„Was macht eigentlich…?“ Wir alle haben uns diese Frage in Gedanken an frühere Weggefährt*innen garantiert schon mal gestellt. Der Spielkamerad aus dem Kindergarten, der immer Nasenbluten hatte oder diese eine Lehrerin, die mit ihrer empathischen Art so ganz anders als der Rest ihrer Kolleg*innen war. Im Laufe unseres Lebens begegnen uns viele Menschen, die uns ein Stück unseres Weges begleiten. Sie prägen uns mal mehr, mal weniger.
Mir kam neulich eine frühere Kommilitonin wieder in den Sinn. Agnes. Uns verband einst ein wesentliches „Schicksal“ miteinander. Bei unserer Studienfachwahl setzten wir auf eine der exotischsten Fächerkombinationen, die zur damaligen Zeit wahrscheinlich möglich waren: Musikwissenschaft im Hauptfach, Informatik im Nebenfach. Das sorgt bei mir bis heute für Gesprächsstoff im Dialog mit Dritten, da das Zusammenspiel dieser Disziplinen manchmal schwer zu vermitteln ist.
PayPal- und LinkedIn-Gründer sind Philosophen
Erfreulicherweise erlebe ich hier aber eine Art Paradigmenwechsel, da die Relevanz geisteswissenschaftlicher Einflüsse in einer sich zunehmend digitalisierenden Welt wächst. Sie manifestiert sich in Handlungsfeldern wie Unconscious Bias, Ethik und Künstliche Intelligenz, Wertedebatten sowie Diversity. Große Tech-Lenker*innen haben einen geisteswissenschaftlichen Background: Peter Thiel (PayPal-Gründer, heute Investor) und Reid Hoffmann (Gründer von LinkedIn) etwa sind von Haus aus Philosophen.
Aber zurück zu Agnes, mit der ich 2002 eine – aus meiner Sicht – wegweisende Seminararbeit zu den akustischen Eigenschaften der Pauke verfasst habe. Ich suche sie in einem bekannten Business-Netzwerk und staune nicht schlecht: Sie hat sich im Gegensatz zu mir nicht mehrfach beruflich neu erfunden, sondern ist dem im Studium eingeschlagenen Weg bis heute treu geblieben. Auch heute wandelt Agnes zwischen den Welten Musik und Algorithmen. Mehr noch: Sie hat sogar ein Start-up gegründet, in dem beides zum Tragen kommt.
Mit Musicube bietet sie Musikverlagen und Streamingdiensten eine KI-gestützte Lösung zur besseren Auffindbarkeit ihrer Titel an, da hier offenbar Unmengen an Potenzial ungenutzt bleiben. Wussten Sie, liebe Leser*innen, dass wir als Nutzer*innen von Spotify, Amazon Music und Co gegenwärtig aus rund 80 Millionen Musikstücken wählen können, doch nur ein Bruchteil davon am Ende in unseren Playlisten landet? Im Zusammenspiel von Audioerkennung, Algorithmen und Metadaten liegt die Kraft, die Musicube mit einer selbstprogrammierten API nutzbar macht.
Ungenutztes Potenzial ist kein gutes Pfand
Und wie so oft habe ich das Bild einer großen Kiesgrube vor Augen, bei der nur ein kleiner Freizeitbagger zur Verfügung steht, um die Massen an Steinen zu heben. Tauscht man diesen gegen die große Variante ein, etwa den Hitachi-Radlader ZW310-TPD-6, arbeitet es sich wesentlich effizienter.
So stelle ich mir den Einsatz von KI in unerschlossenen Datensätzen wie auch im oben beschriebenen Fall vor. Je größer die Maschine, umso mehr Kies kann im wahrsten Sinne des Wortes umgesetzt werden. Klingt wertend? Gut möglich, aber ungenutztes Potenzial ist auch kein gutes Pfand.
Isabelle Ewald ist Senior Consultant Technology Strategy beim Handels- und Dienstleistungskonzern Otto Group. Überdies ist sie Co-Host des dreiwöchentlich erscheinenden True-Crime-Podcast „Mind the Tech“, der sich um den Tatort Internet dreht.