Ein großer Schritt für Samsung, ein kleiner für die Menschheit

Der südkoreanische Konzern präsentiert als erster großer Hersteller ein faltbares Smartphone – und zeigt damit gleichzeitig, wie schwierig Innovationen in der ausgereizten Mobilbranche sind.
Faltbare Smartphones sind noch zu teuer, um attraktiv für eine große Anzahl von Nutzern zu sein.

Die ganze Welt durfte gestern Abend per Livestream dabei sein: Samsung hat auf seiner Entwickler-Konferenz in San Francisco das mit Spannung erwartete faltbare Smartphone vorgestellt. Das Gerät bietet zwei Displays: ein kleines auf der Frontseite und ein doppelt so großes, das nach dem Auseinanderklappen nutzbar ist. Auf diesem sollen sich laut Samsung bis zu drei Apps gleichzeitig bedienen lassen. Kombiniert bietet Samsung damit ein kompaktes Handy mit herkömmlichen 4,6-Zoll-Display, das sich aber gleichzeitig als Tablet mit 7,3-Zoll-Diagonale für Multitasking oder multimediale Inhalte nutzen lässt – das „Beste aus beiden Welten“, wie Samsung es nennt, „eine bahnbrechende neue Entwicklung für das Smartphone“.

Was Samsung-Manager Justin Denison in San Francisco zeigte, ist zunächst nur ein Prototyp, über den noch nicht viel bekannt ist. Die Produktion des Smartphones, das womöglich unter dem Namen Galaxy F auf den Markt kommt, soll aber in den kommenden Monaten beginnen.

Samsungs faltbares Infinity Flex Display soll ein grundlegendes Problem mobiler Devices lösen: Kleine Geräte passen gut in die Hosentasche, bieten aber nur ein kleines Display. Und Smartphones mit üppiger Optik sind sperriger – die Größe des Geräts beschränkt die Größe des Bildschirms. Immer wieder haben die Hersteller in den vergangenen Jahren verschiedene Größen auf den Markt gebracht, damit der Kunde sich für den optimalen Kompromiss zwischen Tragekomfort und Displaygröße entscheiden kann. Beim grundsätzlichen Dilemma ist es aber geblieben.

Das Infinity-Flexi-Display-Prinzip: Ausgeklappt bietet das Smartphone die doppelte Display-Größe

(© Samsung)

Insofern ist Samsung mit dem „Foldable“ eine Meisterleistung gelungen – vor allem technisch stellte die Entwicklung eine große Herausforderung dar. Experten sind daher sehr gespannt auf die detaillierte Gestaltung der Hardware. Denison verdeckte den Prototypen bei der Präsentation weitgehend, so dass noch nicht viel zu erkennen war.

Gleichzeitig ist aber fraglich, ob die Innovation der Südkoreaner tatsächlich eine neue Ära in der Smartphone-Nutzung ein läutet – oder eben ein Gimmick bleibt. Wünschen sich die Konsumenten Flexibilität in der Displaygröße wirklich so dringend, dass sie bereit sind, für einen sicherlich nicht geringen Preis schon wieder ein neues Gerät zu kaufen? Immerhin wird das Smartphone mit der Flex-Technologie komplexer und störanfälliger. Zudem bietet es zwar mehr Display bei kleiner Größe, dicker und damit schwerer wird es dennoch. Das „Foldable“ dürfte daher für Samsung ein Risiko sein.

Aber ein Risiko, das die Südkoreaner eingehen müssen. Der Smartphone-Absatz ist weltweit rückläufig: Das Marktforschungsinstitut IDC hat gerade für die ersten drei Quartale 2018 ein Minus von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum errechnet. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die jeweils neuen Modelle zwar immer wieder technische Fortschritte, aber keine wirklich entscheidenden Neuerungen mehr bringen. Samsung hat sein Galaxy A9 mit einer Vierfachkamera ausgestattet, die Aufnahmen in einem sehr weiten Winkel erlaubt. Was ist der nächste Schritt? Eine Fünffach-Kamera? Betriebswirtschaftlich ausgedrückt: Der Grenznutzen der Produktverbesserungen sinkt. Dennoch bleibt den Herstellern natürlich nichts anderes übrig, als immer wieder in Innovationen zu investieren.

In einem aktuellen TV-Spot erklärt Samsung die Vorzüge des Galaxy A9 mit der Vierfachkamera

https://www.youtube.com/watch?v=sWc57bVUoFk

Samsung steht dabei besonders unter Druck: Der Smartphone-Absatz der Südkoreaner sank laut IDC in den ersten drei Quartalen 2018 um 13,4 Prozent. Mit einem Anteil von 20,3 Prozent sind sie zwar Marktführer, der Abstand zu den Konkurrenten Huawei (Absatz plus 32,9 Prozent, Marktanteil 14,6 Prozent) und Apple (Absatz plus 0,5 Prozent, Marktanteil 13,2 Prozent) schrumpft jedoch.

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.