Die Kunden erwarten heute zunehmend, dass ihre Bedürfnisse umfassend gelöst werden. Dies erfordert neben dem Sachleistungsangebot ein – je nach Problemsituation – mehr oder weniger umfangreiches Dienstleistungsangebot. Die Industriegüterhersteller haben diesen Trend auch grundsätzlich erkannt und versuchen, über investive Dienstleistungen Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Das Dienstleistungsangebot der Unternehmen ist jedoch häufig nur wenig systematisch geplant und historisch gewachsen, ohne immer hinreichend kundenorientiert zu sein.
Soll jedoch das Potenzial investiver Dienstleistungen zur Steigerung des Unternehmenserfolgs ausgeschöpft werden, müssen Wettbewerbsvorteile im Sinne komparativer Konkurrenzvorteile (KKV) erzeugt werden. Dies erfordert, dass die Wettbewerbsvorteile sich in den Augen der Nachfrager auf wichtige Nutzendimensionen beziehen, von den Nachfragern auch tatsächlich wahrgenommen werden, dauerhaft sind und die Ausgaben für die Erzielung von KKVs geringer sind als die damit erzielbaren Einnahmen und die Wettbewerbsvorteile somit effizient erbracht werden können. Es bedarf damit auf Anbieterseite eines Marketing-Konzepts, das sowohl eine am Nachfragernutzen orientierte Dienstleistungs-Strategie als auch den koordinierten Einsatz marktbeeinflussender Instrumente beinhaltet.
Nach einer Begrüßung und Einführung durch den Präsidenten der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., Herrn Professor Dr. Clemens Börsig, Mitglied des Vorstandes der Deutsche Bank AG, Frankfurt/M., spannte Professor Dr. Klaus Backhaus, Direktor des Seminars für Anlagen und Systemtechnologien an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, in seinem Eröffnungsreferat das gesamte Spektrum der Dienstleistungs-Strategien ‚Von der produktbegleitenden Dienstleistung zur Neudefinition eines Dienstleistungsmarktes‘ auf und analysierte deren Potenzial zur Erzielung von KKVs. Die Lösungen der Praxis standen im weiteren Verlauf der Schmalenbach-Tagung 2001 im Mittelpunkt.
Dienstleistungen: Von der Sortimentserweiterung zum neuen Dienstleistungsmodell
‚Smart Shopping‘ und die Tatsache, dass Kunden immer stärker den Preis einer Ware anstelle ihres Wertes im Auge haben, führen zu ständigen Wechsel- bzw. Abwanderungsbewegungen in der Kundschaft. Dass auch und gerade die Airline-Industrie von der Entwicklung hin zum Gebrauchsgut betroffen ist, zeigte Thomas Sattelberger, Mitglied des Bereichsvorstands der Lufthansa Passage Airline, Frankfurt/M., in seinem Referat ‚Humans as Brands: Serviceherausforderungen im Übergang zur Erlebnisökonomie‘ auf. Da der Konsument uniforme Ansprache immer weniger goutiert, wird Kundenloyalität zu einer strategischen Differenzierungschance für intelligente Unternehmen. Thomas Sattelberger zog daraus für das Airline-Business die Konsequenz, dass Kundenbindung durch Serviceprofessionals und persönlichen Service tragfähig und wettbewerbsdifferenzierend gestaltet werden muss. Indem die klassische Markenpolitik durch ‚Humans as Brands‘ komplementiert oder gar ersetzt wird, gestalten Service- und Beziehungskapitalisten das Kundenkapital der Zukunft wesentlich mit.
Von einer Neuinterpretation des Geschäfts im Sinne einer konsequenten Nutzenvermarktung berichtete Erich Sixt, Vorsitzender des Vorstands der Sixt AG, Pullach. Mit dem Angebot einer ‚Care free Motoring‘-Lösung ergreift die Sixt AG die Chancen eines komplett neuen dienstleistungsorientierten Geschäftsmodells, bei dem der Anbieter das (garantierte) Leistungsergebnis verkauft und nicht mehr das eigentliche Produkt.
