Von Ronald Focken
Ausgelöst hat ihn die Möglichkeit der grenzenlosen Kommunikation, die heute zu einem Gutteil unsere Lebenswirklichkeit bestimmt. Trends und Stile wurden atomisiert, ebenso traditionelle Rollenmodelle, im Gegenzug sind Konsum- und Erlebniswelten virtuell erfahrbar geworden und somit entmaterialisiert. Das Leben ist individualisiert, segmentiert, es ist schneller geworden und unsere Ungeduld größer.
Nur in der Arbeitswelt scheint vieles von dem bislang nur halbherzig wahr- und übernommen worden zu sein. Gerade dort aber stehen die größten Veränderungen an.
In der Wissensgesellschaft verschmelzen Arbeits- und Privatleben. Informations-, Kreativ- und Servicearbeit rücken gegenüber der Produktion in den Vordergrund. Die Erkenntnis, dass Kreativität eine Triebfeder des Menschen ist, rückt in den Mittelpunkt. Zusammen mit Empathie und ganzheitlichem Denken gehört sie zu den wesentlichen Skills einer Wissensgesellschaft. Denn es geht dort nicht um die Verfügbarkeit von Wissen – das können Datenbanken besser. Es geht um das Kombinieren verschiedener Ebenen des Wissens und die Fähigkeit, daraus Neues zu erschaffen. Die Innovationskraft der Mitarbeiter ist die wichtigste Ressource eines Unternehmens.
Zwei Millionen Akademiker zu wenig
Und da gibt es hierzulande ein statistisches Problem: Deutschland steuert aufgrund der demografischen Entwicklung auf einen massiven Fachkräftemangel zu. Die Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PwC) beziffert diesen Mangel in einer Studie („Der Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitskräftesituation in Deutschland“) auf vier Millionen im Jahr 2030. Durch die Digitalisierung könne ihre Zahl zwar auf zwei Millionen gesenkt werden. Dennoch wird es an gut ausgebildeten Akademikern etwa in der Pharma- oder der IT-Industrie mangeln, während es ein Überangebot beispielsweise an Verkaufspersonal und Metallarbeitern geben wird.
Abgesehen von den sozialen Auswirkungen dieser Entwicklung wird es in absehbarer Zeit zu einem breiten Wettringen um fähige Arbeitskräfte kommen – auf manchen Gebieten ist das ja bereits der Fall. Während in vielen Branchen die Digitalisierung noch in den Anfängen steckt, bescheinigt PwC der Kommunikationsbranche, den Weg zur Wissensgesellschaft bereits ein gutes Stück weit gegangen zu sein. Interpretation, Kombination und Kreation sind hier Tagesgeschäft. Insofern stellen Kommunikatoren heute die Avantgarde des neuen Arbeitens dar.
Wie sich die Unternehmenskultur wandeln muss
Können sie deshalb Vorbildfunktion übernehmen? Nur bedingt. Es gibt keinen Königsweg für die Veränderungen in der Arbeitswelt, jede Lösung ist firmenindividuell. Die Entwicklungen innerhalb der Kommunikationsbranche können aber sehr wohl Hinweise geben, in welche Richtung sich Unternehmenskultur wandeln muss. Das neue Arbeiten ist ein agiles Arbeiten. In selbst organisierten Teams, mit flachen Hierarchien, voller Flexibilität des Einzelnen und der Teams, im Lean Development des Projektmanagements. Flexible Arbeitszeiten oder -modelle gehören ebenso dazu wie die Möglichkeit zu Ownership innerhalb eines größeren Verbundes. Und es bedingt die Wertschätzung und Förderung durch den Arbeitgeber.
Talent ist ein ökonomisches Gut
Die Generation Y der heute im Beruf Stehenden folgt zu 60 Prozent noch dem klassischen Rollenverhalten in der Arbeitswelt. In Kommunikationsberufen sind es deutlich weniger. In diesem Bereich zeigt sich schon jetzt jene Arbeitswelt, die morgen flächendeckend gefragt sein wird: maßgeschneiderte Beschäftigungslösungen für Menschen mit hohem Informations- und Harmoniebedarf, die trotzdem nur eine geringe Loyalität für ihre Firma aufweisen. Ihr Angebot ist im Gegenzug die Bereitschaft, den Job in das eigene Leben zu integrieren. Das ist ein neuer Typus Mitarbeiter, der jedoch die essenziellen ökonomischen Güter von morgen mitbringt: Talent und Motivation.
