Hillary Clinton und Donald Trump – die Polarisierung und die klare Fokussierung der Medien auf die Kandidaten im US-Wahlkampf sind für das Land nicht neu. Denn das politische System ist auf eine starke Führungspersönlichkeit angelegt – qua Amt entsteht so schon im Wahlkampf eine Fokussierung auf die Eigenschaften des jeweiligen Kandidaten oder der Kandidatin.
Das ist allerdings kein rein US-amerikanisches Phänomen, sondern kommt in allen Ländern vor, in denen die Staatsführung großen Handlungsspielraum besitzt, wie das in Europa zum Beispiel in Frankreich der Fall ist. Aber auch in Deutschland hat sich die Politik personalisiert – nicht erst seit Angela Merkel, die im Bundestagswahlkampf 2013 zum zentralen Wahlargument der CDU wurde. Dabei ist es nicht nur Parteitaktik, sondern auch Merkel selbst, die diese Personalisierung vorantreibt, meint Christoph Bieber, Professor für Ethik in Politikmanagement und Gesellschaft an der Universität Duisburg-Essen: „Das quasipräsidiale Agieren Merkels und der fehlende Widerspruch innerhalb der eigenen Partei, aber auch der Koalitionsregierung führen zu einem Machtzuwachs der Kanzlerin, der beinahe automatisch eine stärkere Personalisierung nach sich zieht.“ Zudem: Eine Person lässt sich leichter vermarkten als ein kompliziertes Reformvorhaben. Kompetenz und Vertrauen lassen sich leichter mit einer Person verbinden als mit einer Partei.
Politik braucht Marketing
Auf den ersten Blick haben Marketing- und Wahlkampagne viel gemein: klarenAnfang, klares Ende und eine deutliche Zielsetzung. Doch neben Parallelen gibt es klare Unterschiede, meint Karsten Kilian, Professor für Marketing an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt: „Während im Marketing meist die Marke im Mittelpunkt steht, steht bei Wahlkämpfen fast immer eine Person oder Personengruppe im Vordergrund, die eingebettet ist in die Partei.“ Letztere sei am ehesten mit einer Unternehmensmarke vergleichbar. Auch sonst überwiegen die Unterschiede: Wähler „kaufen“ Politikern ihre Position ab und hoffen darauf, dass daraus eine politische Veränderung erwächst. Ein erworbenes Produkt jedoch ist deutlich greifbarer, die Leistung kann viel klarer eingefordert werden. Bei Politikern hingegen bekomme man nur das Versprechen, sagt Marketingexperte Kilian: „Wird das Versprechen nicht eingelöst, muss man bis zur nächsten Wahl warten und kann den Politiker dann im Prinzip nur durch Abwahl sanktionieren.“ Auch für Wigwam-Geschäftsführer Matthias Riegel bestehen klare Unterschiede: Eine Politmarke sei keine klassische Lifestyle- oder Produktmarke, weil sie viel stärker und immer auch gesellschaftlich eingebettet ist bzw. Antworten auf einen Missstand oder eine Notsituation liefern muss.
Politiker müssen sich an mediale Trends orientieren
Doch für Politmarken ist es schwerer geworden, diesen Anspruch zu kommunizieren: Politik wird für die meisten Wähler nicht mehr durch Teilnahme, sondern durch die Medien erfahren. Und deren Inhalte haben begrenzte Halbwertszeiten und wenig Raum für komplexe Analysen. Um wahrgenommen zu werden, müssen sich Politiker an medialen Trends orientieren und auf Anwendungen setzen, die in kurzer Zeit viele Nutzer anziehen, sagt deshalb Ethik-Professor Bieber: „Gerade auch deswegen, weil vor allem junge Menschen kaum noch ohne mediale Interfaces für Politik zu begeistern sind, ist diese Praxis wichtig geworden.“ Klassische Parteipolitik, die sich über den Ortsverein gestaltet, sei für junge Menschen kaum noch vermittelbar, so Bieber.
Politiker erreichen Menschen am besten über die Medien
Da sind aufmerksamkeitsstarke Medienumgebungen gefragt: Fernsehen und Zeitungen, aber vor allem soziale Medien wie Facebook, Twitter oder Youtube. Gerade dort funktionieren vor allem einprägsame, kurze Botschaften und Persönlichkeiten. Das verändert nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Inszenierung von Politik. Massenmedien weisen typische Selektionskriterien und Darstellungsmuster auf, meint Marcus Maurer, Professor für Politische Kommunikation an der Universität Mainz: „Sie präferieren negative Nachrichten oder solche, an denen prominente Personen beteiligt sind, und oft auch solche, die etwas mit Emotionen zu tun haben.“ Die Tatsache, dass Politiker Menschen vor allem über die Medien erreichen, führe dazu, dass sie diese Kriterien bedienen, um Medienaufmerksamkeit zu erhalten.
Ein Politiker als Marke – das geht wie auch im Marketing nur mit Alleinstellungsmerkmal und möglichst aufmerksamkeitsstark. Auch Marken-
experte Kilian erklärt: „Es hilft beim eigenen Markenaufbau massiv, wenn man bestehende Meinungen herausfordert und Aussagen bekannter Personen infrage stellt und einen eigenen, subjektiv besseren Vorschlag unterbreitet, wie ein gesellschaftliches Problem gelöst werden kann.“ Wer nur laut genug auf die Pauke haut, der wird gehört? Zumindest ist ihm die Medienaufmerksamkeit sicher. Aktuelle Beispiele gibt es zuhauf: Die „Schießbefehl“-Debatte nach einem Facebook-Posting von AfD-Politikerin Beatrix von Storch gehört dazu, aber auch die Dutzende beleidigenden Tweets, die Donald Trump in Richtung seiner politischen Gegner zwitschert. Das bringt zwar nicht nur Fans, aber dafür umso mehr Aufmerksamkeit. Über Gepolter lässt sich bekanntlich besser berichten als über trockene Debatten.