Von Bernd Beiser
Rund 120 Millionen Domainnamen verwaltet die Non-Profit-Organisation Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) derzeit auf der ganzen Welt. Der gemeinnützigen Organisation obliegt das Management des Domain Name Systems (DNS). Während ICANN sicher stellt, dass jede Internet-Adresse einzigartig und Domainnamen den entsprechenden IP-Adressen zugeordnet sind, ist für Auswahl und Management der genutzten Domainnamen das jeweilige Unternehmen zuständig.
Domainnamen fungieren als wichtiges Bindeglied zwischen Online- und Offline-Geschäften. Der Name einer Webseite entscheidet über den Erfolg von Marketing-Aktivitäten und beeinflusst das Corporate-Branding – und steht somit für die Identität der Organisation. Die Relevanz der Domainnamen-Verwaltung lässt sich anschaulich in der Werbung nachvollziehen: 80 Prozent der Printanzeigen, 70 Prozent der Fernsehreklame und immerhin 22 Prozent aller ausgestrahlten Radiospots enthalten heutzutage einen Domainnamen. Gute Beispiele für ein durchdachtes Domainnamen-Managements sind Amazon.com als Synonym für den Internet-Buchhandel oder Ebay.com.
First come, first serve…
Soweit die Theorie. In der Praxis gleicht eine konsistente Domainnamen-Verwaltung jedoch oftmals einer Odyssee: Anders als in der klassischen Geschäftswelt, in der weltweite Gesetze und Vorschriften den Schutz von Markenrechten gewährleisten, herrschen hinsichtlich der Vergabe und der Verwaltung von Domains Zustände wie ehemals im Wilden Westen. Dies liegt in erster Linie daran, dass Domainnamen nicht unweigerlich an das Unternehmen gehen, dessen Name für seine Produkte oder Dienstleistungen steht: Den Zuschlag für Domains bekommt vielmehr der Antragsteller, der am schnellsten reagiert.
Ein Prinzip, das in der Vergangenheit mehrfach für heftige Streitfälle sorgte: „Virtuelle Hausbesetzer“, so genannte Cybersquatter, nutzen die Schwachstelle bei Domain-Vergabe und -Management, um Namen zu registrieren, die Begriffe bekannter Hersteller und Marken enthalten oder zumindest ähneln. Cybersquatter wollen hierbei zumeist billig erworbene Domainnamen meistbietend veräußern. Häufig verwenden sie Schreibweisen mit Bindestrich, freie Domain-Suffixe wie etwa „.org“ oder „.net“ und selbst rufschädigende Domainnamen, die auf das Unternehmen schließen lassen. So setzen sie Organisationen unter Zugzwang, weil potenzielle Kunden auf vollkommen falschen Webseiten landen.
Zu diesem Zweck durchleuchten Betrüger das Netz permanent nach gewinnbringenden Neuigkeiten und registrieren nur wenige Minuten später passende Domainnamen. Beispiel Microsoft: Der Softwarekonzern musste sich lange Zeit gegen die Domain www.exbox.com wehren. Der Betreiber dieser Seite hatte es auf ein Stück vom Kuchen für die populäre Spielkonsole Xbox abgesehen.
Eine weitere Microsoft-nahe Seite www.windowsexp.com wiederum führte den Anwender zu pornografischen Inhalten, während selbst die Domain www.billgates.com nicht etwa dem Microsoft-Gründer, sondern einem Cybersquatter aus Florida zugesprochen wurde. Eher kurios mutet ein anderer Fall an: 2004 hatte Microsoft einen 17-jährigen Kanadier vor Gericht zitiert, der die Seite www.mikerowesoft.com sein Eigen nannte – der Name des Studenten lautete Mike Rowe.
Dieselben Absichten hegen Typosquatter, die Domainnamen mit „Tippfehlern“ registrieren. Ihre Methode: Sie melden Internet-Adressen bekannter Anbieter mit einem Schreibfehler an, um so unbedarfte Anwender auf die falsche Fährte zu locken. Dort befindet sich nicht selten ein dubioser Webshop, der bestenfalls eigene Produkte, schlimmstenfalls aber Raubkopien oder Plagiate anbietet. Ende 2007 hatte etwa der Russe Sergej G. die Adresse www.googkle.com registrieren lassen, um von solchen Tippfehlern zu profitieren.
Gefährlich werden diese Machenschaften spätestens dann für Verbraucher, wenn Betrüger Schadprogramme wie Trojaner von ihren Internet-Seiten aus auf die Rechner der Kunden übertragen, um an sensible Daten zu kommen – oder aber, wenn gefälschte Waren beworben werden. Grundsätzlich gilt: Je populärer das Unternehmen, die Technologie oder das Produkt, desto verlockender auch das Cyber- beziehungsweise Typosquatting.
Die Arbeit beginnt nach der Registrierung
Dass es nicht soweit kommen muss, belegen durchdachte Domainnamen-Strategien. Sie schützen Unternehmen sowie Verbraucher und erleichtern eine kontinuierliche Verwaltung des Online-Auftritts. Wesentlich aufwändiger und kostenintensiver als die Registrierung bei ICANN gestaltet sich die Verwaltung der Domainnamen und die Vermeidung von Fehlern. Das ist dann besonders schwierig, wenn Hunderte bis Tausende von Webseiten für eine internationale Präsenz administriert werden müssen und ein transparenter Überblick über die zahlreichen Adressen nicht gegeben ist.
Es gilt, Fragen zu Umfang, Verantwortlichkeiten und Verlängerungsfristen stets beantworten zu können, Registrierungen zeitnah zu erneuern, Schreibfehler zu berücksichtigen und neue Produkte rasch ins Domainnamen-Konzept zu implementieren.
