Ein solches Verfahren sollte zwei Bedingungen erfüllen: Es sollte Emotionen valide und praktikabel messen. Und es sollte Emotionen zur Kommunikation und den Effekt der Kommunikation auf das emotionale Erleben der Marke messen.
Emotionale Reaktionen valide und praktikabel messen
Eine Vielzahl empirischer Studien brachten die gleich lautende Erkenntnis, dass sich Emotionen in einem charakteristischen Ausdrucksverhalten äußern. Insbesondere der Gesichtsausdruck erwies sich als universell, also über Personen und sogar über Kulturen weitgehend gleichartig. Damit liefert die Mimik den Schlüssel für eine valide Messung von Emotionen. In der empirischen Emotionspsychologie gilt konsequenterweise die Messung des Ausdrucksverhaltens als der Ansatz, der am meisten Erfolg verspricht. Als Standards in der Emotionspsychologie haben sich zwei Messverfahren etabliert:
- Beobachtung: Geschulte Beobachter beurteilen das Ausdrucksverhalten, häufig wird ein Beobachter-Team eingesetzt.
- Registrierung: Die Mimik wird apparativ aufgezeichnet und mittels komplexer Algorithmen ausgewertet.
Beide Messverfahren haben den Nachteil, dass sie kaum praktikabel sind für die Marktforschung: Ein Team geschulter Beobachter wie auch eine aufwendige apparative Aufzeichnung sind schlichtweg zu teuer, und oftmals bleibt die Mimik ohnehin verborgen, wie zum Beispiel bei Online-Befragungen. Fazit: Valide, aber kaum praktikabel. Die Marktforschung versucht deshalb in der Regel einen praktikableren Weg zu gehen. Weil die Kommunikationsforschung meistens per Befragung erfolgt, liegt es nahe, Emotionen per Verbalisierung zu messen. Typisch ist eine Liste von Adjektiven oder Aussagen.
Verbalisierung impliziert jedoch ‚Rationalisierung’ und gilt deshalb als weniger geeignet für die Messung von Emotionen. Auch ist es für Befragte schwierig oder gar unmöglich, ihre Gefühle ohne Hilfestellung auszudrücken. Fazit: Praktikabel, aber nicht unbedingt valide. Die Emotions-Messung in der Marktforschung steckt also in einem Dilemma: Die Messansätze der Emotionspsychologie gelten zwar als valide, sind aber kaum praktikabel. Dagegen ist eine simple Verbalisierung von Emotionen zwar praktikabel, gilt aber als weniger valide.
Ein Ausweg aus dem Dilemma würde darin bestehen, das universelle Ausdrucksverhalten von Emotionen zu nutzen, ohne den Gesichtsausdruck des Befragten selbst sehen zu müssen. Einen solchen Lösungsansatz verfolgt Ipsos ASI: Das emotions-typische Ausdrucksverhalten wird als ‚Emoticon’ visualisiert. Ein ‚Emoticon’ ist ein Cartoon, der das emotions-typische Ausdrucksverhalten (über)zeichnet, und so die jeweilige Emotion prägnant und eindeutig charakterisiert. Diese Visualisierungen werden durch Adjektive ergänzt. Die Befragten äußern ihre Gefühle per Zuordnung zum entsprechenden ‚Emoticon’. Strukturiert und lokalisiert man die ‚Emoticons’ nach ihrer Ähnlichkeit, erhält man die Landkarte der Emotionen. Auf dieser Landkarte lassen sich nicht nur spezifische Emotionen lokalisieren; auch lassen sich die emotionale Reaktionen verorten auf den Dimensionen positiv-negativ und aktiv-passiv.
Emotionen zur Kommunikation und den Effekt der Kommunikation auf das emotionale Erleben der Marke messen
Verfügt man über ein valides und praktikables Verfahren zur Emotions-Messung, dann ist die Messung der emotionalen Reaktionen auf die Kommunikation vergleichsweise einfach: Man muss lediglich das Werbemittel zeigen und die ausgelösten emotionalen Reaktionen messen. Vergleicht man dieses Ergebnis zusätzlich mit Normen aus Datenbanken, weiß man, wie das Werbemittel im Vergleich zu anderen abschneidet.
