Es wird rumgepoltert, anstatt politische Debatten zu führen
Da verwundert es nicht weiter, dass Politik häufig nur noch als Show verstanden wird. Gepolter, Vereinfachung und ein vermeintlicher Fokus auf Persönlichkeiten statt Inhalten. Das verändert nicht nur die politische Debatte, sondern auch die Wahrnehmung der Wähler von Politik. Auch Kommunikationswissenschaftler Maurer erkennt die Gefahr, dass Politik zunehmend als Showgeschäft verstanden werde – auch in Deutschland: „Dazu tragen zum Beispiel Medienberichte bei, die Politik als Strategiespiel oder Wettkampf erscheinen lassen, aber natürlich auch Politiker, die sich in Talkshows vor allem gegenseitig und oft nur wenig sachgerecht kritisieren.“
Doch das Vermarkten von Politik – es scheint in Deutschland weniger gängig als in den USA: Zentrale Regierungsakteure wie Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier oder Sigmar Gabriel folgten dem Werben der Medienanbieter nicht allzu intensiv, meint Ethik-Professor Bieber. Die eher spröde mediale Performance der Bundeskanzlerin stehe einer medialen Show- oder Unterhaltungsorientierung entgegen. In Banken- und Euro-Krise war es ihre nüchterne Art, die die Wähler überzeugte. Schaut man zurück, lässt sich leicht ein deutsches Faible dafür erkennen. „Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen“, sagte der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt einst. Der verstorbene SPD-Grande gehörte zu den beliebtesten Politikern der Republik. Auch er war bekannt für seine nüchterne, fast schon abgeklärte Art.
Doch auch die Deutschen können Vision – und nicht zwangsläufig steckt dahinter der Versuch einer Vereinfachung. Bundeskanzler Willy Brandt hatte sich der Aussöhnung und der Normalisierung der Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten verschrieben. Doch solche Visionen seien recht weit weg vom politischen Tagesgeschäft, meint Kommunikationswissenschaftler Maurer: „Vielleicht gibt es solche großen Themen, wie es zum Beispiel die deutsche Einheit war, heute bei uns immer seltener. Den Frieden im Nahen Osten kann man als deutscher Politiker schließlich nicht besonders stark beeinflussen.“ Denn am Ende erinnere man sich dann doch eher an die Visionen, die auch tatsächlich eingetreten sind, und verbinde sie mit einer Person, die viel dazu beigetragen habe.
Die schwindende Zustimmung zur Institution Europäische Union
Eine dieser Visionen war für eine ganze Reihe von Politikern ein friedliches Europa. Rund 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist dieses Ziel erreicht: Eine gemeinsame Währung, offene Grenzen, wirtschaftliche und kulturelle Verflechtung einen den Kontinent – eigentlich aus Markensicht ein USP. Doch schwindende Zustimmung zur Institution Europäische Union und das Erstarken von EU-Gegnern zeigen, dass das Projekt Europa viel von seiner Anziehungskraft verloren hat. Für viele ist Brüssel zum Synonym für ein halb diktatorisches Bürokratieungeheuer geworden. Ist es an der Zeit, dass auch die Europäische Union zum Werkzeugkasten des Politikmarketings greift?
Wahlkämpfer Matthias Riegel verweist darauf, dass die EU in den letzten Jahren Agenturen beauftragt habe, um ihre Geschichte zu entwerfen und neu aufzuschreiben. Doch das sei vermutlich schon Teil des Problems, meint Riegel: „Die Geschichte und die Errungenschaft wie auch die aktuellen Probleme Europas sind nicht etwas, was es neu umzuschreiben oder kreativer aufzuladen gilt.“ Die aktuelle Situation lasse sich bestimmt und hoffentlich nicht durch eine Kampagne lösen. Es braucht eher Reformen als noch mehr Visionen.
Denn die Krise der Union, sie ist ernst. Ihr vorläufiger Tiefpunkt war der 23. Juni 2016. An diesem Tag stimmte eine knappe Mehrheit der Briten für den Brexit, den Austritt des Landes aus der Europäischen Union. Mitverantwortlich für diesen Entscheid war die Kampagne der EU-Gegner Boris Johnson und Nigel Farage. Auch die beiden Politiker vermarkteten erfolgreich eine Vision: Ohne Mitgliedschaft in der Gemeinschaft sei das Vereinigte Königreich besser dran. An dieser Vision eines stärkeren Inselkönigreichs orientierte sich die Mehrheit. An ihrer Umsetzung wollten sich dann aber weder Nigel Farage noch Boris Johnson beteiligen. Visionen sind eben ein gefährliches Gut. Sind sie noch so leicht ausgesprochen, ist ihre Umsetzung dann aber ein Versprechen, das Politiker nicht immer halten können.
Die Marke Trump: Eine typische Übertreibung
Und so ist auch Donald Trumps markiger Slogan „Make America great again“ eine Vision, von der sich viele Amerikaner angezogen fühlen. Ob er diese aber am Ende tatsächlich realisieren wird, bleibt abzuwarten. Doch so lange ist er der Meister der Marketingmaschinerie: Einfache Botschaften, lautstarkes Gepolter und immer im Bild: er selbst. Die mediale Aufmerksamkeit ist ihm sicher. Zwar behauptete Trump von sich selbst, er könne auch jemanden erschießen und die Leute würden ihn trotzdem wählen. Eine für die Marke Trump typische Übertreibung, aber dennoch mit wahrem Kern: Vieles von dem, was er sagt und sagte, hätte andere Bewerber die Kandidatur gekostet.