Der Ursprung des Begriffs Metaverse liegt in einem Roman, der zu einer Zeit entstand, als das Internet ausschließlich aus Text bestand. Ein blinkender Cursor, monochromer Text auf einer schwarzen Mattscheibe und Befehle, die vor allem Professor*innen und Studierende an Universitäten in die Eingabeaufforderung eingaben. Zurück kam ein hoffentlich gut strukturiertes Dokument. Und wenn der oder die Ersteller*in kreativ war, gab es ein aus Schriftzeichen geskriptetes Bild. Wir waren damals also weit weg von Streaming, dem grafischen Internet, geschweige denn von Online-Gaming.
Zu dieser Zeit kam der Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson in den USA heraus und schilderte dem Leser 1992 eine ironisch-dystopische Welt aus Hightech-Skatern, die mit einem XR-Headset in den Burbklaven der anarchischen USA Pizza ausliefern. Konzerne und die Mafia haben mehr Macht als die Regierung, und das Leben ist ein Überlebenskampf. Doch da gibt es dieses Metaversum, einen Rückzugsort für die reichsten eine Million Menschen. Über ein VR-Headset kommt man in das Metaverse: eine Abbildung der Weltkugel, um die eine einzige Straße geht und an der sich rechts und links Grundstücke befinden. Jedes Grundstück ist eine eigene VR-Experience, in die Besucher*innen in Gestalt ihrer Avatare hineingehen können. Das Metaverse in „Snow Crash“ ist also eine Metapher für ein Netzwerk von VR-Experiences, die über eine Straße miteinander verbunden sind und die User in Avataren besuchen können.
Vom Cyberspace zum Metaverse
Stephenson bedient sich des aufkommenden Internets, das damals vor allem als Cyberspace bekannt war. Das Internet damals war ein Netzwerk aus verschiedenen kleinen Netzen mit wenigen Teilnehmern: dem Mail-Netz, dem FTP-Netz, dem Web-Space, dem Arpa-Netz, das abgeschaltet werden sollte, und anderen Netzen, die sich zu einer Matrix des Cyberspace zusammenfassen ließen, von dem sich nicht vorhersagen ließ, dass es einmal zu einem gigantischen, kommerzialisierten Web-Space wird. Das Metaverse war die Vision einer abgeschlossenen Entwicklung des Matrix-Cyberspace.
Und Stephenson bediente sich der Virtual Reality, die damals besonders in den USA unter Jaron Lanier gehypt wurde. Schon 1988 entwickelte Autodesk unter dem Namen „The Cyberspace Project“ das erste Virtual-Reality-Headset, das an handelsübliche Personal Computer wie einen 486er angeschlossen werden konnte. Das Headset lieferte damals drei Bilder in der Sekunde, was zu brutaler Motion Sickness geführt haben muss, und wurde vor allem im B2B-Bereich eingesetzt. Es muss nicht erwähnt werden, dass solche Projekte nie lange durchhielten. Die Software-Möglichkeiten waren extrem beschränkt, die VR-Helme Schwergewichte. Die Entwicklung immer neuer Headsets hörte allerdings auch nie wirklich auf, vor allem im militärischen Bereich.
Second Life als erste Social Virtual World
Mit der Entwicklung des Internets ging auch die Entwicklung sozialer Features voran. Chats und Foren entwickelten sich und bald machten sich die Spieleentwickler daran, die neuen Möglichkeiten des Internets und die ins Netz strömenden Nutzer*innen miteinander zu verbinden.
Eines der prominentesten Produkte dieser Zeit ist sicher Second Life, eine Social Virtual World, in der man erstmals von Grundstück zu Grundstück laufen kann, sein Grundstück selbst bebauen und mit anderen Nutzer*innen handeln und interagieren kann. Der Gründer von Second Life Philip Rosedale hatte ursprünglich den Plan, das Metaverse nachzubauen, und konstruierte mit „The Rig“ ein tragbares Gerät, mit dem man in das Metaverse eintreten können sollte. Die Entwicklung führte zu einer Online-Variante, die in Spitzenzeiten bis zu eine Million aktive Nutzer*innen hatte. Auch wenn Rosedale diesen Versuch als gescheitert ansieht: Von der Idee 1998 über den Launch 2002 bis heute, 20 Jahre später, gilt die immer noch aktive Plattform als einflussreichster Versuch, der seiner Zeit voraus war und eine ganze Industrie inspirierte.
Während die Menschheit zu Anfang des Jahrtausends den rasanten Aufschwung des Internets bejubelte, verlor sie die Idee des Metaverse aus den Augen.
2012 gelang es Palmer Luckey, mit der Entwicklung eines VR-Headsets einen erneuten VR-Hype zu befeuern, der dazu führte, dass XR im B2B-Bereich sowie im Gaming erstmalig sinnvoll nutzbar wurde. Möglich wurde das aufgrund der Entwicklung mobiler Geräte, die zu besseren Laptops und letztendlich zum iPhone führte. Google entwickelte daraufhin die Google Glass und die VR-Plattform Daydream, Microsoft die HoloLens. Facebook kaufte 2014 Oculus und entwickelte es zu einer VR-Gaming-Plattform weiter.
Hier kommen wir so langsam in der Gegenwart an: Facebook ist das größte soziale Netzwerk der Welt geworden, das aber unter Datenskandalen und gesellschaftlicher Kritik leidet. Hinzu kommt die Abhängigkeit von Plattformen wie dem Apple Store, die dem Konzern Milliardeneinbußen bescheren, da Apple die Privacy-Regeln für Werbung verschärft – eine Grundlage für das Geschäftsmodell Facebooks. Das bewegt Mark Zuckerberg dazu, den Metaverse-Hype erneut zu befeuern, um aus Oculus die nächste große Plattform zu machen, das „Next Big Thing”: Am 28. Oktober 2021 ändert er den Namen seiner Firma in Meta, ruft den Bau des Metaverse-Netzwerkes als oberstes Firmenziel aus und investiert massiv in die Entwicklung von Hard- und Software. Das Ganze erklärt er so: „Die nächste mediale Plattform wird immersiver sein, ein körperliches Internet, in dem man mittendrin ist und nicht nur von außen draufschaut. Wir nennen dies das Metaverse.“
Fragt man den Gründer von Second Life, der mittlerweile wieder zurückgekehrt ist, wie er die Erfolgsaussichten von Facebook bewertet, erhält man diese Antwort: „Nun, ich hoffe, sie haben keinen.“
Einblicke in die Nutzungsmöglichkeiten des Metaverse gewährt der DMV von Juni bis August auf einer gemeinsamen Seminarreihe mit Meta. Die Teilnahme ist kostenlos.