Von Astrid Schäckermann
Die journalistische Prüfung, ob die Handelsmarken Edeka und Rewe ihre Qualitätsversprechen halten und ob sie bessere Lebensmittel anbieten als die Discounter Aldi und Lidl, beginnt mit einer Verbrauchertäuschung. Sie dient als Imagetest: Passanten in der Essener Innenstadt verkosten einen Orangensaft, den keines der vier genannten Handelsunternehmen im Sortiment hat. Für den ARD-Markencheck wurde das niederländische Produkt jedoch in Flaschen der Supermärkte und Discounter umgefüllt und als deren Waren zum Probieren bereitgestellt. Kaum jemand habe gemerkt, erklären die Redakteurinnen Eva Lindenau und Frauke Steffens, dass im Rahmen des Markenchecks vier mal der gleiche Orangensaft angeboten wurde. Statt dessen bewerten 20 Verbraucherinnen und Verbraucher das vermeintliche Rewe-Produkt am besten, während Edeka 15 Passanten überzeugt und Lidl und Aldi jeweils elf Mal als Qualitätssieger genannt werden.
Vielfalt soll Lebensqualität erhöhen
Wie Handelsmarken funktionieren, erklärt ein Experte im ARD-Beitrag so: Das Bild ist gleich, aber der Rahmen unterscheidet sich. Discounter seien mit einem schlichten Edelstahlrahmen zu vergleichen, Supermärkte dagegen mit einem prachtvolleren barocken Rahmen. Die Ladengestaltung der Supermärkte vermittle ein besseres Gefühl beim Einkaufen, beispielsweise durch einen natürlich wirkenden Bodenbelag bei Obst und Gemüse. Doch nicht nur die Produktpräsentation ist bei Edeka und Rewe attraktiver, auch die Produktvielfalt übersteigt jene der Discounter bei weitem. Natürlich brauche niemand 40 verschiedene Sorten Salz, sagt ein selbstständiger Kaufmann, der einen Edeka-Supermarkt leitet, aber die Vielfalt sei Lebensqualität. Und diese führt die Kundinnen und Kunden auch eher zu Spontankäufen. Mehr als ein Drittel der Einkäufe im Supermarkt sind laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung ungeplant. „Edeka und Rewe haben eine gute Arbeit gemacht“, stellt der Handelsmarketing-Experte fest, „sie haben ihre Marke im Bereich Lebensmittel dahin positioniert, dass die Menschen die Wahrnehmung haben, dort schmecke es besser.“
Teure Produkte nicht automatisch höherwertig
Beim Preisvergleich zeigt der ARD-Markencheck, dass beispielsweise Milch, Butter und Toilettenpapier in den Discount-Märkten Lidl und Aldi exakt das gleiche kosten wie die Eigenmarken-Produkte „Gut und günstig“ von Edeka sowie „Ja!“ von Rewe. Die Supermärkte passen sich im Niedrigpreissegment den Discountern an, erklärt der Edeka-Marktleiter. Doch auch bei Markenwaren, die nicht dem Billig-Sortiment der Supermärkte zuzuordnen sind, liegen die Preise hier nur geringfügig über jenen, die in Discountern gelten. „Supermärkte halten erstaunlich gut mit“, lautet das Fazit hinsichtlich der Preisgestaltung.
Was die Prüfung der Qualität angeht, so gilt den Markencheck-Recherchen zufolge der Grundsatz „Teuer ist besser“ nicht. Für ein Drei-Gänge-Menü, zubereitet von einem Sterne-Koch, wählten die Journalistinnen sowohl günstige Discount-Waren als auch höherpreisige Premium-Produkte von Rewe und Edeka aus. Wiederum wurden Passanten zum Verkosten gebeten. Sie zeigen sich von den Premium-Produkten wenig überzeugt. Geschmacklich werden die Discount-Waren zum Teil sogar besser bewertet. Die im Labor getesteten Salate und Weintrauben von Edeka und Rewe können bezüglich des Qualitätsmerkmals „Frische“ zudem nicht höher eingestuft werden als die Discount-Produkte. Und beim Fleisch zeigt sich, dass vergleichsweise teure Waren, die an der Theke erhältlich sind, vom gleichen Erzeuger stammen und daher in der Qualität durchaus vergleichbar sind mit abgepackten, günstigen Eigenmarken.
Soziale Verantwortung mehr als ein Lippenbekenntnis?
Versäumnisse attestieren die Autorinnen des Fernsehbeitrags der Supermarkt-Kette Edeka jedoch bei der Sorge um faire Arbeitsbedingungen. Sie stützen sich auf Aussagen von Beschäftigten. In Deutschland würde nicht generell nach Tarif bezahlt, viele Arbeitnehmer müssten Überstunden leisten, die nicht vergütet würden. Es stellt sich heraus, dass der Arbeitsvertrag mit einer Aushilfskraft, den die ARD-Redakteurinnen einsehen können, aufgrund der Überstunden-Regelung als nicht rechtmäßig zu bewerten ist. Zuständig für die Verträge mit den Beschäftigten in den Edeka-Märkten sind die selbstständigen Handelsunternehmer, es ist nicht die Zentrale in Hamburg.
Richtig schwierig wird es jedoch, als die Markencheck-Autorinnen das neue Rewe-Label „Pro Planet“ unter die Lupe nehmen. Es kennzeichnet nach Informationen des Handelsunternehmens solche Produkte, die die Umwelt und Gesellschaft während ihrer Herstellung, Verarbeitung oder Verwendung deutlich weniger belasten. Ziel sei es, den nachhaltigen Konsum zu fördern. Hunderte Betriebe habe Rewe unter Vertrag, doch gegenüber der ARD wird kein Betrieb genannt, der besichtigt werden kann. Die Journalistinnen reisen nach Spanien und filmen im Umfeld großer Gemüseanbau-Betriebe. Die Arbeitsbedingungen der Tagelöhner sind katastrophal, doch ob diese Betriebe auch für das Rewe-Label Pro Planet fertigen, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden. Was bleibt, ist Unbehagen. Denn Rewe macht nicht klar, ob sein Transparenzversprechen real und glaubwürdig ist, oder ob lediglich mit der Ankündigung, soziale Verantwortung zu übernehmen, beim Konsumenten ein gutes Gefühl erzeugt werden soll.