Fällt ein Produkt bei Greenpeace durch, weil Giftstoffe enthalten sind, oder kritisiert Foodwatch irreführende Werbung der Nahrungsmittelindustrie, kann das einen erheblichen Imageschaden für ein Unternehmen bedeuten. Für ihre Studie „Zwischen Konfrontation und Kooperation: Eine empirische Analyse der Rolle von NGOs aus Unternehmensperspektive“ befragten Wissenschaftler am Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes mehr als 200 Unternehmen über ihre Erfahrungen und Erwartungen im Umgang mit NGOs.
Unternehmensgröße als Angriffskriterium
Rund die Hälfte der Unternehmen geht davon aus, dass in Zukunft Konflikte mit NGOs häufiger vorkommen werden. Die Wirtschaftswissenschaftler haben daher auch untersucht, wie anfällig bestimmte Marken und Branchen für Angriffe von NGOs sind. Ergebnis: Aus Sicht der Wirtschaft sind die Bekanntheit und Größe eines Unternehmens wichtiger für Angriffe seitens der NGOs als zum Beispiel ein vorhandenes schlechtes Image. „Das Ziel besteht darin, zum einen die großen Unternehmen in ihren Handlungsweisen zum Umdenken zu bewegen, zum anderen Missstände dort zu adressieren, wo eine hohe verbraucherseitige Bekanntheit vorliegt“, erklären die Autoren.
Am wenigsten anfällig für NGO-Kritik sind laut der Studie Unternehmen mit einer jungen Zielgruppe. Nur sechs Prozent der befragten Unternehmen sehen diese Firmen durch eine Kampagne gefährdet. Decken NGOs hier dennoch Missstände auf, kann das bei diesen Firmen allerdings schwerwiegende Folgen haben. Denn gerade diese Zielgruppe verfügt durch den Einsatz von sozialen Medien wie Facebook und Twitter über eine sehr hohe Vernetzung.
Dialog suchen und Missstände beseitigen
Durch die unmittelbare Durchschlagskraft, die ein NGO-Angriff haben kann, wird es auch für Unternehmen immer wichtiger, richtig zu reagieren. Berechtigte Kritik nehmen die Unternehmen sehr ernst, wie sie im Rahmen der Befragung betonten. Gut 90 Prozent gaben an, als Reaktion auf die Kritik den Dialog zu suchen und die Missstände zu beseitigen. Eine offensive Gegendarstellung, eine Klage oder sogar ein Gegenangriff ist hingegen für die Wenigsten eine Option im Fall einer berechtigten Kritik.
Fühlt sich ein Unternehmen jedoch zu Unrecht angegriffen, fällt die Reaktion schärfer aus. Ein Viertel der Firmen sieht dann eine Klage als Mittel der Stunde. Etwa die Hälfte der Unternehmen würde in diesem Fall die PR-Arbeit intensivieren. Und fast 70 Prozent gehen in die Offensive und veröffentlichen Gegendarstellungen. Dennoch bleiben die Unternehmen auch hier gesprächsbereit. Rund 80 Prozent gaben in der Studie an, auch im Fall eines als ungerechtfertigt wahrgenommenen Angriffs den Dialog zu suchen.
Präventive Zusammenarbeit
Damit es erst gar nicht zu Reaktionen kommen muss, setzen Firmen verstärkt auf Prävention. Gut die Hälfte sieht tendenziell in der Zusammenarbeit mit NGOs eine Strategie, um Ärger aus dem Weg zu gehen. „Durch ökologisches und soziales Engagement werden Unternehmen als ‚good citizens’ wahrgenommen, wobei die daraus resultierende positive Reputation dazu beitragen kann, weniger in den Fokus konfrontativer NGOs zu geraten beziehungsweise Kampagnen abzumildern“, heißt es in der Saarbrücker Studie. Die Unternehmen versuchen durch derartige Kooperationen jedoch nicht nur, Konfrontationen mit NGOs zu vermeiden, sondern auch gesellschaftliche Trends aufzuspüren beziehungsweise nachhaltigere Geschäftspraktiken zu implementieren, um somit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu erlangen.