Frau Hofmann, als Managing Director unterstützen Sie Ihre Kunden im Umgang mit der Echtzeit-Resonanz aus dem Social Web. Welche Herausforderungen birgt die zunehmende Vernetzung mit dem Konsumenten für Marken im Hinblick auf Krisenkommunikation?
INA HOFMANN: Im Social Web kann jeder mitreden – das macht zwar den Charme aus, kann für Unternehmen aber auch einige Tücken bereithalten. Durch diese allgemeine Partizipation fühlt sich jeder zum Kritiker berufen und macht seinem Ärger auch mal gerne Luft. Das gilt nicht nur B2C-Bereich, sondern auch für B2B-Unternehmen. Darauf muss ein Unternehmen gefasst sein, das den Schritt ins Social Web wagt.
Welche drei Eigenschaften muss der perfekte Krisenkommunikator haben?
Der perfekte Krisenkommunikator sollte wie ein Kapitän sein, dessen Ziel es ist, sich und seine Besatzung sicher aus dem Sturm zu manövrieren. Mit anderen Worten: Er muss stressresistent, strategisch denkend und flexibel sein. Nur so behält er den Durchblick in kommunikativ fordernden Situationen und kann diesen mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten.
Wie schätzen Sie die Halbwertszeit von Krisen für Unternehmen in unserer heutigen Gesellschaft ein?
Wir neigen heute dazu, den Begriff Krise sehr leichtfertig zu benutzen. Viele kleine Ärgernisse werden so sehr schnell zur Krise befördert. Durch diesen inflationären Gebrauch sinkt aber auch die gefühlte Lebensdauer einer Krise. Sie wird zu einem ärgerlichen Randphänomen, das meist innerhalb weniger Tage oder Wochen vergessen ist. Eine echte Krise – wie Beispielsweise der VW-Skandal 2015/2016 – führt zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust beim Konsumenten. Diesen wieder vollständig wettzumachen, dauert mitunter Jahre.
Sie haben Amerikanistik studiert und sind regelmäßig sowohl beruflich als auch privat in den USA: Wie unterscheiden sich amerikanische Unternehmen von deutschen im Umgang mit Krisen?
Wie so oft gilt: Die USA haben uns etwas voraus. Zumindest was das Krisenmanagement angeht. Hier gehören regelmäßige Krisentrainings auch in mittelständischen Unternehmen dazu – zumindest für das Kommunikationsteam. US-amerikanische Unternehmen haben eins erkannt: Social Media sind da und gehen auch nicht mehr weg. Der unmittelbare Austausch mit dem Konsumenten ist kein vorrübergehender Trend, sondern eine Revolution, die neben Chancen auch Risiken mit sich bringt. Auf letztere gilt es, sich vorzubereiten.
Sie sprechen von Vorbereitung – aber kann man Krisen denn überhaupt vorbereiten?
Jede Krise lässt sich kommunikativ vorbereiten. Man muss diese Aufgabe nur ernst nehmen – und es eben machen. Deshalb empfehlen wir unseren Kunden regelmäßige Krisentrainings, indem sie Krisenfälle simulieren. So fördern sie nicht nur den Teamzusammenhalt und klären Verantwortlichkeiten, sondern bereiten sich auch strategisch und emotional vor. Manchmal kann hier auch Hilfe von außen – beispielsweise in Form eines Krisencoaches – helfen, bisher unbeachtetes Krisenpotential zu erkennen und dieses kommunikativ vorzubereiten.
Kann man Krisen vorhersagen?
Eine Glaskugel gibt es nicht – aber zuverlässige Indikatoren. Diskussionen innerhalb sozialer Netzwerke geben beispielsweise einen guten Einblick in das, was die Zielgruppe bewegt. Und dabei lohnt sich ein Blick über den Tellerrand. Soll heißen: nicht immer nur die eigenen Marken und Produkte monitoren, sondern auch mal abstrakt denken. Wer Milchprodukte herstellt, sollte zum Beispiel auch wissen, wie Konsumenten über Ersatzprodukte denken und sprechen.
Social Media Monitoring eignet sich hierbei hervorragend als Seismograph, um auf Facebook, Twitter und Co. frühzeitig mögliche kritische Tendenzen mitzubekommen. Shitstorms lassen sich so zum Beispiel oft frühzeitig erkennen.
Shitstorm gehört zu den Angst-Begriffen der letzten Jahre und ist auch der Grund, warum einige Marken dem Gang ins Social Web scheuen. Wie schätzen Sie das Phänomen ein?
Genau wie bei Krisen gilt auch hier: Nicht alles, was als Shitstorm bezeichnet wird, ist auch einer. Aber natürlich klingt der Begriff Shitstorm noch mal deutlich eindringlicher – schließlich ist er auch sehr anschaulich und setzt sich somit schnell in vielen Köpfen fest. Oft als etwas Vages, das im Hinblick auf die eigene Marke zwar keine konkrete Bedrohung darstellt, aber als solche wahrgenommen wird. Ob das Phänomen in zwei Jahren noch dieselbe abschreckende Wirkung hat? Wir dürfen gespannt sein.