Markterfolg durch dienstleistungsorientierte Geschäftsmodelle
Mit ‚Netservice‘ stellte Dr. Rüdiger Kapitza, Vorsitzender des Vorstands der GILDEMEISTER AG, Bielefeld, ein neues Dienstleistungskonzept im Maschinenbau vor. Die strategischen Erfolgsfaktoren des DMG Netservice basieren auf der hohen Maschinenverfügbarkeit durch dezentrale Systeme, der schnellen Ersatzteilversorgung und –logistik durch konzernweite Vereinheitlichung der DV-Infrastruktur und dem sekundenschnellen Zugriff auf das Service-know-how des Konzerns. Komplettiert werden diese technischen Dienstleistungen durch eine zielgerichtete Kundenschulung und –betreuung sowie Weiterbildung durch die DMG Trainingsakademie.
Dr. Karl-Wilhelm Vordemfelde, Geschäftsführer der WILVORST-Herrenmoden GmbH, Northeim, stellte in seinem Vortrag ‚One-to-One Marketing: Von der Stange zur Maßkonfektion‘ die Idee der industriellen Maßkonfektion (IMK) bei Bekleidung vor. Mit den Mitteln der modernen Bekleidungstechnik ist es heute möglich, für den Verbraucher individuelle Bekleidung anzufertigen, die seinen persönlichen Wünschen entspricht. Die Technik für diese industrielle Maßkonfektion ist nahezu entwickelt. Karl-Wilhelm Vordemfelde untersuchte, welcher Bedarf für industrielle Maßkonfektion besteht und welche Marketingmaßnahmen erforderlich sind, um diese Idee am Markt optimal zu platzieren. Insbesondere ging er auf die Notwendigkeit des Aufbaus einer Marke für die Idee industrieller Maßkonfektion ein, um zu einer flächendeckenden Vermarktung dieses Produktes zu kommen.
Über ‚Betreibermodelle in der Verkehrstechnik‘ berichtete Karl Neubeck, Direktor der Turnkey Systems der Siemens AG, München, und zeigte die Möglichkeiten und Grenzen privater Beteiligung an spurgebundenen Verkehrssystemen auf. Norbert Bierbaum-Hillejan, Sprecher der Geschäftsführung der DB Anlagen und Hausservice GmbH, Berlin, zeigte am Beispiel der DB AG auf, welch kritischer Erfolgsfaktor ‚Facility-Management‘ für Unternehmen darstellen kann. Bei der Deutschen Bahn wurden das technische, infrastrukturelle und kaufmännische Facility Management in eigenständige Tochtergesellschaften ausgegliedert. Das so gebündelte Know-how kommt mittlerweile nicht nur den Kerngesellschaften der Deutschen Bahn, sondern auch externen Auftraggebern zugute.
Everything is a service
Das Abschlussreferat der diesjährigen Schmalenbach-Tagung hielt Dr. Dieter Heuskel, Senior Vice President der Boston Consulting Group (BCG), Düsseldorf. ‚Business Migration: Wachsen durch Ausschöpfen der Wertschöpfungspotenziale‘ war sein Thema. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war ein in vielen Branchen beobachtbares Phänomen: Auf der Suche nach Wachstumspotenzialen verlassen die Marktteilnehmer ihre angestammten Plätze in der Industrie-Wertschöpfungskette. Und sie verlassen damit nicht selten ihre traditionellen Industrien und migrieren in andere Branchen. Alle Marktteilnehmer stehen dabei vor der Frage, welche Teile der Wertschöpfung sie weggeben – Outsourcing – und welche Teile sie ausbauen oder neu aufnehmen sollen – Insourcing. Dabei gilt nicht zwingend, dass ein Mehr an Wertschöpfung auch ein Mehr an Wertschaffung zur Folge hat.
Voraussetzung einer zielkonformen strategischen Entscheidung ist zunächst eine konsequente Zerlegung und rigorose Analyse der Wertschöpfung in ihren Stufen (z.B. Fertigung, Montage, Vertrieb, Wartung etc.) und in ihren Schichten (z.B. Information, Finanzierung etc.). Sowohl die Erstellung und der Vertrieb der Produkte wie auch der Ge- oder Verbrauch sind dabei im Auge zu haben. Mit einem Zitat von Rifkin fasste er prägnant eine Erkenntnis zusammen, die die Referate und Diskussionen der diesjährigen Schmalenbach-Tagung durchzog: „Everything is a service.“
Weitere Informationen zur Schmalenbach-Tagung 2001 unter
Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V.
Bunzlauer Str. 1
50858 Köln
Telefon (02234) 48 00 97
oder
http://www.schmalenbach.org
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