100 Millionen nutzen aktiv ein Programm, das Display-Anzeigen oder Banner systematisch aussperrt. Jede fünfte digitale Werbebotschaft erreicht deshalb den Adressaten nicht, Tendenz: weltweit steigend. Ein Horrorszenario für Marken, Medien und Kreative.
Was mit einem Mini-Start-up namens Eyeo vor wenigen Jahren in Köln begann, hat sich zu einem Massen-Phänomen ausgeweitet. Adblocking ist lange nicht mehr Hobby von Open-Source-Programmierern, sondern eine neue Industrie mit gewaltigen wirtschaftlichen Auswirkungen. Die Expansionslust der Kampagnen-Killer ist dabei ungebremst: Schon bald soll die Zahl der aktiven Nutzer der Software auf 200 Millionen verdoppelt werden. Ein digitaler Kreuzzug, den die Profiteure der Entwicklung gern als Dienst am Menschen verkaufen. Laut eigener Darstellung verfolgen sie – wie die Silicon-Valley-Giganten Facebook oder Google – selbstverständlich nur das Ziel, das Internet „zu einem besseren Ort zu machen“. Dass sie an den Platzkarten dafür verdienen, sagen sie nicht.
Verlage, Vermarkter und TV-Konzerne, die dem digitalen Treiben lange zugesehen hatten, formieren sich zur Gegenwehr. Zig Klagen wurden gegen Eyeo angestrengt, Werbe-Muffel systematisch ausgesperrt. Devise: Wer den Adblocker im Browser installiert, muss für den Inhalt zahlen oder wird von der Seite verbannt. Angesichts von anderweitig im Netz verfügbaren Gratis-Inhalten auf anderen Webseiten ist dies eine riskante Strategie, die nur funktionieren wird, wenn Leser und Zuschauer nicht massenhaft wegbleiben.
Dass diese Gefahr besteht, haben sich Vermarkter und Medienhäuser in einem gewissen Maß selbst zuzuschreiben. Ins Bodenlose fallende TKPs und aufgrund der niedrigen Erlöse unprofitable News-Portale haben bei manchen Angeboten zu einer nutzerfeindlichen Werbe-Überflutung geführt. Ungewollt startende Spots, nicht wegklickbare Layer oder überdimensionale Banner, die den Inhalt verdecken: All das nervt den Nutzer und kann letzlich nicht im Interesse von Kreativen und Werbungtreibenden sein. Die absatzwirtschaft beleuchtet ab S. 22 das Duell der Content-Produzenten gegen die ungebetenen Torwächter aus allen Perspektiven. Ein digitales Lehrstück, dessen Ausgang noch ungewiss ist.