgen. Und Marken haben die Kraft, die Welt zu verändern.
Über die Autorin:
Nina Oswald ist Managing Director Cologne sowie Member of the Interbrand Board Central & Eastern Europe.