Den Kern der Entwicklung von Strategien für das Internet der Dinge (Internet of Things – IoT) sehen die beiden Autoren Ingo Steinhaus und Bernhard Steimel in smarten Produkten und Services, die datengetriebene Geschäftsmodelle nutzen. Ihre Publikation gibt praktische Hilfestellungen für verschiedene Szenarien. Denn um vom Marktpotenzial des IoT zu profitieren, können Unternehmen entweder bestehende Produkte mit IoT-Zusatzservices versehen oder neue Produkte mit IoT-Funktionen entwickeln. Die dritte Möglichkeit besteht darin, produktlose Smart Services zu gestalten.
Wertschöpfung durch kundenzentrierte Lösungen
Die Begründung, warum Mittelstand und Großkonzerne zu „Early Adoptern“ werden müssen, um das Feld nicht länger den IoT-Vorreitern zu überlassen, verweist auf die Dynamik vieler Märkte: Die Digitalisierung senkt Markteintrittsbarrieren und erlaubt es branchenfremden Firmen, ihre Geschäftsmodelle anzugreifen. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: die Kundenorientierung, wie sie serviceorientiere Internet-Giganten wie Amazon schon seit Jahren praktizieren. „Unternehmen, die auch in Zukunft mit ihren Produkten Geld verdienen möchten, müssen die veränderten Kundenerwartungen berücksichtigen; sie müssen jetzt mit einer Innovationsstrategie für die Smart Service Welt beginnen und wertvolle Geschäftschancen ergreifen“, sagt Steimel.
Christian Thunig, Chefredakteur von absatzwirtschaft, sieht Start-ups hier klar im Vorteil, wie er im Vorwort zum Praxisleitfaden schreibt: „(Sie) entdecken wahre Bedürfnisse und konzentrieren sich auf eine kundenzentrierte Lösung. Hier entsteht gefühlt derzeit die echte neue Wertschöpfung in der Wirtschaft.“ Dass das Internet der Dinge die scheinbaren Industrie 4.0-Profiteure aus dem Markt fegen könnte, meint Prof. Andreas Syska von der Hochschule Niederrhein. Während in Deutschland technikverliebt an Sensorik und Schnittstellen getüftelt werde, würden US-Unternehmen Geschäftsmodelle entwerfen. Und laut einer Studie von Bearing Point ist die Erkenntnis, dass digitale Transformation einen kompromisslosen Fokus auf den Kunden bedeutet, erst bei fünf Prozent der Großunternehmen und zehn Prozent der Mittelständler tatsächlich angekommen.
Fundamentaler Wandel
Das „Strategie“-Kapitel des Praxisleitfadens zeigt ausführlich, wie ein Unternehmen Nutzenversprechen für die nächste Ära seines Geschäfts entwickeln kann. Dabei darf es nicht linear vorgehen, sondern muss lernen, wie ein Internet-Start-up zu denken. Diese beschränken sich schon lange nicht mehr auf Entwicklung, sondern haben begonnen, die Welt der Alltagsgegenstände umzugestalten und zu revolutionieren. Verschiedene Vorgehensmodelle werden in diesem Kapitel entlang des iterativen Prozesses vorgestellt – denn die Gestaltung eines Smart Service geschieht agil. Durchgesetzt hat sich dafür eine Lean-Enterprise-Methode, die in vier Phasen aufgeteilt werden kann: Explore, Create, Scale und Change.
Zu Wort kommen hier viele weitere Experten, die ihre Erfahrungen mit Digital Labs, Lean-UX und Agile schildern. Bernhard Steimel: „Lean-Verfahren sind aus der Produktion bekannt. Jetzt werden sie genutzt, um Produkte und Services zu entwickeln. Das ist ein fundamentaler Wandel, der die Geschäfts- und Organisationsmodelle von Unternehmen verändert.“
Doch noch zählt sich nur eine Minderheit der Unternehmen zu den proaktiven Innovatoren. Bei der Mehrheit sind Strategien, Strukturen und Kultur darauf ausgelegt, das Bestehende zu optimieren. Nach Ansicht von Jens-Uwe Meyer, Geschäftsführer Innolytics, ist das nicht grundsätzlich falsch. Jedes Unternehmen benötige eine auf Weiterentwicklung des Tagesgeschäfts ausgerichtete Kultur, um im Markt bestehen zu können, und parallel dazu seien Geschäftseinheiten notwendig, die die Merkmale proaktiver Innovation aufweisen. „Das klingt schizophren und ist es auch. Vorstände und Geschäftsführer müssen das Bestehende durch fortwährende Innovation so lange wie möglich erhalten und es zugleich durch radikale Neuentwicklungen ersetzen“, erklärt Meyer.
Den größten Veränderungsdruck hat das Marketing
„Allerdings dürfen Unternehmen nicht zu vorsichtig agieren“, ergänzt Steimel. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigten, dass ein „Hineinschleichen“ in die Digitalisierung und das Internet der Dinge nicht funktioniert. Hier sei eher ein „Reinfräsen“, wie es Thomas Sattelberger empfehle, notwendig. Den größten Veränderungsdruck sehen einige der Experten beim Marketing, da hier die gesamte Kommunikation des Unternehmens bewältigt werden müsse. In der Praxis stelle sich das Marketing den Veränderungen hin zu einer agilen Organisation früher als andere Funktionsbereiche in den Unternehmen. Daher sei es häufig Vorreiter für die digitale Transformation und werde zu einem Inkubator für die Veränderung.
Neben Erfahrungsberichten und Tipps für das strategische Vorgehen enthält der Praxisleitfaden rund 50 Fallbeispiele, mehr als 250 Best-Practice-Cases sowie ein Technologie-Kapitel. Im Rahmen einer Metastudie wurden darüber hinaus mehr als 200 empirische Untersuchungen und internationale Studien ausgewertet, die sich mit dem Internet der Dinge auseinandersetzen. Dies zusammengenommen ist eine spannende Lektüre für Unternehmens-Entscheider, die die Transformation angehen oder intensivieren wollen und dabei das enorme Potenzial des Internet of Things im Blick haben.
Laut Experten wird das IoT-Marktvolumen im Jahr 2025 bei mehreren Billionen Dollar Umsatz liegen. Im vergangenen Jahr waren nach Untersuchungen der Analysten von IHS etwa 15 Milliarden Geräte über das Internet der Dinge verbunden und im Zuge des „digitalen Wirtschaftswunders“ soll diese Zahl bis 2025 auf mehr als 75 Milliarden Geräte ansteigen.
Der 188-seitige „Praxisleitfaden Internet der Dinge – Neue Geschäftsmodelle mit Smart Services“ kann kostenlos im White Paper-Bereich von absatzwirtschaft heruntergeladen werden.