Mark Jamison führte in der mehrstündigen Befragung durch die 6.Strafkammer unter Vorsitz von Richter Jürgen Bonk aus, dass er über die Rolle von Ruzickas Nachfolger Andreas Bölte in der Media-Affäre erst im Jahr 2008 informiert wurde. Bölte soll die Verdachtsmomente und Vorwürfe gegen seinen damaligen Vorgesetzten Aleksander Ruzicka bereits Ende des Jahres 2004 gekannt haben. Nach eigener Aussage vor Gericht stellte er damals alleine umfassende Recherchen an, beauftragte die Wirtschaftsdetektei Control Risks, beauftragte einen Aegis-Anwalt, und steht hinter der als anonym getarnten Strafanzeige gegen Ruzicka vom 5.Juli 2005. Auch als es am 12.September 2006 zu Hausdurchsuchungen bei Ruzicka, Aegis Media und 12 weiteren Objekten kam, will Bölte auch gegenüber der Konzernleitung in London nicht geäußert haben, dass dies auf seinen Verdachtsmomente basiert. Insgesamt sollen 51,2 Millionen Euro von Ruzicka veruntreut worden sein.
Ruzickas Verteidiger Marcus Traut will aus einer möglichst frühzeitigen Kenntnis der angeblich illegalen Geldflüsse ein Verwirken des Strafanspruchs ableiten. In der Hauptverhandlung war von ersten Verdachtsmomenten bereits Ende des Jahres 2004 die Rede. Wenn die Geldflüsse jahrelang in Kenntnis der Verdachtsmomente erfolgt wären und weder von Aegis Media noch der Staatsanwaltschaft Wiesbaden unterbunden worden wären, hätte das zwar keinen Einfluss auf das Vorliegen einer Untreue. Dafür reicht eine Gefährdung des Vermögens oder Kenntnis einer schwarzen Kasse aus. Es hätte jedoch Einfluss auf die Strafbarkeit der Handlungen als auch auf möglichen Schadenersatz, den Aegis Media versucht geltend zu machen.
Mark Jamison bestätigte ähnlich wie Global CEO Jerry Buhlmann in der Vorwoche, dass Andreas Bölte die Konzernleitung erstmals im Sommer 2007 darüber informiert hat, wer der Urheber der als anonym getarnten Strafanzeigen ist. Jamison bestritt zudem Kenntnis der Treuhandfirma PLV Programm- und Lizenzvermarktungs GbR. PLV war von Ruzickas Vorgänger Kai Hiemstra gegründet worden und wird von Aleksander Ruzicka als Muster für seine Treuhandfirmen angeführt. Hiemstra beschrieb PLV vor Gericht als legitimierte Sparbüchse aus der Geld in die Mediaagentur geflossen sein soll. Die damalige Miteigentümerin Aegis sei informiert gewesen, da man sich sonst sehr schnell dem Verdacht der Untreue ausgesetzt hätte, so Hiemstra im Dezember.
Auf Nachfrage von Ruzickas Verteidiger Marcus Traut räumte Mark Jamison ein, dass das interne Gutachten von Aegis Media zur Aufklärung der Verdachtsmomente ohne Unterstützung einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt wurde. Aegis Media CEO Jerry Buhlmann hatte in der Vorwoche ausgesagt, dass er ein solches internes Gutachten nach den Hausdurchsuchungen im Herbst 2006 in Auftrag gegeben habe. Dieses hätte mit externer Unterstützung keine Auffälligkeiten bei den Geldflüssen von Aegis Media ergeben, so Buhlmann. Ausgerechnet der Aegis-Anwalt, der von Andreas Bölte bereits im Jahr 2005 hinzugezogen wurde, hat dieses Gutachten der Aegis Konzernzentrale in London zur Verfügung gestellt. Ein Gutachten über Vorwürfe, die derselbe Aegis-Anwalt seit dem Jahr 2005 kennen musste, da er sie in Strafanzeigen verpackt der Staatsanwaltschaft Wiesbaden selbst zur Verfügung gestellt hatte.
In der ersten skurrilen Strafanzeige vom 5. Juli 2005 wurde auf Seite 3 bereits ein Schaden in Höhe von 15 Millionen Euro behauptet. In dem internen Gutachten von Aegis Media mehr als ein Jahr später soll laut CEO Jerry Buhlmann jedoch von keinen Auffälligkeiten die Rede sein. Der Aegis-Anwalt sei als neutrale Instanz nach den Hausdurchsuchungen hinzugezogen worden. Aber offenbar im Herbst 2006 in Unkenntnis seiner Rolle im Zuge der Strafanzeigen mehr als ein Jahr zuvor. Die Aegis Konzernleitung habe sich regelmäßig von Andreas Bölte und dem Aegis-Anwalt über die Vorgänge informieren lassen. Jamison sagte auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft weiter aus, dass ihm die mutmaßlichen Schein- und Tarnfirmen Camaco, Watson, Life 2 Solutions und Objektgesellschaft Haideweg 14 bis zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen unbekannt waren.
Am Rande des Prozesses wurde in Wiesbaden bekannt, dass der frühere Geschäftsführer der Werbeagentur ZHP Zoffel Hoff und Partner, Volker Hoff, nicht mehr als Minister der neuen hessischen Landesregierung angehören wird. Über ZHP sollen 9 Millionen Euro mit angeblich veruntreuten Geldern geflossen sein. Gegen Hoffs Mitgeschäftsführer Reinhard Zoffel ermittelt die Staatsanwaltschaft Wiesbaden wegen Beihilfe zur Untreue. Volker Hoff steht nicht auf der Liste der Beschuldigten. Obwohl er vor Gericht, neben umfangreichen Gedächtnislücken, einräumte, dass er bei ZHP für kaufmännische und finanzielle Fragen verantwortlich war.
Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wiesbaden, Hartmut Ferse, verwies gegenüber absatzwirtschaft auf die andauernde parlamentarische Immunität von Volker Hoff. Diese gelte für Volker Hoff auch als Landtagsabgeordneter. Ferse betont: „Die Immunität hat eine zentrale Schutzfunktion im demokratischen System. Sie enthebt allerdings den einzelnen Abgeordneten nicht seiner persönlichen Verantwortung, sich gesetzestreu zu verhalten und kann daher in begründeten Fällen durchaus aufgehoben werden. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden wird dann Ermittlungen gegen Herrn Hoff einleiten, wenn sich ein Anfangsverdacht strafbaren Handelns begründen lässt. Das ist bis heute nicht der Fall. Da die Ermittlungen im Gesamtkomplex noch längst nicht abgeschlossen sind, kann sich das ändern. Zwingend ist das keineswegs.“
Über den Fortgang des Prozesses gehen die Meinungen dem Vernehmen nach auseinander. Während der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk die Beweisaufnahme offenbar für abgeschlossen erachtet und zu den Plädoyers kommen möchte, sieht Ruzickas Verteidiger Marcus Traut keineswegs alle Beweisanträge als erledigt an. Am kommenden Montag könnte Richter Bonk erklären, wie der Prozess fortgesetzt wird. Er hatte zu Jahresbeginn erkennen lassen, dass er bis Ende März ein Urteil sprechen möchte. Aleksander Ruzicka sitzt dann seit 29 Monaten in Untersuchungshaft. –mz