Luise Molling, wie glaubwürdig und ehrlich halten Sie den Zuckerboykott von Marken wie zum Beispiel von Kellogg (hierzu lesen Sie auch: „Weg mit dem Zucker, weg mit der Industrie? #sugarfree-Anhänger boykottieren Schoki & Co“)
Von einem „Zuckerboykott“ zu sprechen ist doch stark übertrieben, nur weil ein Hersteller Früchtemüslis, die durch das Obst ohnehin Zucker enthalten, nicht noch zusätzlich Zucker zusetzt. Auch wird im Fall von Kellogg ja nur das Sortiment um einzelne Produkte ohne Zuckerzusatz ergänzt – Kellogg verkauft weiterhin Frühstücksflocken mit hohem Zuckeranteil und wirbt für diese mithilfe von Comicfiguren auch gezielt bei Kindern. Wenn das Unternehmen Verantwortung übernehmen will, sollte es im gesamten Sortiment den Zuckergehalt deutlich senken und für stark gezuckerte Produkte überhaupt nicht mehr bei Kindern werben.
Woher kommt der Sinneswandel der Marken, die plötzlich meinen, auf „zuckerfrei“ setzen zu müssen? Haben sie tatsächlich erst so spät erkannt, dass Zucker nicht gesund ist? Oder wird vielleicht der gesellschaftliche Druck der Konsumenten zu groß, die sich nach gesünderen Lebensmitteln sehen?
Die gesundheitlichen Gefahren von Zucker werden immer breiter diskutiert und viele Verbraucherinnen und Verbraucher möchten mittlerweile verstärkt auf ihren Zuckerkonsum achten – klar, dass darauf auch die Hersteller reagieren. Das ist schön und gut. Wenn sie es wirklich ernst meinen mit der Zuckerreduktion, müssen sich die Unternehmen jedoch nicht nur bei einzelnen Produkten, sondern bei ihrem gesamten Sortiment die Fragen stellen: Wie viel Zucker mischen wir in unsere Produkte? Wie kennzeichnen wir den Zuckergehalt? Verzichten wir darauf, mit irreführend kleinen Portionsangaben den Zuckergehalt kleinzurechnen? Halten wir uns zurück mit Werbung, Sponsoring und Unterrichtsmaterialien in Schulen? Vermarkten wir durch Werbung, Verpackungsdesigns und Aktionen weiterhin unausgewogene Produkte gezielt an kleine Kinder? Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema Zucker bedeutet weitaus mehr, als nur einzelne Produkte ohne zugesetzten Zucker anzubieten.
Halten die zuckerfreien Produkte überhaupt, was sie versprechen, oder enthalten viele dieser Produkte eben doch jede Menge Zucker?
Wenn ein Lebensmittel damit wirbt, „zuckerfrei“ zu sein, dann gelten hierfür feste Regeln: es darf dann pro 100 Milliliter oder 100 Gramm nicht mehr als 0,5 Gramm Zucker enthalten. Die Aussage „ohne Zuckerzusatz“ bedeutet hingegen lediglich, dass dem Lebensmittel kein zusätzlicher Zucker zugesetzt wurde. Produkte wie Früchtemüslis, Fruchtsäfte und Smoothies enthalten aber von Natur aus bereits Zucker.
Sind alternative Süßstoffe wie Stevia tatsächlich eine gesunde Alternative?
Die für Getränke und einige andere Produktgruppen zugelassenen Steviolglycoside können einen metallischen Nachgeschmack haben. Erste Versuche wie Coke Life wurden von den Kunden daher auch kaum angenommen. Es geht aber nicht nur um den Geschmack: Haushaltszucker erfüllt noch andere Funktionen bei Lebensmitteln, zum Beispiel für die Textur. Deshalb könnten Steviolglycoside beispielsweise bei Frühstücksflocken den Zucker nicht einfach ersetzen.
Für künstliche Süßstoffe gibt es deutliche Hinweise darauf, dass der regelmäßige Konsum solcher mit Süßstoff gesüßten Getränke die Entstehung von Übergewicht oder Typ-2 Diabetes befördern könnte. Man nimmt an, dass Süßstoffe zur Süßgewöhnung beitragen und dadurch eine zuckerreiche Ernährung befördern. In Großbritannien wurden im Zuge der gerade eingeführten Abgabe auf zuckergesüßte Getränke vermehrt Süßstoffe in Limonaden eingesetzt. Für Deutschland fordern wir deshalb, dass eine solche Abgabe nicht nur Zucker, sondern auch Süßstoffe umfasst, damit dieser allgemeinen Süßgewöhnung entgegen gewirkt wird.
Über Luise Molling: Luise Molling kam im März 2014 ins Foodwatch-Team. Als Campaignerin ist sie unter anderem für die Recherche, Planung und Durchführung von Kampagnen zu den Themen Übergewichtsprävention und Kindermarketing zuständig.