Durchbruch bei umstrittenem Lieferkettengesetz

Viele deutsche Firmen lassen Waren in aller Welt herstellen. Bisher konnten ihnen die Arbeitsbedingungen dort egal sein. Das soll sich ändern: Die Koalition will das umstrittene Lieferkettengesetz vor der Bundestagswahl doch noch beschließen.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD): Mit dem Lieferkettengesetz soll Kinderarbeit, Ausbeutung und Naturzerstörung bei der globalen Produktion von Waren eingedämmt werden. (© Imago)

Große Unternehmen in Deutschland müssen bald genauer hinsehen, wie ihre internationalen Zulieferer arbeiten. Union und SPD wollen vier Monate vor der Bundestagswahl doch noch das umstrittene Lieferkettengesetz zur Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten auf den Weg bringen. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag erfuhr, legten sie ihren Streit mit einem Kompromiss bei. Das Lieferkettengesetz könnte damit noch im Juni im Bundestag beschlossen werden. Die großen Wirtschaftsverbände sind nicht begeistert.

Mit dem Lieferkettengesetz soll Kinderarbeit, Ausbeutung und Naturzerstörung bei der globalen Produktion von Waren eingedämmt werden. Unternehmen sollen dafür sorgen, dass es in ihrer gesamten Lieferkette, auch international, nicht zu Verletzungen der Menschenrechte und Umweltvorgaben kommt.

Die Firmen sollen künftig ihre gesamte Lieferkette im Blick haben, aber abgestuft verantwortlich sein. Wird einer Firma ein Missstand in der Lieferkette bekannt, soll sie verpflichtet werden, für Abhilfe zu sorgen. Zudem sollen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Möglichkeit bekommen, Betroffene vor deutschen Gerichten zu vertreten. Bisher konnten Geschädigte nur selbst klagen, was aber in der Praxis an den Lebensumständen scheiterte.

Lieferkettengesetz in der Diskussion

Eigentlich sollte das Lieferkettengesetz bereits vor zwei Wochen endgültig im Bundestag beschlossen werden. Es wurde jedoch in letzter Minute von der Tagesordnung gestrichen, weil Unionsabgeordnete noch Diskussionsbedarf zur Unternehmenshaftung sahen. Nun einigten sich die Fraktionen nach Angaben des CSU-Sozialpolitikers Stephan Stracke unter anderem darauf, zusätzliche zivilrechtliche Haftungsrisiken für die Unternehmen gesetzlich eindeutig auszuschließen.

Außerdem sollen die geplanten Sorgfaltspflichten auch für große deutsche Niederlassungen ausländischer Unternehmen gelten. Die Änderungen machten noch einmal deutlich, dass von den Unternehmen nichts rechtlich und tatsächlich Unmögliches verlangt werden solle, erklärte Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe. Stracke betonte, das Lieferkettengesetz müsse für die Wirtschaft auch umsetzbar sein.

Lieferkettengesetz soll ab 2023 gelten

Damit sich die Firmen auf die neuen Vorgaben einstellen können, soll das Lieferkettengesetz vom 1. Januar 2023 an gelten, und zwar erst einmal nur für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern – von 2024 an dann auch für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Kleinere mittelständische Unternehmen sind nicht betroffen.

Wirtschaftsverbände nicht von Lieferkettengesetz begeistert

Die großen Wirtschaftsverbände reagierten verhalten. Das Lieferkettengesetz sei „überregulierend und überflüssig“, erklärte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Immerhin sollten sich wegen der Haftungsbegrenzung die negativen Auswirkungen aber in Grenzen halten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betonte, der Staat dürfe die Unternehmen bei der Auslegung der Pflichten nicht allein lassen. Außerdem seien die Sanktionen bei Verstößen unverhältnismäßig hoch. „Für Unternehmen entstehen unkalkulierbare Risiken“, erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Die Firmen könnten nicht für die Aktivitäten ihrer unabhängigen Geschäftspartner haftbar sein.

Die Gewerkschaft IG Metall dagegen forderte den Bundestag auf, das Lieferkettengesetz umgehend zu verabschieden. „Das Thema der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten darf nicht in den Strudel des Wahlkampfs geraten“, erklärte Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb. Aus Sicht von Greenpeace kann das Lieferkettengesetz allerdings Umweltschäden kaum verhindern. Die Zerstörung der Artenvielfalt und Schädigung des Klimas werde nicht bestraft. Da zivilrechtliche Haftung ausgeschlossen sei, werde das Gesetz nicht wirken.

Lieferkettengesetz könnte noch im Juni verabschiedet werden

Der Bundestag kommt vor der Sommerpause im Juni noch zweimal zu regulären Sitzungswochen zusammen, in denen das Lieferkettengesetz verabschiedet werden könnte. Dann folgen die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs und das Ende der Legislaturperiode.

he/dpa