Unsere Erfahrung bei Serviceplan lautet: so individuell wie möglich, so zentral wie nötig. Je größer die Company, desto individueller müssen die Lösungen sein. In der Serviceplan-Gruppe arbeiten 3 400 Kollegen mit 45 Berufsbildern. Sie sind in Einzelfirmen mit etwa jeweils 40 Mitarbeitern aufgesplittet, die ihre Arbeitsmodelle analog der jeweiligen Prozesse organisieren, also hinsichtlich Arbeitszeit, Teilzeit, der Möglichkeit des Homeoffice oder auch der Führungsstruktur. Die Arbeitszeit ist flexibel wählbar, beträgt zwar acht Stunden täglich, aber in der Zeit zwischen sieben und 20 Uhr. Es gibt Teilzeitmodelle mit drei, vier oder fünf Arbeitstagen in der Woche. Wer im Mobileoffice arbeiten will, meldet sich digital über den Geschäftsführer an. Auch die Urlaubsregelung ist individuell – Mitarbeiter nehmen in Absprache so viele Tage, wie sie wünschen.
Zentral verwaltet werden dagegen die Felder Aus- und Weiterbildung, Kollegenzufriedenheit, Traineeship und Entwicklungspläne. Dazu gehören ein Colleague Satisfaction Survey und berufsbegleitende Studiengänge in Kooperation mit den Hochschulen Steinbeis und Fresenius. Für High Potentials bieten wir individuelle Entwicklungspläne und für Trainees Ausbildungsmodule nach Wahl mit einer 80-prozentigen Übernahmegarantie.
Auf dem Weg zur Life-Life-Balance
Das alles sind jedoch nur Rahmenbedingungen, die geschaffen wurden, um für Menschen mit Talent und Motivation attraktiv zu sein. Statt der Work-
Life-Balance erwarten Arbeitskräfte von morgen aber eine Life-Life-Balance, also tiefergehende Bedingungen. Nach Generation Y kommt Generation Z, die heute 18-Jährigen. Den wenigsten von ihnen dürfte bewusst sein, dass sich wohl schon am Ende ihrer Ausbildung die Arbeitgeber um sie reißen werden. Die Generation Z will Unternehmen, die passen, die sich gut anfühlen, mit denen man ein Stück Leben gemeinsam gehen kann und will. Leistungsgerechte Bezahlung, Aufstiegschancen, flexible Arbeitszeiten gelten als selbstverständliche Grundvoraussetzungen – aufgrund der demografischen Voraussetzungen ertrotzt von der Generation Y.
Andere Paradigmen rücken damit für die Wahl einer Company in den Vordergrund: Kommunikation auf derselben Wellenlänge, Kompatibilität zum eigenen Lebensentwurf, eine sinnstiftende Tätigkeit und auch ein nachhaltiges Agieren des Unternehmens im gesellschaftlichen Umfeld. Wenn das alles passt, besteht bei Generation Z auch die Bereitschaft zu – aus heutiger Sicht – intensivem Einsatz: Es gibt keine strikten Grenzen mehr zwischen geschäftlich und privat, zwischen Werktag und Wochenende, zwischen müssen, dürfen und wollen. Der Arbeitgeber wird in das private Lebensumfeld integriert. Aber nur so lange es passt. Wenn nicht mehr, kommt eine schnelle und loyalitätsfreie Trennung. Mit Geld ist die Generation Z kaum mehr zu locken. Der Kampf um Talente wird sich verschärfen – und gewinnen werden ihn die Kandidaten. Die Chance dieser Entwicklung für Unternehmen lautet: Was sich in der Generation Y noch auf Formalien in der Arbeitswelt beschränkt, auf die Rahmenbedingungen, das wird für die Generation Z zum Inhaltlichen, sie wird diesen Rahmen mit Leben erfüllen. Wenn ich meinen Job ins Privatleben lasse, dann muss er sich auch so anfühlen, dass er dort hingehört. Er muss die Möglichkeit bieten, eine Aufgabe zu einem eigenen Projekt zu machen, zu etwas, für das man brennt. Das bedeutet Identifikation über die Tagesarbeit hinaus. Zu einem gemeinsamen Nutzen, zur Life-Life-Balance. Arbeit in der Wissensgesellschaft wird nicht nur anders, sie wird besser. Für alle Beteiligten.