Eine Meldung in der Zeitschrift „Horizont“ stimmt für ein Werbeinstrument zuversichtlich: „Onlineplakat steigert Markenbekanntheit“ (vgl. Horizont 25/2011, S.19). Daraus kann implizit gelesen werden, Bekanntheit stellt eine zentrale Zielgröße im Marketing dar und Online-Plakate sind ein geeignetes Mittel zur Erreichung. Bei genauem Hinsehen geht es um eine Erhebung für Yahoo mit Jacobs Krönung, durchgeführt von Mindshare, bei der ein großes Login Ad zum „zweifachen Genuss aus der Padmaschine“ von Jacobs Krönung vor die Yahoo-Site geschaltet wurde (vgl. Yahoo Research vom 16.05.2011, download on yahoo.com und Sara Weber, a. a. O.). Dazu gab es eine Online-Befragung auf Yahoo Deutschland. Erhoben wurden Daten von 1020 Nutzerinnen von Yahoo Deutschland im Alter von 25 bis 49 Jahren, unterteilt in eine Experimentiergruppe (mit Plakat) von 497 Frauen und eine Kontrollgruppe (ohne Plakat) von 523 Frauen.
Die Ergebnisse werden wie folgt zusammengefasst:
„Das Login Ad für Jacobs Krönung bleibt in Erinnerung:
• Die Bekanntheit der Marke kann gesteigert werden.
• Werbung für Jacobs Krönung wird erinnert, besonders Online-Werbung.
• Das Werbemittel wird eindeutig wiedererkannt und äußerst positiv bewertet.
(vgl. Yahoo Research vom 16.05.2011, a. a. O., S. 9 der Präsentation)
Wohl gemerkt: Yahoo-Userinnen wurden online gefragt, was sie bemerkt hatten, nachdem sie entweder das Plakat zu sehen bekommen oder nicht zu sehen bekommen hatten. So kommt es zu der „erstaunlichen“ Ermittlung, dass in der Experimentiergruppe das Plakat stärker aufgefallen ist und in dieser Gruppe das Plakat eher wiedererkannt wurde. Eigentlich kann nur die Aussage getroffen werden: Wer Yahoo-Userinnen mit einem Login Ad konfrontiert, kann davon ausgehen, dass es einem Teil auffällt. Aber wer will sich mit solch einer minimalen Aussage aufhalten?
Marktforscher nennen als Anforderungen an Erhebungen, dass sie unbeeinflusst und frei von Zufallsfehlern sind sowie Aussagen zu der relevanten Fragestellung geben. Hat Jacobs Krönung ein Bekanntheitsproblem? Die Online-Befragung nennt gestützte Werte oberhalb von 90 Prozent in der befragten Gruppe (vgl. Yahoo Research vom 16.05.2011, a. a. O.). Die ermittelte Steigerung um vier Prozentpunkte müsste bei der genannten Stichprobengröße im Rahmen des zulässigen Fehlers liegen, selbst bei einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von mehr als 99 Prozent. Angaben dazu und zur Vermeidung von Verzerrungen, wie sie bei Online-Befragungen leicht vorkommen, werden nicht gegeben. Das sind Kleinigkeiten! Bekanntheit ist gut, wenn sie über 90 Prozent liegt, dann muss sie eben über 100 Prozent gesteigert werden.
Jacobs Krönung ist nicht die moderne internetaffine Marke. Frauen im Alter von 49 Jahren kennen noch Frau Sommer, Symbolfigur des Ratschlags von oben, das Gegenteil des Community-Verständnisses von heute. Mit dem „Genuss aus der Padmaschine“ will Jacobs Krönung auf das Feld von Nespresso, der Marke, die mit einem hohen Erlebniswert durch George Clooney verbunden ist. Für Jacobs Krönung sind Antworten wichtig, ob das Plakat länger betrachtet, wie es betrachtet wird und insbesondere, ob es das Image verbessert oder verschlimmbessert hat. Befragungen sind dafür nicht das geeignete Mittel. Hier wird qualitative Marktforschung benötigt.
Für Jacobs Krönung stellt die Markenbekanntheit gar kein Problem dar. Das Sympathie-Vorzeichen in der Zielgruppe spielt eine große Rolle: sympathische Marken dürfen ein Ad vorschalten, George Clooney darf das, bei anderen Marken kann sich die Aversion verstärken. Es soll nur einmal als Annahme getroffen werden, das Plakat nerve die Userinnen und bestärke sie darin, dass Jacobs Krönung für sie nicht infrage kommt. Die durchgeführte Befragung wird selbst unter dieser Annahme positive Ergebnisse liefern, denn die Frage, ob das Plakat bemerkt wurde, wird bejaht, genauso wie genannt wird, von wem es war, und auch die Fragen zur Plakatbeurteilung entdecken dieses nicht. Leider haben die Userinnen dann nur das Falsche gespeichert. Das schlägt sich im Kaufverhalten nieder. Die nächste Präsentation im Unternehmen beinhaltet: unsere Markenbekanntheit geht nach oben und unser Online-Plakat wird erinnert. Konsequent werden die falschen Entscheidungen getroffen. Methodenbeherrschung ist gefordert. Fragen zur Wirkung sind die zentralen Fragen im Marketing und die werden im Allgemeinen nicht durch quantitative, sondern durch qualitative Marktforschung beantwortet. In jedem Fall muss das Vorgehen fundiert sein. Der Leichtfertigkeitsbazillus, mit dem insbesondere Ergebnisse aus einfachsten Onlinebefragungen zu Sensationen hochstilisiert werden, ist gefährlich und darf sich nicht weiter verbreiten.
Was ist festzuhalten?
1. Wer Studien für eine Präsentation nutzt, sollte genau prüfen, ob diese nach den Regeln guter Marktforschung erstellt wurden.
2. Es ist immer zu prüfen, um welches Problem es geht. Die Methoden müssen dazu passen. Bekanntheit um jeden Preis darf nicht das Ziel im Marketing sein.
3. Marketingverantwortliche sollten sich in der Überwindung des Leichtfertigkeits-Bazillus engagieren. Das verschafft Marketing wieder mehr Anerkennung.
Über den Autor: Lothar Keite ist Gründer des Instituts effibrain, einem Beratungsinstitut für Marketing und Management, Consulting und Training in Hamburg.