Allerdings investieren Unternehmen nicht in Marken-Kommunikation, um den Zuschauern einen schönen Fernsehabend zu bescheren, sondern um etwas für die Marke zu tun. Deshalb sind Emotionen zur Werbung bestenfalls der Weg, jedoch nicht das Ziel. Die entscheidende Frage für den Kommunikations-Erfolg lautet vielmehr: Welchen Unterschied macht die Kommunikation für die Marke? Wird die Marke tatsächlich entsprechend der strategischen Positionierung emotional aufgeladen?
Die Messung des Effektes auf das emotionale Erleben der Marke steht vor einer besonderen Herausforderung: Jede Marke ist anders und hat ein individuelles Ausgangsniveau. Aus diesem Grund genügt es nicht, die Emotionen zur Marke nach Werbekontakt zu messen – man muss auch das Ausgangsniveau der jeweiligen Marke kennen, um den Effekt zu bestimmen. Aus demselben Grund führt hier der Vergleich mit allgemeinen, markenübergreifenden Normen in die Irre.
Wie also den Effekt auf die Marke messen? Als ideale Lösung gilt in der empirischen Sozialforschung das Experiment. Dabei werden zwei Gruppen verglichen, die eine Gruppe mit Werbekontakt, die andere Gruppe ohne Werbekontakt. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen ist der Effekt der Werbung auf die Marke. Grundsätzlich gibt es zwei Arten experimentellen Designs:
- Testzelle versus Kontrollzelle: Unterschiedliche Personen werden befragt, die einen mit und die anderen ohne Werbekontakt.
- Vorher-Nachher-Messung: Dieselbe Person wird zweimal gefragt, vor und nach Werbekontakt.
Bei Pre-Tests eignen sich theoretisch beide Designs gleichermaßen, um den Effekt auf das emotionale Erleben der Marke zu messen. Jedoch sprechen praktische Gründe zumeist gegen das Pre-Post-Design: Die Vorher-Messung kann die Messung der Durchsetzungsstärke beeinträchtigen, und darüber hinaus die Antworten auf offene Fragen beeinflussen. Aus diesen Gründen eignet sich bei Pre-Tests meist nur der Testzell-Kontrollzell-Ansatz. Allerdings erfordert die Kontrollzelle zusätzliche Investitionen in die Marktforschung.
In Trackings eignet sich der Testzelle-Kontrollzell-Design weniger– schließlich kann man nicht den Zufall darüber entscheiden lassen, wer Werbung sieht und wer nicht, denn darüber entscheidet der Mediaplan und nicht das Marktforschungsinstitut. Hier kommt zumeist nur die Vorher-Nachher-Messung in Frage. Allerdings bietet dieses Design ohne zusätzliche Kontrollzelle genau genommen nur ein ‚unvollständiges’ Experimentell, weil während der Kampagne auch andere Einflüsse wirksam werden, wie zum Beispiel die Aktivitäten von Wettbewerbern. Dann schlägt die Stunde für Zeitreihenanalysen.
Zusammenfassung
Die Messung von Emotionen in der Marktforschung steckt in einem Dilemma. Auf der einen Seite steht die valide Messung des Ausdrucksverhaltens aus der Emotionspsychologie, die aber wenig praktikabel ist. Auf der anderen Seite steht die Verbalisierung von Gefühlen, die ein rationalisierendes Antwortverhalten provozieren kann. Einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma weist Emoti*ScapeTM: Auf dieser ‚Landkarte der Emotionen’ visualisieren ‚Emoticons’ das emotions-typische Ausdrucksverhalten. Dadurch können die Befragten ihre Gefühle äußern, ohne ihre Gefühle selbst zur Schau stellen zu müssen.
Auch die Messung des Effektes der Kommunikation auf das emotionale Erleben der Marke stellt hohe methodische Ansprüche. Denn jede Marke ist anders und hat ihr spezifisches Ausgangsniveau. Deshalb kann nur ein Experiment beweisen, wie die Werbung auf die Marke wirkt. In Pre-Test und Tracking empfiehlt sich in der Regel ein anderes experimentelles Design. Wie gut oder wie schlecht ein Messverfahren ist, darüber entscheidet letztlich die prognostische Validität des Verfahren. Erste Analysen der neuen Emoti*ScapeTM-Datenbank belegen die hohe Relevanz von Emotionen für den Werbeerfolg.
Über den Autor: Dr. Michael Jaekel ist Division Manager für Product Development & Engineering bei Ipsos ASI in Deutschland. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Entwicklung und Implementierung neuer Solutions in der Kommunikationsforschung.
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