Mitten im Superwahljahr 2024 stellt sich die Frage, wo unsere Energie im Kampf um die Demokratie hingeht. Drei Landtagswahlen stehen in diesem Jahr noch an, die ersten beiden am kommenden Wochenende, und um einen vorsichtigen Ausblick zu geben: ‚It’s not looking good.“
Anfang 2024 bewiesen die “Deportations-Enthüllungen” der investigativen Journalist*innen von Correctiv, dass es dringenden Handlungsbedarf gegen die gibt, die unsere offene Demokratie kapern wollen. Massendemos für Demokratie und Toleranz folgten. Und auch in der Kreativbranche wurde zunehmend Handlungsbedarf gesehen: Agenturen, Marken, Verbände überholten sich mit großen Statements, smarten Kreativideen und omnipräsenten City Lights.
Doch was bleibt davon, wenn uns allein schon die Europawahl gezeigt hat, dass es einen Gutteil der Wähler einfach nicht interessiert? Ein top Ergebnis für die AfD und ein gutes Drittel aller Wähler*innen ging gar nicht erst wählen.
Tatsächlich müssen wir das erstmal so akzeptieren. Aber wir sollten auch drei Dinge lernen:
1. Wir können etwas ändern
Eine Insa-Wahlumfrage sah die AfD Ende Januar 2024 bei 22 Prozent. Die 15,9 Prozent, die bei der Europawahl am Ende herauskamen, sind ein Zeichen, dass es eine überschaubare Menge an Wähler*innen gibt, die weitreichenden Rechtsextremismus, mutmaßliche Geheimdienstverstrickungen und mutmaßliche Korruption doch nicht so prickelnd finden. Die imposante „Show of Force“ der Demokratie Anfang des Jahres hinterließ deutliche psychologische Spuren im Wählerspektrum ganz rechts.
2. Der Kampf um unsere offene Demokratie ist ein Marathon und kein Sprint
Sachsen, Thüringen, Brandenburg wählen im September neue Landtage. In Thüringen bekämen AfD und BSW zusammen fast 50 Prozent der Stimmen. In den beiden anderen Ländern sieht die Lage ähnlich aus. Erlahmt die kreative Zivilgesellschaft jetzt, weil sie aus der Europawahl die falschen Schlüsse zieht, wäre das ein fataler Fehler. Gerade hier muss man sich die Agenturdenke abtrainieren. Eine Kampagne macht hier tatsächlich noch keinen demokratischen Sommer.
3. Es geht nicht mehr um kreative Superideen, sondern um nachhaltige Vernetzung
Nicht die dreißigste pseudopolitische Award-Idee, nicht die nächste bekümmerte Logo-Doppelseite wird die Arbeit für unsere offene Demokratie gewinnen. Es geht um Wissen, um Wahlen und Wähler*innen und um Arbeitsteiligkeit. Es braucht demokratische Netzwerke und nachhaltige Kooperationsmöglichkeiten für die vielen prodemokratischen Kreativen, Agenturchef*innen und Berater*innen da draußen. Branchenverbände, hört ihr zu?
Das wird noch ein langes Jahr. Die prodemokratische Energie der kreativen Zivilgesellschaft sollte nicht auf das nächste in den Brunnen gefallene Kind warten. Denn der beste Zeitpunkt für eine offene Demokratie zu arbeiten, ist nach der Wahl, weil das bekanntlich vor der Wahl ist.