Die Stimmung in der Arbeitswelt wird gerade wieder etwas rauer. Immer mehr Unternehmen holen ihre Leute aus dem Homeoffice zurück, die Vier-Tage-Woche birgt offenbar mehr Probleme als geahnt, die „Bild“-Chefredakteurin sucht neues Personal wie dereinst bei Mad Men und der Embrace-Chef fordert eine Lockerung des Kündigungsschutzes. Aus persönlicher Sicht finde ich vieles davon ehrlicherweise sogar richtig, aber das spielt hier gar keine Rolle. Aus journalistischer Sicht ist das alles auf jeden Fall spannend, weil man trefflich über derlei Themen debattieren kann.
Doch starten wir mit einer unumstritten guten Nachricht: Ende Juni hat Bundesgleichstellungsministerin Lisa Paus zum dritten Mal die German Equal Pay Awards verliehen. Damit werden Unternehmen ausgezeichnet, die sich in besonderem Maße für gleiche Bezahlung zwischen Frauen und Männern einsetzen. Preisträger in diesem Jahr sind Barilla Deutschland, Metafinanz Informationssysteme sowie die Oper Leipzig. Barilla gewinnt den German Equal Pay Award laut Jury „für ein konsequentes und transparentes Vergütungskonzept, das den Gender Pay Gap umfassend und nachhaltig bekämpft“. Metafinanz Informationssysteme erhielten den Award für „ein innovatives und nachhaltiges Vergütungssystem, das neue Wege der Transparenz und Mitbestimmung für alle Beschäftigten geht.“ Und die Oper Leipzig hat sich den Award offenbar allein damit verdient, einen Veränderungsprozess eingeleitet zu haben, „um Entgeltgleichheit durchzusetzen, trotz schwieriger Ausgangsbedingungen, wie zum Beispiel zahlreicher unterschiedlicher Vertragstypen sowie eines geringen zur Verfügung stehenden Budgets.“ Bleibt mir an dieser Stelle nichts zu meckern, sondern nur noch zu sagen: Herzlichen Glückwunsch.
„Bild“-Chefredakteurin wirbt mit Fünf-Tage-Woche
Wie weit her es bei der „Bild“-Zeitung mit Equal Pay ist, ist mir ehrlicherweise nicht bekannt. Laut Pro Quote aber ist immerhin der sogenannte Frauenmachtanteil bei Bild seit Mitte 2023 um mehr als fünf Prozentpunkte auf jetzt 36,9 Prozent angestiegen, damit aber noch immer deutlich entfernt von einer Parität. Doch darum geht es hier gar nicht. Es geht um „Bild“-Chefredakteurin Marion Horn, die gerade eine neue Assistenz sucht und dafür – wie sollte es anders sein – zugespitzte und polarisierende Sätze wählt. Auf LinkedIn schreibt Horn: „Ist jemand hier unterwegs (…), der richtig Lust hat, in Zukunft zu allen Verabredungen zu spät zu kommen, oft unfassbar früh aufzustehen und für eine durchgeknallte Chefin zu arbeiten (…)? Ich suche eine neue Assistentin (kann gerne auch ein Mann sein, Alter vollkommen egal), die Spaß daran hat, in einer Redaktion zu arbeiten, die genau weiß, was sie tut, wo es aber nicht immer so aussieht, weil alle immer irgendwie in Eile sind. (…). Wir haben hier eine 5-Tage-Woche, aber so eine Homepage und die dazugehörigen Papierausgaben in der Woche und am Sonntag, das macht auch Arbeiten am Wochenende nötig. Kurzum: Es ist ein bisschen, wie man Redaktionen aus Film und Fernsehen kennt (…).“
So weit, so wenig überraschender „Bild“-Style. Trotzdem frage ich mich, ob Horn glaubt, nur mit dieser allen Wellbeing-Weisheiten entgegenlaufenden Jobbeschreibung geeignete Bewerbende zu finden – oder ob es ihr mit dem Post vor allem um billiges „Bild“-Branding und ein Statement wider die heile Work-Life-Balance-Welt geht.
