Von Armin Hingst
„Wir sind seit fast 120 Jahren Bonbonmacher. Wenn wir etwas können, dann ist es, Bonbons herzustellen“, beschreibt Marketingleiterin Melanie Schneble das Familienunternehmen Soldan/Em-eukal. Doch sehr früh war den damaligen Unternehmenslenkern klar, dass die Bekanntheit der Hauptmarke Em-eukal mit den weit verbreiteten Hustenbonbons nicht für immer und ewig hält. Bereits 1972 ergänzte daher Kinder Em-eukal das Portfolio. Statt nach den namensgebenden Inhaltstoffen Menthol („Em“) und Eukalyptus („eukal“) schmeckte die Kindervariante nach Wildkirsche. 2005 wechselte die Geschäftsführung des Familienunternehmens, Perry Soldan übernahm in vierter Generation. „Er setzte noch mehr auf Innovation“, berichtet Schneble. Weitere neue Sorten, ein kompletter Markenrelaunch und neue Akzente im Vertrieb sicherten die Marktführerschaft im damaligen Hauptvertriebskanal Apotheken. Und öffneten die Tür für zusätzliche Vertriebskanäle.
„Der klassische Bonbonkäufer ist eher alt“
Bis dann vor wenigen Jahren neue Herausforderungen das Unternehmen auf die Probe stellten, wie Schneble erläutert. Zum allgemein rückläufigen Bonbonmarkt seien weitere Entwicklungen hinzugekommen, sagt sie. „Der klassische Bonbonkäufer ist eher alt, nur 44 Prozent der Käufer sind unter 50. Unser Ziel ist daher, die Warengruppe Bonbons für eine jüngere Zielgruppe zu stärken. Denn der Nachwuchs wird sein Verbraucherverhalten vermutlich mit ins höhere Alter nehmen.“ Zudem sind klassische Bonbons nichts für die schnelllebige Moderne. Wer sie nicht zerbeißt, braucht schon einmal zehn bis zwanzig Minuten dafür. Der heute oft gewünschte schnelle Genuss stelle sich so nicht ohne weiteres ein, weist Schneble auf veränderte Gewohnheiten bei jüngeren Verbrauchern hin. „Um die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens zu sichern, brauchten wir ein zweites Standbein.“
Produktlücke gefunden und getroffen
Das sollte kein ganz neues Label sein, denn „mit Em-eukal haben wir eine bekannte, starke Marke, deren Potenzial wir nutzen wollten“, betont Schneble. Die Kraft der Marke beruhe auf dem Zusammenspiel zwischen Geschmack und Wirkung und genau hier ging das Produkt-Entwicklungsteam auf die Suche. „Wir haben dazu den Blick über die Bonbonschale hinaus geworfen“, beschreibt Vanessa Brech, Marketing und Vertrieb Em-eukal Gummidrops, die ersten Schritte. Dabei stellten die Hustenbonbonspezialisten fest, dass sozusagen in der Nachbarschaft ein doppelt so großer Markt zu finden ist, dessen Kunden deutlich jünger sind: die Fruchtgummis. Dort liegt der Fokus auf „lecker“, während Hustenbonbons auch „wohltuend“ sein sollen. Im Sowohl-als-auch entdeckte das Em-eukal-Team dann die Lücke, die passte. „Dort gab es noch keinen nennenswerten Markenhersteller, der das Potenzial für sich entdeckt hat“, resümiert Brech die Analyse. Gut für Em-eukal, denn das bot Platz für das neue Konzept zur Markendehnung in den Fruchtgummi-Bereich: „Der wohltuende Kaugenuss“ sollte all die Konsumenten überzeugen, denen das Bonbonlutschen zu langsam ist.
Die passenden Produkte dazu hatten natürlich besondere Anforderungen zu erfüllen, wie Brech erläutert: „Es muss schmecken, das ist klar. Aber es muss auch der Em-eukal typische Zusatznutzen vorhanden sein.“ Ohne hochwertige, natürliche Zutaten ist das nicht zu machen. Also enthalten die neuen Gummidrops ebenfalls wertvolle ätherische Öle und Extrakte und nutzen nur natürliche Aromen und Farben. Den Anfang machten 2014 drei Sorten, abgeleitet aus ihren Bonbon-Schwesterprodukten: Eukalyptus-Menthol, Ingwer-Orange, Anis-Fenchel. Ein Jahr später kombinierte Wildkirsche-Salbei gleich zwei Bonbongeschwister zum Gummidrops-Bruder. Alles verpackt im wiederverschließbaren Beutel und dekoriert mit der weiß-roten Em-eukal Fahne, dem Erkennungszeichen der Marke.
Jüngere Konsumenten kaufen in Drogeriemärkten
Damit die neuen Produkte auch möglichst schnell unter die richtigen Leute kommen, hat Em-eukal zwar die bewährten Vertriebsschienen genutzt, aber den Fokus von der Apotheke Richtung Drogeriemärkte und LEH verschoben, weil dort auch jüngere Konsumenten unterwegs sind. Dank der neuen Kategorie gab es für die Marke neuen Regalplatz, den Em-eukal aber so nutzte, dass die Gummidrops in den Bonbonbereich gehängt wurden. Der Grund leuchtet ein. Melanie Schneble: „So konnten wir ein Preispremium halten, denn der Kampfpreis pro Beutel in der Fruchtgummi-Abteilung liegt bei unter einem Euro.“ Die Em-eukal Gummidrops kosten hingegen 1,69 Euro (UVP).
Natürlich verließ sich Dr. C. Soldan nicht nur auf die optimierte Regalplatzierung. Zahlreiche Aktionen am POS, unter anderem Mono-Displays zur Einführung, flankierten die neue Präsenz. PR-Maßnahmen und eine TV-Kampagne sorgten für die öffentliche Wahrnehmung der neuen Submarke. „Wir waren zuvor zehn Jahre lang nicht im TV“, begründet Schneble den Schritt, „wenn man jedoch in eine neue Kategorie geht, braucht man größere Medienpräsenz.“ Inhaltlich beschränkte sich die Marke dabei auf eine einfache Botschaft: „Das klassische Em-eukal gibt es jetzt auch zum Kauen.“
Die Botschaft kam an, denn während der Umsatz im Hustenbonbonmarkt zwischen Oktober 2015 und Oktober 2016 um über drei Prozent schrumpfte, konnten die Produkte von Dr. C. Soldan um fast zwei Prozent zulegen. Fast alle Hauptwettbewerber hingegen mussten Einbußen hinnehmen. Innerhalb kurzer Zeit sind die neuen Em-eukal Gummidrops zu einem festen Bestandteil der Marke geworden, sie machen schon jetzt 13 Prozent des Gesamtumsatzes aus.