David Linn hatte in der Hauptverhandlung eingeräumt, Geld erhalten, aber keine Leistungen dafür erbracht zu haben. Linn war neben Ruzicka, Kernebeck und Jackson einer von vier Aegis-Managern, die als Treugeber der angeblichen Scheinfirma Camaco fungierten. Die Ermittler werteten Linns Einlassung als Geständnis. Linn räumte jedoch nicht ein, aktiv oder wissentlich an Untreuehandlungen mitgewirkt zu haben. David Linn kann auf eine mildere Strafe hoffen, da das Gericht offenbar nicht von einer Mittäterschaft oder einer aktiven Beihilfe zur Untreue ausgeht. Vor allem aber dürfte Linn zugute kommen, dass er das an sich geflossene Geld in Gesamthöhe von 1,98 Millionen Euro ungenutzt auf einem separaten Konto beließ und mit Aegis Media zurzeit eine gütliche Einigung sucht. Wohl auch, um die umstrittenen Vorfälle in beiderseitigem Interesse abzuschließen.
Aleksander Ruzicka geht einen anderen Weg. Er bleibt bei seiner Einlassung, zu jedem Zeitpunkt im Interesse und zum Vorteil von Aegis Media gehandelt zu haben, deren CEO er bis zum Jahr 2006 war. Dies verteidigt Ruzicka hartnäckig. Er kämpft darum, die umstrittenen Vorfälle in ihrer Gesamtheit aufklären zu können. Auch wenn er dabei die Geduld von Gericht und Staatsanwaltschaft zusehends strapaziert. Deren Vorwurf: diese Beweisanträge hätten bereits vor mehr als einem Jahr gestellt werden können. Staatsanwalt Jördens äußerte am Montag, dass das beharrliche Blockieren des Endes der Beweisaufnahme langsam zu einem Ärgernis wird. Das Gericht hat insgesamt rund 30 Beweisanträge Ruzickas abgewiesen. Diese Ablehnungen ermöglichen Gegenerklärungen der Verteidiger und neue Beweisanträge. Dieses bei Gericht nicht unübliche „Ping-Pong“ zwischen Richter und Verteidiger verhindert ein Ende der Beweisaufnahme. So auch am Montag. Erneut.
Am Rande des Prozesses gefragt, warum sie das Ende der Beweisaufnahme blockieren, antworteten Ruzickas Verteidiger Marcus Traut und Eva Schrödel: „Wir blockieren nicht das Ende der Beweisaufnahme. Aus unserer Sicht sind wesentliche Aspekte des Falls bislang zu Unrecht nicht untersucht worden.“ Gefragt, ob die Flut von neuen Beweisanträgen nicht schon vor einem Jahr hätte eingebracht werden können, äußerten sich Ruzickas Verteidiger gegenüber der absatzwirtschaft wie folgt: „Das sind keine neuen Beweisanträge, sondern Reaktionen auf aktuelle Beschlüsse der Kammer, die aus unserer Sicht Anlass hierzu geben. Beispielsweise die Wertigkeit eines Freispots betreffend. Zudem haben wir erneut unter Beweis gestellt, dass die Firma Watson auch mehrere Aegis Board Meeting und Aegis-Management-Events in Südafrika bezahlt hat, und nicht an Aegis berechnet hat. Wir sind der Überzeugung, dass zu den Firmen unseres Mandanten nicht nur kontrolliert Geld geflossen ist, sondern diese Firmen tatsächlich Kosten bezahlt haben. Kosten, die sonst bei Aegis Media angefallen wären. Auch diese Umstände sind bislang von der Kammer nicht oder nicht ausreichend untersucht worden.“
Wie sich während der Hauptverhandlung ergab, geht die Kammer davon aus, dass die Freispots auch ohne den Einsatz des Rechnungsvehikels Emerson FF in voller Höhe hätten kapitalisiert werden können. Sie geht weiter davon aus, dass diese Erlöse das Income der Agentur gewesen wären, welches bei Aegis Media hätte verbleiben müssen. Die Staatsanwaltschaft unterstellt zusätzlich, dass die Erlöse eine Höhe von 100 Prozent des Listenpreises der TV-Spots hätten haben müssen. So errechnet sich die vermeintliche Schadenssumme von knapp 51 Millionen Euro. Die Kammer hatte zudem in mehreren Begründungen von abgelehnten Beweisanträgen die Auffassung erkennen lassen, dass Aegis Media mit Werbezeiten handeln würde. Erlöse würden durch den Kauf und Verkauf von Werbezeiten erzielt.
Aleksander Ruzicka hatte in der Vorwoche erneut ausgeführt, dass Aegis Media – wie jede andere Mediaagentur auch – Einnahmen aus Honoraren erzielen würde, aber nicht durch den Handel mit Werbezeiten. Ein Freispot hätte überhaupt nur dann einen Geldwert, wenn er für einen Kunden und dessen Produkt auf Sendung gegangen ist. Erst dann partizipiert Aegis Media an diesem Spot – durch ein Honorar, das sich prozentual aus dem Schaltvolumen errechnet. Mit der Medienbuchhaltung, also den Zahlungen der Kunden für die Medienrechnungen, oder den Zahlungen von Aegis Media an Medien und Drittfirmen, habe dieses Income nichts zu tun, so Ruzicka in der Vorwoche.
Am 6. April soll der dritte Versuch unternommen werden, die Beweisaufnahme zu schließen. Staatsanwalt Jördens könnte dann das bereits in der letzten Woche erwartete Plädoyer halten. Am 14. April hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden einen Termin für das Plädoyer der insgesamt vier Verteidiger von Aleksander Ruzicka und David Linn vorgesehen. Mit einem Urteil ist nach den jüngsten Verschiebungen am Montag dem 20. April zu rechnen. Frühestens. Auch das Urteil bleibt, ebenso wie der gesamte Ruzicka-Prozess, eine Frage der Geduld. mz