SpOn-Sportredakteur Peter Ahrens beobachtet eine „tief sitzenden Misstrauen gegen Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften, diese Supertanker der Sportveranstaltungen“. Auch die Fußball-WM in Brasilien im Vorjahr sei ein Beispiel dafür gewesen, wie wenig ein Land letztlich von einem solchen Ereignis hat, wenn die vier Wochen im Schaufenster der Welt vorbei sind. „Der komplette organisierte Hochleistungssport ist durch die Verbände diskreditiert, und jetzt bekommen sie von den Bürgern dafür die Quittung.“
Michael Reinsch schlägt bei FAZ.net ähnliche Töne an
„Ob systematisches Doping im russischen Sport, ob eine erpresserische Verbandsspitze in der Welt-Leichathletik, ob korrupte Fußball-Funktionäre in Handschellen oder dubiose Millionenzahlungen im Zusammenhang mit dem Sommermärchen 2006: So wie Vielfalt und Faszination des Sports sich bei Olympischen Spielen auf siebzehn Wettkampftage verdichten, konzentrieren sich Abscheu und Misstrauen gegenüber dem Sport auf die Organisation im Zeichen der Ringe, den Milliarden-Konzern IOC.“
Auch Oliver Fritsch sieht das bei Zeit Online ähnlich
Der entscheidende Grund sei „das Misstrauen der Bürger gegenüber dem Sport“ gewesen. „Das wohlverdiente Misstrauen, muss man sagen.“ Ein großes Manko der Hamburger Bewerbung sei außerdem gewesen, „wie ideenlos, uninspiriert und bürokratisch der deutsche Sport auftrat, inklusive der beteiligten Politiker sowie der BWL-Typen, die die Bewerbung begleiteten. Neue Köpfe braucht das Sportland.“
„Mutlosigkeit hat Perspektivdenken besiegt“, schreibt Matthias Steiner bei NDR.de und zeigt sich enttäuscht. Das Zeichen an die Welt sei eindeutig: „Eine Massenveranstaltung wie Olympia ist in einer westlichen Demokratie derzeit nicht mehrheitsfähig. Schade.“ Die Bedenkenträger hätten sich durchgesetzt, der olympische Sport in Deutschland stünde vor einem Scherbenhaufen. Für Bürgermeister Olaf Scholz und Sportsenator Michael Neumann sei das Ergebnis eine „schallenden Ohrfeige vom Volk“.
„Desaster“ für Hamburg
In der Frankfurter Rundschau ist Jürgen Ahäuser derselben Meinung wie Steiner und spricht von einem „Desaster“ für Hamburg: „Gerade in Zeiten, in denen sich reale und auch diffuse Ängste unter der Bevölkerung ausbreiten, wäre es nicht schlecht gewesen, sich auf ein Projekt zu konzentrieren, das grundsätzlich sehr viele positive Emotionen freisetzen kann. Bei allem Respekt, die Hamburger haben eine Chance für ganz Deutschland vertan.“
Auch Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart kritisiert in seinem Morning Briefing die Entscheidung der Hamburger Bevölkerung. Die Stadt habe „sich gegen Weltoffenheit entschieden“ und dies sei „nicht nur eine Niederlage für den Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, wie heute die Lokalzeitung schreibt, sondern – schlimmer noch – eine Niederlage für Hamburg“.
Frank Niggemeier erklärt in der Hamburger Morgenpost: „Die einmalige Chance auf Olympische Spiele in unserer Stadt – und damit auch in ganz Deutschland – ist auf Jahrzehnte vertan. Schade, Hamburg. Es hätte so schön sein können.“ An Ende hätten dann doch die Bedenken gesiegt.
Auf dem Cover der aktuellen MoPo-Ausgabe wurde passend dazu eine Traueranzeige für Olympia 2024 gedruckt: