El Origen Food: „Marketing wie Lateinamerika“

El Origen Food wurde beim Marken-Award 2021 vom Publikum zum Sieger der TikTok-Challenge gekürt. Gründer Mathyas López Redetzki erklärt im Interview, wie das Start-up mit Snacks aus Kochbananen und Maniok die Gaumen der Deutschen erobern will.
Mathyas López Redetzki von El Origen: "Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA" (© El Origen)

Herr López, El Origen macht Snacks mit Kochbananen und Maniok, die aus Ecuador stammen. Wie wollen Sie damit Konsumenten im Kartoffel-Chips dominierten Deutschland überzeugen?

MATHYAS LÓPEZ REDETZKI: Kochbananen und Maniok sind sehr beliebte Grundnahrungsmittel in vielen Ländern Lateinamerikas. In Deutschland und Europa sind die Produkte weitestgehend unbekannt, was für uns eine großartige Chance ist. Wir haben Konsumenten in Deutschland als sehr offen kennengelernt, wenn es darum geht, neue Produkte auszuprobieren. Allen voran muss aber der Geschmack überzeugen, sonst kaufen die Kunden unser Produkt nur ein einziges und kein weiteres Mal.

Wie kommen Ihre Produkte bisher an?

Wir haben unser Start-up im August 2019 gegründet. Der erste Container mit Ware kam im Januar 2020 in Hamburg an. Wir hatten dann einen sehr guten Start in Bio-Märkten und Drogerien und konnten anschließend auch schnell im Lebensmitteleinzelhandel Erfolge feiern. Insgesamt sind wir mit den Listungen im Handel in unseren ersten eineinhalb Jahren sehr zufrieden, da wir darüber in der kurzen Zeit schon viele Märkte für uns gewinnen konnten.

El Origen ist unmittelbar vor dem Start der Corona-Krise auf den Markt gekommen. War die dann folgende Pandemie-Zeit eher ein Vor- oder ein Nachteil für Sie?

Das ist eine interessante Frage. Denn im Grunde kennen wir ja gar kein Business ohne Corona-Einfluss. Wir haben festgestellt, dass es während der Pandemie unterschiedliche Konsumphasen gegeben hat. Zu Zeiten der härteren Lockdowns haben sich die Konsumentinnen und Konsumenten beispielsweise eher mal etwas beim Einkaufen gegönnt und sind von ihren sonstigen Routinen abgewichen. Das dürfte uns eher bestärkt haben.

Und was hat Sie eher geschwächt?

Wir hatten enorme Herausforderungen vom Vertrieb bis zur Produktkommunikation. Schließlich mussten wir es zum einen trotz Pandemie schaffen, als unbekannte Marke ohne beispielsweise Auftritte auf Messen Gehör im Handel zu finden. Zum anderen war und ist die Situation in Lateinamerika durch Corona sehr kompliziert. Unsere gesamte Lieferkette stand zwischenzeitlich sehr unter Druck, teilweise gab es nur geringe Mengen an für den Export verfügbaren Waren.

Wie unterscheiden sich die deutschen Konsumenten von denen in anderen Märkten, in denen El Origen aktiv ist?

Wir haben unseren Fokus in der DACH-Region und sind aktuell insgesamt in sechs Märkten aktiv. Die Geschmäcker sind in manchen Ländern sehr unterschiedlich. Während in Deutschland beispielsweise Kochbananen-Chips besser funktionieren, ist es in Frankreich die Maniok-Variante. In Frankreich besteht darüber hinaus deutlich mehr Bereitschaft in der Gesellschaft, für qualitativ hochwertige Lebensmittel mehr Geld auszugeben. In Deutschland wollen wir zwar auch hochwertige Produkte, aber gleichzeitig auch niedrige Preise.

Was charakterisiert die typische Zielgruppe, an die sich die Produkte von El Origen hauptsächlich richten?

Wir sprechen eine junge, experimentierfreudige Zielgruppe an, die offen für neue Produkte ist und Lust auf authentische, lateinamerikanische Geschmackserlebnisse hat. Das sind zum Beispiel Snack-Liebhaber, die immer wieder spannende Alternativen zu klassischen Chips suchen oder Maniok und Kochbanane schon auf Reisen kennen- und liebengelernt haben. Gleichzeitig richten wir uns an Käufer, die am bewussten Konsum interessiert sind und Wert auf natürliche Inhaltsstoffe und Bio-Qualität legen.


El Origen Food wurde 2019 in Hamburg gegründet. Co-Gründer Gordon Prox widmet sich abseits des Start-ups mit seinem Youtube- und Instagram-Kanal „vegan ist ungesund“ der Aufklärungsarbeit im Bereich Tierschutz und veganer Ernährung. Der gebürtige Mexikaner Mathyas López Redetzki, der viele Jahre in der Werbebranche tätig war, hat durch seine Herkunft einen starken Bezug zu Lateinamerika.


El Origen setzt auf fairen Handel sowie auf vegane und palmölfreie Produkte in Bio-Qualität. Für die Produktion der Chips arbeiten Sie direkt mit Kleinbauern in Ecuador zusammen. Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit für Sie?

Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA – und zwar in all ihren Facetten. Wir möchten sowohl im Herkunftsland Ecuador etwas Gutes bewirken als auch unserer Zielgruppe Produkte bieten, die man mit gutem Gewissen snacken kann. So setzen wir zum Beispiel auf „direct trade“, sprich: Für die Produktion unserer Chips arbeiten wir direkt mit kleinen Bauern-Kooperativen zusammen und tragen somit zu fairen Arbeitsbedingungen und Löhnen bei. Zudem verwenden wir ausschließlich bio-zertifizierte Ware, um unseren Anteil zum Schutz der wertvollen Amazonasregion leisten zu können. Denn dadurch gelangen beispielsweise keine Pestizide in die Böden. Darüber hinaus kompensieren wir auch die CO2-Emissionen, die durch den Transport unserer Produkte nach Europa verursacht werden.

Warum gerade Ecuador?

Ich würde es etwas weiter fassen: Wir sind ein Hamburger Start-up mit einem lateinamerikanischen Herzen. Wir haben jetzt einfach in Ecuador mit unserem Ansatz angefangen. Über allem steht aber das Ziel, dass wir lateinamerikanische Geschmäcker nach Europa bringen wollen. Unsere Reise hat gerade erst begonnen und wir möchten künftig unser Netzwerk zu weiteren Produzenten in anderen Ländern erweitern. Zu Lateinamerika habe ich aufgrund meiner Herkunft eine spezielle Verbindung: Ich bin in Mexiko geboren und aufgewachsen.

Was haben Sie in der Lieferkette vom Produzenten in Ecuador über die Biozertifizierungsstelle bis zum Dienstleister für Transport und Logistik am meisten lernen müssen?

Wie viel Zeit haben Sie? Wir hatten und haben so viele Herausforderungen und Learnings, dass ich darüber wohl stundenlang erzählen könnte. Ich glaube, es zeichnet uns aus, dass wir offen für Veränderungen sind. Und wir lassen uns von Experten helfen. Denn ursprünglich komme ich aus der Werbebranche und mein Mitgründer Gordon Prox aus dem Vertrieb. Für uns war die Lebensmittelbranche ein komplett neues Terrain, da mussten wir uns sehr viel Rat von außen holen und zudem sehr offen für Fehler und konstruktive Kritik sein.

Wie schaffen Sie es, dass Profit und Nachhaltigkeit bei El Origen kein Widerspruch sind?

Der deutsche Markt ist preissensibel. Aber es gibt mittlerweile auch viele Konsumenten, die sehr viel Wert auf Bio-Produkte und faire Lieferketten legen. Wir spüren, dass Produkte zunehmend ganzheitlicher betrachtet werden – und das spielt uns sehr in die Karten.

Mit welchen Marketingmaßnahmen wollen Sie sich nun einen festen Platz im Handel sichern?

Wir arbeiten sehr hart dafür, dass unsere Produkte bei weiteren Händlern gelistet werden. Der Handel ist für uns extrem wichtig, da unsere Produkte in der Regel impulsgetrieben gekauft werden. Neben dem Bemühen um Regalplätze im Handel ist unsere Marketingstrategie wie Lateinamerika: lebhaft, bunt und voller guter Laune.

Was heißt das?

Die Corona-Pandemie hat uns häufig zum Umplanen gezwungen. Unser ursprünglich definiertes Marketingbudget war beispielsweise stark auf Messen ausgerichtet. Hier mussten wir nachjustieren und haben anteilig mehr auf digitale Kanäle gesetzt. Wir versuchen dabei, sowohl unsere Werte als auch die Produkt-Benefits zu kommunizieren.

Auf welche digitalen Kanäle setzen Sie?

Wir probieren wie bei unseren Produkten auch hier gern etwas aus. Social Media haben dabei einen besonderen Stellenwert, weil wir dort unsere Zielgruppen am besten erreichen können.

Bei Facebook und Instagram hat El Origen zusammen rund 11.500 Follower, während der TikTok-Account zum Zeitpunkt des Gewinns der absatzwirtschaft-Challenge noch in den Kinderschuhen steckte. Auf welche Kanäle werden Sie sich künftig fokussieren?

Unser größter Fokus liegt auf Instagram. Facebook ist, was die Interaktion mit den Inhalten angeht, nicht so stark. Aber über Anzeigen und Werbung lassen sich auch dort kaufkräftige Zielgruppen erreichen. Bei TikTok sind wir in der Tat noch am Anfang. Da überlegen wir, abhängig von unseren Erfahrungen, perspektivisch noch tiefer einzusteigen.

Welche unternehmerische Vision haben Sie für El Origen?

Wir hatten einen guten Start in einer schwierigen Zeit und stehen noch ganz am Anfang einer längeren Reise. Wir wollen es schaffen, dass die Menschen, die Interesse an lateinamerikanischen Produkten haben, direkt an uns denken. Innerhalb der einzelnen Märkte gibt es noch riesiges Wachstumspotenzial für uns und unsere Produkte. Darüber hinaus wollen wir auch Aufklärungsarbeit leisten und dabei mithelfen, das wirtschaftliche System neu zu denken. Wir glauben fest daran, dass jede und jeder Einzelne eine unheimliche Kraft hat, die er oder sie mit jeder einzelnen Kaufentscheidung zur Geltung bringen kann. Hinter jedem Produktkauf hängt eine ganze Reihe an weiteren Themen – und wir wollen dazu beitragen, dass Menschen mit ihren Kaufentscheidungen etwas Gutes bewirken.

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.