Gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern Amelie (5) und Vincent (2) nutzt Florian Vetter seine zweijährige Elternzeit für eine ebenso lange Reise mit dem Camper quer durch Europa. Bislang war die Familie bereits in Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Montenegro und Albanien.
Von unterwegs schreibt Vetter: „Wir stehen mit unserem Camper direkt auf dem Strand, um uns herum Kühe, Schweine, Schafe und Ziegen. Wir durchleben gerade auch eine interessante Transformation von Urlaub zu Alltag. Die ganze Reise ist quasi ein Fulltime-Job, nur anders und nie langweilig.“
Warum tun sich Männer, von finanziellen Fragen einmal abgesehen, noch immer so schwer damit, in Elternzeit zu gehen?
Ansehen spielt eine wichtige Rolle. Es ist immer noch sehr ungewöhnlich, wenn ein Mann mehr als die inzwischen üblichen zwei Monate Elternzeit nimmt. Das erzeugt sozialen Druck, nicht aus dem Raster zu fallen. Ich glaube, dass viele Männer gerne länger in Elternzeit gehen würden, aber Angst vor Stigmatisierung haben. Viele fragen sich: „Kann ich mir das rausnehmen?“
Sie haben sich das rausgenommen und sich als Führungskraft für eine zweijährige Elternzeit entschieden. Wie mutig war das?
Am meisten Sorge hatte ich davor, wie meine Kolleg*innen reagieren würden. Zwei Monate sind wie ein längerer Urlaub. Aber zwei Jahre heißt: Abschied nehmen. Das war schon sehr emotional. Und natürlich habe ich mir auch Gedanken gemacht, wie es nach meiner Rückkehr weitergeht. Ich gehe damit entspannt um und hoffe einfach auf das Beste. Ich bin jeden Tag dankbar für das, was ich jetzt habe, und bereit, dafür bei anderen Dingen Abstriche zu machen.
Wie haben Kolleg*innen und Freunde auf Ihre Entscheidung reagiert?
Von Kolleg*innen und Freunden gab es nur positive Reaktionen. Das war wirklich eine Erleichterung. Was hinter dem Rücken über einen erzählt wird, weiß ich nicht. Aber immerhin sind wir kulturell so weit, dass jemand, der sich daran anstößt, weiß, dass er das besser für sich oder unter Gleichgesinnten behält.
War es für Sie als Führungskraft leichter oder schwerer, in Elternzeit zu gehen?
Nach meinem Verständnis ist man dann eine gute Führungskraft, wenn alles reibungslos weiterläuft, wenn man geht. Nach diesem Grundsatz habe ich von Anfang an Verantwortung an Mitarbeiter*innen übertragen. Das Team macht einen mega Job und kann sich selbst organisieren. Fachlich gesehen fiel es mir daher sehr leicht, Abschied zu nehmen. Menschlich war es sehr schwer. Mit vielen Kolleg*innen entwickelt man tiefere Beziehungen, wenn man durch dick und dünn geht.
Werden Sie nach der Elternzeit in Teilzeit zurückkehren?
Wir wissen noch nicht, wie wir unsere Lebensumstände organisieren wollen, wenn wir zurückkehren. Und was die Enbw mir anbieten kann. Grundsätzlich bin ich dem gegenüber sehr offen eingestellt. Meine Nachbarn haben mir erzählt, dass Führungs-Tandems bei Daimler sehr gut funktionieren. Besonders wenn sie mit komplementären Typen besetzt werden. Warum nicht?
Was wünschen Sie sich von Arbeitgeber*innen, die mit Vätern und deren Elternzeitwünschen „konfrontiert“ werden?
Wer gute Leute will, muss auf deren Bedürfnisse eingehen. Jüngere Generationen haben andere Vorstellungen von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beziehungsweise eine andere Vorstellung vom eigenen Lebensentwurf. Wer darauf nicht eingeht, verliert Zugang zu einem immer größer werdenden Teil des Arbeitsmarkts. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, dass das manche Unternehmen und Manager*innen scheinbar völlig kaltlässt.
Was raten Sie Vätern, die Elternzeit in ihrem Unternehmen „durchsetzen“ wollen?
Zunächst gibt es da Gott sei Dank nichts durchzusetzen. Elternzeit steht jedem zu. Wenn man dabei auf Widerstand oder Unverständnis stößt, wäre das für mich ein klares Signal, mir nach meiner Rückkehr einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Wer seine Leute so vergrault, ist selbst schuld.