Editorial zur absatzwirtschaft 03/16: Ethik ist reif fürs Marketing

Es klingt zunächst etwas abwegig: Die Ethik soll ins Marketing einziehen. Ausgerechnet in die Disziplin, der von Seiten der Gesellschaft gerne attestiert wird, dass sie nicht mit lauteren Mitteln arbeitet. Abgesehen davon ist Ethik auch nicht neu. Aristoteles bemühte sich schon um sie – vergeblich. Warum sollte es also ausgerechnet jetzt funktionieren?
Das Cover der absatzwirtschaft 03/2016

Es gibt dafür vielleicht drei gute Gründe:

1. Wir sind an einem Tipping-Point angekommen, denn der VW-Betrug ist ein besonders schwerer Fall, der noch lange nicht abgeschlossen sein wird – mit ungewissen Kosten. Hier zeigt sich vielleicht zum ersten Mal in der aktuellen Industriegeschichte, wie wenig es sich finanziell lohnt, unethisch zu handeln.

2. Gerade in einer komplexer werdenden Gesellschaft ließ sich unethisches Handeln besser verstecken. Dieser Konstruktionsfehler scheint behoben. Mit wachsender Digitalisierung und durch die sozialen Medien ist die kollektive gesellschaftliche Kontrolle so hoch wie nie. Lügen fliegt sofort auf. Darunter leiden übrigens auch die Medien. Es ist sogar noch viel besser: Sozial- und Wirtschaftspsychologie wissen, dass Menschen moralisch handeln, weil und wenn sie sich Anerkennung davon versprechen. Das heißt, die digitale Transparenz ermöglicht nicht nur Kontrolle, sondern schafft auch Sichtbarkeit von ethisch korrektem Verhalten.

3. Konsumenten fordern moralisch sauberes Handeln ein. Nicht etwa aus Gutmenschentum. In einer gesättigten Gesellschaft mit austauschbaren Produkten, Qualitäten und Preisen suchen die Konsumenten vielmehr nach dem Besonderen. Das führt in der Reaktion mittlerweile dazu, dass Discounterketten Wert auf eine saubere und schadstoffarme Textilproduktion legen, bei der Initiative Tierwohl Handelsunternehmen einen Beitrag von vier Cent pro Kilogramm verkauftem Fleisch abführen, um gute Tierhaltung zu finanzieren, oder Facebook gegen Hass-Postings vorgeht. Sogar die Allianz will nicht mehr in Kohle investieren und ist überzeugt: Klimaschädliche Investments rechnen sich in Zukunft nicht mehr.

Es klingt verrückt, aber ethisch vertretbares Verhalten könnte zu einem Wettbewerbsvorteil avancieren. Spannend, oder? Lesen Sie mehr dazu in unserer Titelgeschichte. 

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