Zunächst müssen alle für das Unternehmen aktuell relevanten Domains über Registry Operatoren und Registratoren verwaltet werden. In einem nächsten Schritt lassen sich einzelne Domainnamen unter einem bevorzugten Anbieter zusammenführen. Ein einheitlicher Richtlinienkatalog innerhalb des Unternehmens und eine konsistente Vorgehensweise für alle Domainnamen sorgen für den nötigen Überblick.
Dieser Richtlinienkatalog nennt Verantwortlichkeiten, ordnet Prozesse und legt Namen samt Schreibvarianten und künftiger Produkte oder Dienstleistungen fest. Das bedeutet: Eine durchdachte Domainnamen-Verwaltung schließt die Suche nach neuen Domainnamen ein, die das geistige Eigentum und die Branding-Entwicklung des Unternehmens beeinflussen. Darüber hinaus ist es ratsam, die Einführung neuer Domain-Suffixe zu beobachten.
Konsequentes Domainnamen-Management: Wichtige Maßnahmen
Folgende Schritte gilt es unbedingt zu beachten: Neben einer einfach zu merkenden oder zu erratenden Domain für das Unternehmen oder Produkte sollten zusätzlich andere Suffixe für einzelne Domains registriert werden. Ebenso ist es ratsam, typische Tippfehler für Domainnamen in das Konzept einzubinden. So ist es möglich, Cyber- und Typosquattern einen Riegel vorzuschieben und gleichzeitig Verbraucher abzuholen, die aufgrund von Schreibfehler nicht auf der offiziellen Seite landen. Soll ein Slogan oder neuer Markenname allerdings zunächst noch geheim gehalten werden, darf auch die Registrierung nicht sofort erfolgen.
WHOIS listet beispielsweise sämtliche Domainnamen und den dazugehörenden Eigentümer öffentlich sichtbar auf. Für eine zeitversetzte Veröffentlichung eignen sich Dienste wie das Account Masking. So lassen sich Domainnamen anonym anmelden und zu einem fest definierten Zeitpunkt freigeben. Je nach Anforderungen können Unternehmen die Verwendung von Bindestrichen abwiegen. Während Bindestriche zwar einerseits dafür sorgen, dass Domainnamen, die aus mehreren Wörtern bestehen, in Suchmaschinen eine höhere Platzierung erhalten, lassen sich Bindestrich-freie Webseiten in der Regel leichter merken.
Handelt es sich beim Unternehmensnamen oder einer Marke um schwierige Wörter oder komplizierte Bezeichnungen, sollten Unternehmen Domainnamen wählen, die sich leicht mit dem Geschäft assoziieren lassen. Die britische B&Q plc etwa, Anbieter für Haus- und Gartenartikel, nutzt www.diy.com als Einstiegsadresse für ihren Online-Auftritt – DIY steht im Englischen für „Do It Yourself“. Ebenso sollten Domainnamen für abgelaufene Kampagnen oder Marketing-Aktivitäten rasch erneuert beziehungsweise auf neue Seiten umgeleitet werden. Werden Zahlen innerhalb von Domainnamen verwendet wie etwa in Radiospots bietet es sich an, sowohl die Ziffer 3, als auch die ausgeschriebene Zahl „Drei“ registrieren zu lassen.
Last but not least gilt: Ein „.com“-Suffix sollte, sofern erhältlich, zwingend in die Liste der registrierten Domainnamen eingetragen werden. „.com“ gilt auch zukünftig als erste Anlaufadresse für Anwender auf der Suche nach einem Unternehmen oder Produkt. Ein Rat, den das Weiße Haus in Washington nicht befolgte: Zahlreiche Anwender landeten nach der Eingabe von www.whitehouse.com in einem Verzeichnis für Internet-Adressen und heute auf einer kommerziellen Seite; www.whitehouse.org hingegen konzentriert sich auf satirische Inhalte über US-Präsident George W. Bush. Die korrekte Domain des Regierungssitzes jedoch lautet www.whitehouse.gov.
Als erste Informationsquelle für Domainnamen eignet sich wie bereits erwähnt WHOIS. WHOIS nutzt ein verteiltes Datenbanksystem und gibt Aufschluss über Domainnamen, die registrierte Person sowie deren Kontaktdaten. Sind all diese Punkte erfüllt, mündet ein erfolgreiches Domainnamen-Management in einem kontinuierlichen Qualitätscheck. Dieser umfasst die regelmäßige Überprüfung und Erneuerung aller Domainnamen des Unternehmens. Bei einem Missbrauch von Domainnamen sollte unverzüglich mit der Beweisaufnahme über die betreffende Webseite begonnen werden.
Dazu gehört das Ausdrucken sämtlicher Webseiten, deren Links und Destinationen. Ebenso müssen WHOIS-Informationen notiert und E-Mails von Kunden und Mitarbeitern archiviert werden, die weiteren Aufschluss liefern können. Recherchen über bereits inaktive Domains ermöglicht www.archive.org. Diese Webseite archiviert älteren Web-Content chronologisch und gestattet so die tagesgenaue Suche nach Veränderungen. Um eine aktive Domain genauer zu analysieren, bietet sich die Recherche der Metadaten an.
Oft nutzen Cybersquatter die Methode des Word-Stuffing, um Webseiten in Suchmaschinen möglichst prominent platzieren zu können. Dabei handelt es sich um eine Vorgehensweise, nach der bestimmte Suchbegriffe „unsichtbar“ in die Webseite integriert werden. Eine Untersuchung der Metadaten bringt diese Inhalte ans Licht. Mit diesen Informationen lassen sich dann rechtliche Schritte gegen den Betreibern einleiten.
Autor: Bernd Beiser ist Geschäftsführer bei Net Names