Auch die “Zeit” sucht Unterstützung
Und weil es so wunderbar passt, hier noch ein anderes Beispiel: Die „Zeit“ sucht gerade eine „Referent:in der Geschäftsführung (m/d/w)“. In der Anzeige dazu heißt es unter anderem: „Um dir das Ankommen und die Orientierung in den ersten Monaten zu erleichtern, begleiten wir dich mit unserem Onboardingprogramm (…). Kommunikation und Austausch werden bei uns großgeschrieben. (…). Dein zukünftiger Arbeitsplatz befindet sich in zentraler Lage mit bester Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr – einen entsprechenden Fahrtkostenzuschuss oder ein Job Rad gibt es natürlich auch. Das ganzheitliche Unterstützungsprogramm ,Employee Assistance Program‘ bietet dir und deiner Familie schnelle und wirkungsvolle Hilfe bei beruflichen und privaten Fragestellungen – auch in besonderen Krisensituationen.“
Immerhin, auch Bild-Chefredakteurin Horn sind Geschlecht und Alter ja offenbar komplett egal. Und wer sagt denn, dass nicht auch eine Unternehmenskultur, deren Arbeitszeiten dazu führen, dass man zu privaten Verabredungen grundsätzlich zu spät kommt, für ein kollektives Wir-Gefühl sorgen kann?
Kündigungsschutz lockern
Apropos „Alter egal“. Embrace-Chef Gero Hesse mischte sich letzte Woche in die Ageism-Debatte mit einem Verweis auf den starren Kündigungsschutz hierzulande ein. „Wenn wir Arbeitskraftmangel haben, wieso verzichten wir dann auf die ÄLTEREN?!“, schrieb er. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sei dies selbstzerstörerischer Wahnsinn. Als einen „zu wenig beachteten Grund“ dafür nennt Hesse das deutsche Arbeitsgesetz: „Es ist in Deutschland nicht einfach, sich von Mitarbeitenden zu trennen.“ Weshalb die meisten Personalabbauprogramme so abliefen: „Erst gehen die jüngeren Hochqualifizierten, die woanders schnell was Neues finden. Dann gehen (…) diejenigen, welche ein paar Jahre später ohnehin in Rente gehen würden: Menschen ab 55. (…). Die Mitarbeitenden außerhalb dieser beiden Gruppen bewegen sich freiwillig eher nicht.“ Hesses Konklusion: „Die Bestqualifizierten und jene mit dem höchsten Erfahrungswissen sind raus.“ Hesses Lösungsvorschlag: „Was im Arbeitgebermarkt sinnvoll und richtig ist zum Schutz der Arbeitnehmer, ist im Arbeitnehmermarkt vielleicht eher kontraproduktiv. Könnten Arbeitgeber im Kontext Kündigungsschutz flexibler agieren, würde sich auf der anderen Seite die Bereitschaft erhöhen, auch ältere Menschen neu einzustellen.“
Ich gebe zu: Auf den ersten Blick habe ich den kausalen Zusammenhang zwischen Lockerung des Kündigungsschutzes und Bereitschaft der Unternehmen, mehr Ältere einzustellen, nicht so ganz verstanden. Also habe ich bei Gero Hesse nochmal nachgefragt. Seine Antwort: „Bei geringerem Kündigungsschutz würden Arbeitgeber das Risiko eher eingehen, ältere Menschen mit mehr Erfahrung, aber auch mit höheren Gehältern einzustellen. Es sollte deutlich leichter sein, sich von Arbeitnehmern zu trennen, wenn die Marktbedingungen so sind, dass diese auch schnell wieder einen vergleichbaren Job finden können.“
Vielleicht liegt Hesse damit sogar richtig. Andererseits. Wenn es stimmt, dass Unternehmen ältere Mitarbeitende mit höheren Gehältern vor allem deshalb nicht neu einstellen, weil sie fürchten, diese in schlechteren Zeiten nicht mehr schnell genug loszubekommen – ist dann die Lockerung des Kündigungsschutzes tatsächlich die beste Lösung? Denn der würde ja auch für die Jüngeren gelten, was die Chancen der Alten nicht wirklich besser machte. Oder bin ich da jetzt gedanklich komplett auf dem Holzweg?
Glaube bloß keinem „People & Culture“-Manager
Und nun, wie fast immer an dieser Stelle, noch etwas Leichtes zum Start in die Woche. Gerade veröffentlichte der e-Recruiting Dienstleister Softgarden eine Studie, die den nicht zu unterschätzenden Konservativismus hierzulande klein, aber fein veranschaulicht. Danach finden fast 89 Prozent der befragten Deutschen den Begriff „Personalabteilung“ am glaubwürdigsten, knapp dahinter kommt mit 80 Prozent „HR-Management“. Die bei „People & Culture“-Manager*innen immer beliebter werdende Bezeichnung „People & Culture“ hingegen empfinden nur knapp 48 Prozent als glaubwürdig.
Redaktionsintern denken wir deshalb jetzt darüber nach, den „Newsletter Work & Culture“ künftig „Nachrichtenbrief Arbeit und Kultur“ zu nennen.
In diesem Sinne: Eine glaubwürdige Woche und bleiben Sie gut drauf.