Schon lange gilt das Silicon Valley nicht nur als Brutstätte zukünftiger Technologien, sondern auch als Drogenszene. Menschen, die in Tech-Unternehmen arbeiten, nehmen psychoaktive Substanzen wie LSD, Psilocybin, Ayahuasca oder Meskalin, um ihr Bewusstsein zu erweitern. Auch Depressionen werden immer mehr im klinischen Rahmen mit psychedelischen Drogen behandelt – oft mit außerordentlich positiven Ergebnissen. In den letzten Jahren ist ein Trend hinzugekommen, der auch hierzulande immer wieder medial aufgegriffen wird: das Microdosing.
Dabei handelt es sich um die regelmäßige Einnahme von rauscherzeugenden Substanzen in sehr kleinen Mengen, die in der Regel maximal einem Zehntel der Dosis entsprechen. Diese Form der Darreichung wird in den USA und Deutschland vor allem in der therapeutischen Behandlung von Ängsten, Süchten oder Depressionen eingesetzt. Ob Microdosing als psychotherapeutische Unterstützung tatsächlich wirkt, wird in der Wissenschaft stark diskutiert.
Microdosing entspricht einer Tasse Kaffee
Die 2020 erschienene Meta-Studie „The therapeutic potential of microdosing psychedelics in depression“ von Kim Kuypers kommt zu dem Ergebnis: Microdosing könnte zu kurzfristigen positiven Effekten wie einer aufgehellten Stimmung und einem verstärkt divergenten Denken infolge einer erhöhten kognitiven Flexibilität und Achtsamkeit führen. Das wiederum könnte grüblerisches Denken mindern und das Selbstwertgefühl steigern. Jedoch stellt die Studie, die die Ergebnisse von 14 experimentellen Untersuchungen bewertete, auch fest: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass die Auswirkungen nicht so positiv seien, wie man erwarten würde.
Zu diesem Ergebnis kommt auch Johannes Ramaekers von der Universität Maastricht. Mit seinem Team führte er in Zusammenarbeit mit der Beckley Foundation eine Studie zu kleinsten LSD-Dosen durch, die Ergebnisse wurden Ende 2020 publiziert. Die Auswertung der Daten bestätigt zwar eine konzentrationsfördernde und stimmungsaufhellende Wirkung. „Wir reden hier jedoch von Effekten der Größenordnung einer Tasse Kaffee – mit dem Unterschied, dass LSD über einen längeren Zeitraum von etwa sechs bis zehn Stunden aktiv ist.“
Trotz seiner nachweislich geringen Wirkung hat Microdosing Einzug in die amerikanische Arbeitswelt gehalten. Oft werden Substanzen konsumiert, wenn die eigene Leistung an ihre Grenzen kommt. Auch hierzulande gelten unter Studierenden verschreibungspflichtige „Smart Drugs“ wie Ritalin schon lange als Geheimwaffe gegen Konzentrationsschwächen und Müdigkeit – oft mit zweifelhaftem Erfolg. Dass manche Unternehmen das Thema Resilienz voranschieben, um die Effizienz der Mitarbeitenden zu steigern – und damit den eigenen Profit –, dürfte die Verbreitung dieser „Booster“ nur verstärken. Das wirft moralische und medizinische Fragen auf hinsichtlich der negativen Folgen unserer Leistungsgesellschaft, aber auch der rechtlichen Grundlage von Microdosing.
Microdosing wird CEO zum Verhängnis
In Deutschland ist Microdosing mit LSD illegal. Zwar ist der reine Konsum nicht strafbar, der Besitz jedoch schon. In den USA verhält es sich ähnlich, trotz der liberalen Drogenkultur in Kalifornien und im Silicon Valley. Dieses Missverhältnis wurde 2021 Justin Zhu zum Verhängnis, Gründer und ehemaliger CEO des Milliarden-Start-ups Iterable. Er hatte vor einem Geschäftstermin eine Mikrodosis LSD eingenommen und damit gegen die unternehmenseigenen Regeln verstoßen.
Um solche Ereignisse zukünftig zu vermeiden, will das US-Seifenunternehmen Dr. Bronner’s eine Lockerung der staatlichen Beschränkungen für illegale Drogen erwirken. Es hat sich damit zu einem wichtigen Geldgeber für die Legalisierungsbewegung entwickelt. Seit 2015 hat Dr. Bronner’s mehr als 23 Millionen Dollar an Organisationen gespendet, die sich für den Einsatz von Ecstasy und Psilocybin als Medikament und Cannabis als legale Droge einsetzen. Darüber hinaus ist es das erste US-Unternehmen, das seinen Mitarbeitenden die therapiegestützte Vergabe von Ketamin anbietet. Es ist das in den USA derzeit einzig legale verschreibungspflichtige Medikament mit psychedelischer Wirkung, welches in Therapien eingesetzt werden darf. Während in klinischen Untersuchungen tatsächlich vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen mithilfe von Psychedelika erzielt werden konnten, bleibt ein Risiko von negativen Folgen für den Patient*innen. Zumal im therapeutischen Rahmen meistens höhere Dosen verabreicht werden, um eine Wirkung zu erzeugen. Doch selbst bei Mikrodosen ist in der wissenschaftlichen Literatur von möglichen negativen Folgen zu lesen. So kritisiert auch Kuypers, dass negative Effekte wie Depressionen und Angststörungen bei der Vergabe von Mikrodosen seitens der Medien selten aufgegriffen würden, doch jene immer wieder aufträten.