Denn das ist inzwischen jedem klar: Die Konjunktur in Deutschland springt erst wieder richtig an, wenn die Binnennachfrage anzieht, sprich der private Konsum. Das hat auch die Bevölkerungsumfrage des GWA-Frühjahrsmonitors ergeben. 64 Prozent der Befragten sehen und verstehen diesen wirtschaftlichen Zusammenhang, sind aber dennoch nicht unbedingt willens, positiv auf werbliche Impulse zu reagieren.
Das ist nichts Neues, wer bekennt sich schon in Umfragen offen dazu, sein Kaufverhalten durch Werbung stimulieren zu lassen? Spannender ist die Frage, ob wirklich die Konsumfreude als solche in den letzten drei wirtschaftlich flauen Jahren gelitten hat?
Fakt ist, das Konsumklima ist direkt abhängig von den politischen und sozialen Rahmenbedingungen. Wie die GfK-Konsumklima-Studie auch im Mai 2004 wieder aufzeigt, führt jede Verunsicherung bei der Einkommenserwartung sofort zur Erhöhung der Sparquote, zulasten des privaten Konsums. Der vorgezogenen Steuerreform stehen zusätzliche Belastungen durch Kürzung von Steuervergünstigungen und die Gesundheitsreform gegenüber.
Der Verbraucher möchte schon wollen, er traut sich nur nicht zu dürfen!
Das hat auch etwas mit Kommunikation zu tun, mit der Kommunikation der Politik.
Wann immer Signale aus den politischen Kreisen kommen – und es sind in der Regel nie uneingeschränkt positive Signale – fördern sie die Zukunftsangst und damit Vorsorgedanke und Konsumzurückhaltung. Die Untersuchungsreihe „Stern Trendprofile“ zeigt deutlich auf: nicht nur Ereignisse wie Börseneinbruch und der 9. September fördern – nachvollziehbar – den Pessimismus, sondern auch Uneinigkeit in den relevanten politischen Lagern („Berliner Kakophonie“) und zum Beispiel die Reformdebatte.
Soziale Ängste sind keine guter Nährboden für Konsumfreude.
Aber parallel dazu macht man es der Werbung zunehmend schwerer.
Die Einschläge kommen näher, was die Einschränkung der Werbefreiheit durch entsprechende Eingriffe aus Brüssel angeht. Und manches wird freudvoll auch bei uns in Deutschland aufgegriffen. Wie beispielsweise das Thema dicke Kinder, ein unmittelbares Problem der elterlichen Erziehung und leider nicht das einzige …! Man macht es sich sehr leicht, wenn man sich hier vorschnell auf die Werbung einschießt, anstatt den langwierigen und vor allem unpopulären Weg durch die pädagogischen Institutionen zu gehen.
Oder die Einschränkung auf dem Gebiet der Automobilwerbung.
Zukünftig bei der Produktwerbung Verbrauchswerte und Schadstoffemissionen genauso prominent herausstellen zu müssen wie die Hauptbotschaft ist kommunikativ fatal. Man stelle sich vor, dass jede Heiratsannonce den Grad von Mund- und Körpergeruch beim morgendlichen Aufwachen in den Vordergrund zu stellen hätte …?!
Wie soll Werbung die Konsumfreude wieder aktivieren, wenn man es ihr schwerer macht, wo immer es geht?
Immerhin, es geht tatsächlich. Auch in Zeiten wie diesen gibt es genügend Beispiele dafür. Der Effie vom GWA, also der Preis, der für Marketingkommunikation vergeben wird, die nachweislich effizient gearbeitet hat, verzeichnet mit 181 Einsendungen einen Einsenderekord.
Und immer wieder blitzen Kampagnen auf, die hervorragende Ergebnisse zeigen. Auch die aus marketingideologischen Gründen vielgescholtene „Geiz ist geil“-Kampagne hat sehr effizient gearbeitet (Gold-Effie 2003 in Deutschland, Österreich und silberner Euro-Effie) und nachweisbar und zielgerichtet die Konsumfreude beim Verbraucher durchbrochen. Und darum geht es.
Die Rahmenbedingungen sind hart. Um den Verbraucher zu aktivieren, müssen spürbare Marken-Erlebnisse geschaffen werden. Marketing-Déjà-vu reicht nicht mehr, es müssen kraftvolle Ideen konsequent umgesetzt werden. Nur wer es schafft, den müden und sorgengebeutelten Verbraucher zu faszinieren und ihm ein wenig Freude in den grauen Alltag (zurück?) zu bringen, wird ihn auch aktivieren.
Durchmogeln ist halt nicht mehr.
Über den Autor: Holger Jung ist Gründer der Jung von Matt AG und Präsident des Gesamtverbandes der Kommunikationsagenturen (GWA).