Elon, der Markenzerstörer

Nachhaltige Unternehmensführung ist seine Sache nicht: Elon Musk zerstörte schon die Kultmarke Twitter, nun wird es wohl Tesla treffen. Es ist eben nicht immer von Vorteil, wenn Unternehmer eine Haltung haben. Bei der neuen Initiative Made by Vielfalt aber schon.
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Was der Marke Tesla jahrelang gutgetan hat, wird nun zum Boomerang. (© Unsplash)

Elon Musk tut derzeit wahrscheinlich mehr für den Absatz chinesischer E-Autos als alle Marketingprofis der fernöstlichen Automotive-Branche zusammen (die deutsche Autobranche lassen wir mal außen vor, denn die besinnt sich ja offenbar wieder auf Verbrenner): Mit Gepöbel, Hetze und Trump-Interview – nein, Entschuldigung, man sollte diesen Buddy-Talk nicht Interview nennen – auf seiner Plattform X hat sich der einst als geniale Innovator gefeierte Entrepreneur komplett disqualifiziert. Was der Marke Tesla jahrelang gutgetan hat – die enge Verbindung zu ihrem Gründer, in Marketing-Sprech also das CEO-Branding – wird zum Boomerang.   

Im ersten Quartal 2024 brachen die Verkäufe von Tesla-Fahrzeugen weltweit um neun Prozent ein. Das mag an der starken Konkurrenz aus China liegen – wohl aber auch am Mann an der Spitze. Wer will schon ein Auto von einem Typen fahren, der über den „Woke Mind Virus“ schwafelt, zu Gewalt aufruft und einen Bürgerkrieg in Großbritannien prognostiziert? Die eher liberale gesinnte E-Auto-Gemeinde in Deutschland jedenfalls dürfte unter einer ausgeprägten „Post-Purchase Dissonance“ leiden, also unter dem unschönen Zweifel, ob die getroffene Kaufentscheidung wohl wirklich die beste war.  

Nun wollen und fordern wir ja gerne alle, dass Unternehmen Haltung beweisen – im Fall von Elon Musk ist es aber die falsche, was umso bedauerlicher ist als er mit rund 244,8 Milliarden US-Dollar der reichste Mensch der Welt und zudem mit einem eigenen Social Network ausgestattet ist. Es bleibt zu hoffen, dass die EU mittlerweile so sauer auf ihn ist – Elons letzte Botschaft an EU-Kommissar Thierry Breton enthielt ein Meme mit dem Text „And literally, fuck your own face!“ – dass sie hoffentlich sehr genau hinsieht, dass X den Digital Services Act einhält. 

Keine Worthülsen kommunizieren

urück zur Haltungsfrage: „Angestellte, vor allem die jüngeren, möchten von ihren Arbeitgebern mehr als nur ein Gehalt. Sie erwarten, dass Unternehmen ihre Haltung bei bestimmten Themen publik machen, und konkrete Maßnahmen ergreifen zum Umweltschutz und zu sozialen Belangen – zum Teil fordern sie dies sogar ein“, schreibt die Wissenschaftlerin Alison Taylor in der lesenswerten Titelgeschichte des aktuellen Harvard Business Manager Populismus in Unternehmen. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“

Mitarbeitende würden heute eher Alarm schlagen, wenn es darum gehe, was ihre Arbeitgeber in Bezug auf Klimawandel, Rassismus oder politische Konflikte unternehmen oder nicht unternehmen. Taylors Rat, mal ganz verkürzt: nicht zu allem Stellung nehmen, Mitarbeitende einbeziehen und schulen, keine Worthülsen kommunizieren.  

Danke, deutsche Familienunternehmen! 

Ob die mehr als 40 deutschen Familienunternehmen, die hinter der am Montag gestarteten Kampagne Made in Germany  – Made by Vielfalt stehen, diese Kriterien berücksichtigt haben, weiß man nicht. Aber es ist gut zu wissen, dass sich Vorwerk, Miele, Dräger, Oetker & Co. explizit mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg für Toleranz und Offenheit in der Gesellschaft aussprechen. „Gerade in krisenhaften Zeiten ist es wichtig, dass sich Unternehmen engagieren. Mit der Initiative deutscher Familienunternehmen möchten wir Impulse setzen und mehr Unternehmen dazu motivieren, Haltung zu zeigen“, sagt Dr. Timm Mittelsten Scheid, Initiator der Kampagne und Beiratsmitglied der Vorwerk-Gruppe.  

Übrigens stellen die Autoren des vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung herausgegebenen Papers “Germany still divided? Die Sicht der Unternehmen auf die AfD im ost- und westdeutschen Vergleich” fest, dass sich nicht einmal fünf Prozent der Unternehmen als eindeutige Unterstützer der rechtspopulistischen Partei einordnen lassen. „Demgegenüber erhebt jedes zweite westdeutsche und 29 Prozent der ostdeutschen Unternehmen öffentlich die Stimme gegen die Partei. Hinzu kommen weitere 15 Prozent im Westen und 19 Prozent im Osten, die sich intern gegen die Partei aussprechen.“  

Hier wünscht man sich – ganz anders als bei Elon Musk –, dass die Haltung der Unternehmen auf das Wahlverhalten der Mitarbeitenden abstrahlt.  Apropos: Während ich an diesem Text bastele, lese ich die Nachricht, dass Donald Trump Elon Musk im Falle des Wahlsieges in sein Kabinett holen will. Dazu gibt es bereits einen wunderbaren Text im Spiegel.  

Ins Bewusstsein gesickert 

Auch, wenn man manchmal meint, die Welt entwickele sich zurück (die Fluglinie Wizz Air bietet jetzt ein All you can fly-Angebot und die FDP legt ein Pro-Auto-Programm vor), gibt es einen unbestechlichen Indikator dafür, was ins Bewusstsein der Menschen in Deutschland gesickert ist: die Sprache.  

Die Duden-Redaktion hat am Montag ihre überarbeitete Auflage vorgestellt, zu den rund 3000 neuen Stichwörtern zählen: Klimakleber, Balkonkraftwerk, Deutschlandticket, Dürresommer, Extremwetterereignis und Fleischersatz … ok, und wieder zurück ist der: Hackenporsche (garantiert kein Verbrenner!). 

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“